Wohnhaus auf der Insel Fanø
Von überschüssigen Schichten befreit
Als mediterran lässt sich das Klima an der Wattenmeerküste Dänemarks nicht gerade bezeichnen. Und doch wirkt dieses kleine Häuschen auf Fanø so, als wäre die Nordseeinsel vor Esbjerg ziemlich sonnenverwöhnt. Elemente freilegen und überschüssige Schichten abtragen, lautete das Motto der beiden Kopenhagener Architekturbüros von Søren Pihlmann und Kim Lenschow.
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Aufgrund des rauen Wetters auf Fanø wurden Scheune und Wohnhaus traditionell unter einem durchgehenden Dach untergebracht. Die Häuser der Seeleute und Landwirtsfamilien wurden mit robusten, lokalen Materialien gebaut und zum Schutz vor dem Westwind von Osten nach Westen ausgerichtet. Noch heute stehen diese charakteristischen Langhäuser überall auf der sandigen Insel.
Elemente freilegen
Von außen sind Dach, tragende Wände
und Öffnungen deutlich als eigenständige Elemente ablesbar. Das
steile, großflächige Satteldach ist gedeckt mit
rötlich-changierenden Ziegeln. Vom auffälligen Überstand vor
strömendem Regen geschützt ist die auf dem Putz sitzende
Holzfassade. Im Erdgeschoss wechseln sich geschosshohe Öffnungen
mit Fenstern und Glasschiebetüren in Eichenholzrahmen mit massiven,
terrakottarot verputzten Außenwänden ab. Um das Haus herum liegen
quadratische Betonbodenplatten, an die der dünenartig angelegte
Sandboden grenzt, der beim Bau ausgehoben wurde – ein Bezug zur
umgebenden Landschaft.
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Überschüssige Schichten abtragen
Im Grundriss findet
sich die Folge von geschlossenen und offenen Fassadenabschnitten
wieder: Drei ummauerte, im Inneren weiter untergliederte Volumina
bilden Anfang, Ende und Mitte der Reihe. Sie vereinen Bäder,
Schlafzimmer, Hauswirtschaftsräume und Treppen in kompakten
Raumzellen. Schlicht aufeinandergestapelt wirken die Tonziegel der
Wände. Völlig unverputzt bleibt ihr fast schon ornamentales Relief
sichtbar. Die weißen Kabel, Schalter und Leuchten sind meist direkt
auf den Ziegelsteinen montiert. Einige Leuchten sind über die
Dachhaut angeschlossen. Der Fußboden aus hellbraun eingefärbtem,
feinkörnigem Mikrozement scheint sich als durchgehende, grenzenlose
Fläche unter den Wandelementen und Holzeinbauten auszubreiten.
Dort, wo die raumhohen Glasschiebetüren die massive Fassade aufbrechen, befinden sich zwei durchgesteckte Wohnzimmer. Im Sommer können die Bewohnerinnen und Bewohner die beiden ungedämmten Räume zur umgebenden Landschaft öffnen. Zugleich bieten sie als Wintergärten Schutz vor den starken Winden an der Nordseeküste. Entsprechend lose ist die Möblierung – selbst die Kommodenzeile ist dank Rollen mobil.
Unten Mauerwerk, oben Holz
Das Mauerwerk ist zugleich
die Basis für die komplett in Holz errichtete zweite Ebene und den
Dachstuhl. Die drei Plattformen auf den ummauerten Räumen sind als
kleines Büro, gemütlicher Rückzugsort und Gästezimmer eingerichtet.
Die beiden giebelseitigen, werden über die hinter den Ziegeln
versteckten Ortbetontreppen erreicht, auf die mittlere Plattform
steigt man mit einer Holzleiter. Das Obergeschoss ist nicht durch
Wände unterteilt. Stattdessen fassen 90 cm hohe
Furnierschichtholzplatten die Bereiche ein. Sie verkleiden somit
den Kniestock und bilden zugleich die Brüstungen. Über sie hinweg
ist der Blick von einem Giebelfenster zum anderen frei. Die mit
gebrochen weißen Gipsfaserplatten mit schwarzen Schattenfugen
verkleideten Dachschrägen heben sich nochmals deutlich ab.
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Dämmung: Poroton-Ziegel und Holzfasern
Ein Blick auf die Pläne des
kleinen Hauses verrät zunächst kein Indiz für eine Dämmschicht in
den Außenwänden. Die Lösung des Rätsels liegt in den besonderen
Eigenschaften des Wandmaterials: Die 420 mm dicken, gebrannten
Tonziegel erfüllen mit einer Wärmeleitfähigkeit λR von 0,08 W/mK bereits die
Anforderungen der dänischen Dämmvorschriften. Während die inneren
Trennwände roh blieben, erhielten die Außenwände raumseitig
hellbraunen Gipsputz in 10 mm Stärke. Auf der Außenseite wurde eine
20 mm dicke Gipsschicht aufgetragen, darauf der terrakottarote, 5
mm starke Gipsputz.
Tatsächlich gedämmt sind das Sparrendach und der Kniestock, die sparsam dimensionierten Zwischendecken und die Bodenplatte. Außenseitig tragen die Fichtenholzsparren Lattung, Konterlattung und Dachziegel, während raumseitig auf Latten montierte Gips bzw. Gipsfaserplatten den Abschluss bilden. Der 465 mm hohe Zwischenraum ist mit Holzfasern ausgefüllt. Sie dämmen auch den 341 mm breiten Zwischenraum im Kniestock, der sich zwischen Furnierschichtholz auf der Innenseite und rot gestrichenen, hinterlüfteten Sperrholzplatten auf der Außenseite ergibt. Unter der 100 mm dicken Beton-Bodenplatte befinden sich 400 mm Polystyrol-Hartschaumdämmung. -ml
Bautafel
Architektur: Pihlmann Architects, Kopenhagen; Office Kim Lenschow, Kopenhagen
Projektbeteiligte: Olav Kristensen, Esbjerg (Tragwerksplanung); Brickhouse (Dach); Scanoton, Svendborg (Fassade); Skjern Vinduer, Herning (Türen und Tore); Velux, Hørsholm (Hersteller Fenster); Jysk Microcement (Hersteller Bodenbelag); Juwö Poroton-Werke, Wöllstein (Hersteller Ziegel); Louis Poulsen (Leuchten)
Bauherr/in: privat
Standort: Fanø, Dänemark
Fertigstellung: 2020
Bildnachweis: Hampus Berndtson (Fotos); Pihlmann Architects, Office Kim Lenschow (Pläne)
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