Sanierung: Gebäudekomplex Minoteries in Genf
Sieben Wohngebäude und öffentliche Einrichtungen
Viele Großwohnanlagen, die in den 1960er- und 1970er-Jahren entstanden sind, sind Gegenstand von Debatten über Wohnqualität, sozialräumliche Segregation und städtebauliche Planung und die energetischen Defizite der Gebäude. Ebenso gibt es viele Argumente für den Erhalt des Wohnraums und der oftmals angeschlossenen Einrichtungen wie Kindergärten und Läden. Ein Beispiel für eine Sanierung, die zugleich ein nachhaltiges und lebendiges Umfeld für die Bewohner*innen schaffen soll, mag die Transformation des Wohnkomplexes Minoteries in Genf sein, für die das Büro Itten+Brechbühl verantwortlich war.
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Von der Mühle zum Wohnblock
Ursprünglich eine Mühle zwischen Feldern, Obstgärten und einigen Bauern- und Freizeithäusern, entwickelte sich das Gebiet am Fluss Arve im Laufe des letzten Jahrhunderts zu einem Stück Stadt. Um dem Wohnungsmangel in den 1970er-Jahren zu begegnen, beauftragte die Stadtverwaltung von Genf das Büro Honegger.
Von 1971 bis 1976 entstand so das nach den früheren Mühlen benannte Ensemble, zu dem sieben Wohngebäude gehören, die in zwei Riegeln angeordnet sind. Sie sind im Erdgeschoss verbunden über einen angewinkelten Flachbau, der unter anderem eine Bibliothek, ein Seniorenzentrum und eine Kindertagesstätte beherbergt. Etwas abgerückt gibt es einen weiteren Flachbau, indem sich ein großer Nachbarschaftsraum befindet. Die Gasse dazwischen verbindet die Durchgänge zur Rue de Carouge und zur Rue des Minoteries, den Straßen, die die Anlage einfassen.
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Ab 2010 führte das Architekturbüro Itten+Brechbühl eine umfassende Sanierung durch, die 2021 abgeschlossen wurde. Sie zeichnete sich nicht nur durch energetische Verbesserungen aus, sondern auch durch einen starken Fokus auf die Einbindung der Bewohnerschaft: Regelmäßige Treffen wurden organisiert, um die Bedürfnisse und Erwartungen der Menschen vor Ort zu berücksichtigen. Während der Bauphase vermittelte eine Mediationsstelle zwischen den Beteiligten. Die Mieter*innen mussten lediglich für die Zeit der Maßnahmen ihre Wohnungen verlassen und konnten währenddessen an anderer Stelle im Gebäudekomplex wohnen.
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Neu eingehüllt
Besonders umfangreich waren die Maßnahmen zur thermischen Isolierung der Gebäudehülle, durch die sich der Energieverbrauch erheblich reduzieren soll. Dabei wurde der bestehende architektonische Ausdruck hervorgehoben, indem die ursprüngliche mineralische Fassade durch neue Faserbetonplatten ersetzt wurde. Die Loggien wurden verglast und so zu ganzjährig nutzbaren Wintergärten, die die Wohnfläche erweitern. Zugleich hat dies den Effekt, dass die Wandschotten nun vollständig innerhalb der thermischen Hülle liegen und Wärmebrücken reduziert wurden.
Die in Bändern angeordneten, dreifach verglasten Fenster spiegeln den ursprünglichen Charakter des Gebäudes wider. Des Weiteren wurden Schächte und Belüftungen erneuert und die Badezimmer renoviert. Insbesondere im Gebäude Minoteries 3, das überwiegend von Menschen mit eingeschränkter Mobilität bewohnt wird, erleichtern neue, barrierearme Einrichtungen den Wohnalltag.
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Mehr Tageslicht im Erdgeschoss
Rund um den Verbindungsbau wurden Eingänge verlegt und die engen Wege und verwinkelten Bereiche der Außenanlagen umgestaltet, um die Zugänglichkeit und das Sicherheitsgefühl zu stärken. Hinzu kamen auch Sitzgelegenheiten und schattige Bereiche sowie Fahrradstellplätze und eine neue Beleuchtung. Die öffentlichen Einrichtungen wurden renoviert und erweitert. Unter anderem lässt nun eine großzügige Verglasung der Erdgeschosszone mehr Tageslicht ins Innere. Um auch die Durchwegung heller zu gestalten, wurde das Dach über der Passage teilweise zurückgebaut. Eine Verstärkung des Dachaufbaus ermöglichte zudem eine intensive Begrünung. Sie soll zur visuellen Qualität beitragen und auch gegen Wärmeinseln in der Stadt wirken.
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Effizienterer Umgang mit Wärme und Strom
Ein wichtiges Zeil der Sanierung war die Zertifizierung der Minoteries mit den Minergie- und HPE-Labels für hohe Energieeffizienz. Dieses Vorhaben wurde im Einklang mit der umweltpolitischen Strategie 100% erneuerbare Energien bis 2050 der Stadt Genf realisiert. Durch die nun vollständige Gebäudedämmung und sank der Wärmebedarf um 80%.
Heute soll der Wohnkomplex unabhängig vom Energienetz sein: Eine Hybrid-Solaranlage mit rund 100 thermischen Kollektoren wurde installiert, um 31% des Warmwasserbedarfs zu decken. Zudem wurde eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von etwa 354 kWp und einer Fläche von fast 1.887 m2 aufgebaut, um den Betrieb der Wärmepumpen zu kompensieren. Ein System zur Wärmerückgewinnung aus dem Abwasser deckt zusammen mit der Photovoltaikanlage den gesamten Energiebedarf, sodass jährlich fast 500.000 Liter Heizöl eingespart werden. Außerdem wurde ein hocheffizientes Komfortlüftungssystem mit Wärmerückgewinnung eingebaut, um die Frischluft mit der Abluft zu temperieren.
Bautafel
Architektur: Büro Honegger (Bestand); Itten+Brechbühl (Sanierung)
Projektbeteiligte: MDB Ingénieurs Civils Associés, Petit-Lancy (Bauingenieure); BCS, Neuchâtel (Fassade); Amstein + Walthert Genève, Genève (Bauphysik); Tecnoservice Engineering, Neuchâtel (HLKS-Ingenieur); SRG engineering Riedweg & Gendre, Carouge (Heizungs- und Lüftungstechnik); Rossetti Ing. conseils, Carouge (Elektroingenieur); HEPIA_LEEA (Wärmetechnik und Gebäudeenergie); Oxalis Architectes Paysagistes Associés, Carouge (Landschaftsarchitektur)
Bauherrin: Ville de Genève
Standort: Rue des Minoteries 1-3-5-7; Rue de Carouge 98-100-102, 1205 Genf, Schweiz
Fertigstellung: 2021
Bildnachweis: Fernando Guerra (Fotos); Itten+Brechbühl (Pläne)
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