Schule und Sport am Ried in Köniz

Rot glänzende Fassadenfliesen im Riemchenformat

Das Schöne an guten Ideen ist, dass sie auch nach langer Zeit der Nichtbeachtung aus der Versenkung geholt werden können und nach ein wenig Abstauben strahlen, als wären sie brandneu. Man weiß dann gar nicht mehr, wieso man sie vergessen konnte oder vielleicht auch wollte. Solch eine gute Idee ist die der Gartenstadt. Sie stammt von dem Briten Ebenezer Howard, der sie 1898 als Reaktion auf die schlechten Wohn- und Lebensverhältnisse sowie die steigenden Grundstückspreise in den stark gewachsenen Großstädten entwickelte. Nach Missbrauch von Howards Ideen durch die Nationalsozialisten erlebte das Modell in den 1950er-Jahren – in modifizierter Form, zum Beispiel mit Zeilenbauten – eine Renaissance und geriet dann erneut in Vergessenheit. Doch nun besinnen sich Stadtplaner wieder auf die 120 Jahre alten Ideale, die die Vorteile von Stadt und Land zu verbinden suchten – etwa Kultureinrichtungen, gute Infrastruktur, viel Grün. Denn die heutigen Großstädte stoßen, wie auch zu Howards Zeiten, vielfach an die Grenzen der Belastbarkeit. Selbstredend kommen heutzutage noch Themen wie Flächenversiegelung und ökologischer Fußabdruck hinzu, sodass – anders als bei Howard – diesen neuen Planungen nicht mehr das Einfamilienhaus mit eigenem Garten (zur Selbstversorgung) zugrunde liegt, sondern sie sich eher an der Interpretation aus den Fünfziger Jahren orientieren.

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Am südwestlichen Stadtrand von Bern in der Gemeinde Köniz entsteht nach diesem unserer Zeit angepassten Vorbild derzeit das künftige Quartier Papillon. Die Schul- und Sportanlage am Ried für das neue Wohnviertel ist bereits fertiggestellt. Mit glänzend roten Keramikfliesen bekleidet, fungiert der Schulbau als eine Art Torhaus.

Abgesehen von dem Schulgelände sind erst wenige Baufelder der Neubausiedlung zu sehen. Die letzten Bauabschnitte sollen bis 2028 fertiggestellt und bezogen sein und dann insgesamt 2.500 Menschen Wohnraum bieten. Von der bereits gebauten Ringstraße aus, an der auch der Schulneubau nach Plänen von Büning-Pfaue Kartmann Architekten liegt, wachsen fünfgeschossige Zeilenbauten in die umgebenden Felder. An seinem Ostrand wird das neue Quartier bis an den denkmalgeschützten Bauernweiler Ried herangeführt. Zwischen den Neubauten und dem Weiler ist eine Zone für öffentliche Nutzungen (ZöN) ausgewiesen. Der offene Winkel des Schulhauses bildet den Übergang zwischen diesen Bereichen. Um die Höhenvorgabe der Überbauungsordnung einzuhalten, ist der dreigeschossige Baukörper über die ganze Länge um ein volles Geschoss abgetreppt.

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Spielen auf dem Dach der Turnhalle

Die Lehranstalt beherbergt acht Klassen für Kinder der Basis- und der Primarstufe mitsamt den Räumen für das Werken, Musizieren und Mittagessen. Die Klassenzimmer der Jüngsten sind ebenerdig angeordnet und jeweils auf geschützte Außenräume hin ausgerichtet. Schulleitung, Lehrerzimmer und Hort liegen auf der erhöhten Pausenplatzebene. Im Obergeschoss blicken die Primarschulklassen auf den Schulhof herunter. Unterm Dach profitieren die Werkräume vom blendfreien Nordlicht der Straßenseite.

Der Pausenhof befindet sich auf einem Betonsockel, der dem nach Südwesten sanft abfallenden Hang entwächst. Im Sockel sind die Turnhalle sowie Umkleide-, Sanitär- und Geräteräume untergebracht. Die in den Sockel eingeschnittenen Öffnungen – als Lichthof im Norden und als Eingangsfront im Süden – und die Glaselemente im Plattenbelag des Schulhofs ermöglichen einen ganzjährigen Hallenbetrieb ohne Kunstlicht. Südlich des Sockels schließen auf zwei weiteren Geländeplateaus ein großes Kunstrasen-Spielfeld sowie ein Minipitch-Sportplatz mit Laufbahn aus farbigem Ethylen-Propylen-Dien-Monomer-Kautschuk (EPDM) an. 

Photovoltaik und Geothermie

Das Dach der Schule folgt dem Geländeverlauf. Es ist vollflächig mit Solarpaneelen belegt; die Gesamt-Leistung beträgt 110kWp. Der Energiebedarf für Heizung und Warmwasser wird über Erdsonden abgedeckt. Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung versorgen Schule, Halle und Garderoben. Damit erreicht der Neubau den schweizerischen Minergie-P-Standard.

Die Innenräume sind geprägt von geschlitzten, weiß lasierten Holzdecken, von Linoleum-, Parkett- und Fliesenböden, von Türen und Einbauten aus Ahorn und einer darauf abgestimmten Farbpalette.

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Landmarke mit einer Hülle aus rot glänzenden Riemchen

Die Position des Schulhauses als Torhaus und Landmarke wird insbesondere durch die markante Fassade betont. Die Gebäudehülle aus fein profilierten, glänzend rot glasierten Keramikfliesen hebt den Baukörper von seiner Nachbarschaft aus pastellfarben verputzen Wohnzeilen und den historischen Bauernhäusern ab. Die Keramikflächen der Schulhausfassade laufen nach unten hin ohne erkennbare Sockellinie in den Boden und verdecken nach oben den Übergang zur Photovoltaikanlage. Sämtliche Dachflächen sind ohne Dachüberstand und ohne Attika ausgeführt.

Zur Ausführung kamen stranggepresste Keramikriemchen mit asymmetrischem Spitzprofil in den Maßen 6,2 x 25 cm und einer Stärke von 18 mm. Die rote Glasur enthält Glanzpigmente. Dadurch entstehen starke Reflexionen und Lichtspiele auf der Oberfläche, die je nach den Lichtverhältnissen changieren und den Baukörper immer wieder anders aussehen lassen.

Die Keramik wurde im vertikalen Läuferverband verfliest und wirkt damit der Betonung der Horizontalen durch die Kubatur und die Fensterbänder entgegen. Verfugt sind die Fliesen mit anthrazit-grauer Fugenmasse. Für die passende Farb- und Fugenauswahl wurde vorab ein 1:1-Mockup erstellt. Die Außenwände des Betonbaus sind als Wärmedämmverbundsystem (WDVS) ausgeführt. Mithilfe einer Netzeinbettung wurden die Fliesen direkt auf die Mineralwolle-Dämmschicht verklebt. Diese Ausführung erwies sich als kostengünstiger als eine vorgehängte hinterlüftete Fassade; der Systemhersteller hat langjährige Garantien zugesagt.

Die Verkehrsbereiche des Schulhauses erhielten ebenfalls einen keramischen Belag. Hier kam eine taupefarbene Bodenfliese mit den Maßen 12,5 x 25 cm zum Einsatz. Der Fliesenverband in den konisch zulaufenden Korridorbereichen läuft quer zur Längsachse und in zueinander diagonal versetzten Streifen, die sich in der Ausrichtung der Deckenleuchten wiederholen.

Bautafel

Architektur: Büning-Pfaue Kartmann Architekten, Basel
Projektbeteiligte: Akeret Baumanagement, Bern; Tschopp Ingenieure, Bern (Bauingenieure); SSE Engineering, Gümlingen (Elektroingenieure); Grünig + Partner, Liebefeld (HLKS-Ingenieure); Weber Energie + Bauphysik, Bern; Architektur und Farbe; Andrea Burkhard, Zürich (Farbe + Material); Eric Langenskiöld, Basler & Hofmann, Zürich (Konzept PVA); Grand Paysage, Basel (Landschaftsarchitektur); Agrob Buchtal, Schwarzenfeld (Hersteller Fliesen; verwendete Produkte: Fassadenfliese Craft, Bodenfliese Quantum)
Bauherr/in: Gemeinde Köniz
Fertigstellung:
2020
Standort: Papillonallee 232, 3172 Niederwangen, Schweiz
Bildnachweis: Damian Poffet; Ruedi Walti; Büning-Pfaue Kartmann Architekten, Basel

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