Einfamilienhaus Gemini+ in Weissenbach
Lehmboden mit Leinölfirnis getränkt, geschliffen und gewachst
Dass Einfamilienhäuser zur Zersiedelung der Landschaft beitragen, wissen die Architekten vom Büro Bauchplan Landschaftsarchitektur und Urbanismus. Dennoch haben sich zwei von ihnen für ein solches entschieden. Allerdings sollte ihr Haus einfach sein, ressourcenschonend und im Einklang mit der Natur. Nachdem ein Bauplatz in der kleinen österreichischen Gemeinde Weissenbach gefunden war, planten sie es gemeinsam mit den Büros Grundstein, AL 1 Architektinnen und dem Architekten Peter Kneidinger.
Gallerie
Da das rund 30 Meter breite und 35 Meter lange Grundstück mit vielen Bäumen bewachsen war, entschieden sich die Planer dafür, das Volumen des Gemini+ genannten Hauses auf zwei L-förmige Baukörper zu verteilen, die unterirdisch miteinander verbunden sind. Diese platzierten sie jeweils an die östliche und westliche Grundstücksgrenze. Das Obergeschoss des kleineren Hauses kragt so weit aus, dass es fast das größere berührt und so einen gemeinsamen überdachten Hof entstehen lässt. Um sich von der Straße im Norden abzuschotten, wurde das Gelände auf dieser Seite abgegraben, sodass von außen lediglich eine begrünte Dachlandschaft zu erkennen ist.
Das größere der beiden Gebäude erstreckt sich mit einer Länge von 20 Metern von Norden nach Süden. Auf dieser und auf der Westseite gibt je ein großes Panoramafenster den Blick auf die Landschaft frei. Hier befindet sich auch die Küche, die als Gemeinschaftsraum den zentralen Platz für die vierköpfige Familie bildet. Daran grenzt ein fast mittig im Gebäude liegender Sichtbetonkern an, der das gemeinschaftliche Bad beinhaltet. Die Räume der Kinder befinden sich im nördlichen Teil des Hauses. Vom übrigen Baukörper durch eine quer angeordnete Treppe getrennt, sind sie als offene Raumfolge mit Spielflur, Schlafzimmern und Stauräumen konzipiert. Im ersten Obergeschoss haben die Eltern ihren Rückzugsort mit Schlafzimmer und angegliederter Terrasse. Der kleinere Baukörper an der westlichen Grundstückseite nimmt im Erdgeschoss eine Wohnküche und einen Sanitärblock auf; im Obergeschoss gibt es drei Räume.
Zu einem Großteil in Eigenbau errichtet, kombinierten die Bauherren einfache Materialien und Fertigungsmethoden aus dem Industriebau mit ökologischen Baustoffen. Wände und Decken bestehen aus einer vorgefertigten Holzbetonverbundkonstruktion, deren Holzstützen kraftschlüssig mit den Sichtbetondeckenplatten verbunden sind. In diesem Verbund spart das Holz Gewicht, der Beton wirkt aussteifend. Als Dämmung wählten die Planer Hanf, der in den transluzenten Polykarbonat-Stegplatten der Fassaden durchschimmert.
Boden
Als Material für die Böden dient der Lehm, den man beim Aushub der
Baugrube während eines Probeschurfs vorfand. Er wurde
zwischengelagert, grob gesiebt und nach Fertigstellung der 12
Zentimeter starken Bodenplatte aus Ortbeton per Hand verarbeitet.
Dazwischen sorgt eine Schaumglasschüttung für die notwendige
Dämmung; in der darüber liegenden Trennschicht aus Sand ist die
Fußbodenheizung integriert. Als oberste Schicht
wurde der erdfeuchte Lehm in einer Dicke von 12 Zentimetern
eingebracht und mittels Rüttelplatte auf eine Stärke von acht
Zentimetern verdichtet.
Während der ersten Trocknungsphase wurden die Lehmoberflächen zur Erhöhung der Elastizität mit Leinölfirnis getränkt, mittels Rotationsschleifer verfeinert und zugleich auftretende Schwundrisse mit dem leinölgesättigten Abriebmaterial verschlossen. Dieser zeitaufwendige Vorgang wurde bis zum Einzug der Familie mehrmals wiederholt. Der Oberflächenabschluss erfolgte mittels Canauba-Wachs in Form eines Anstrichs, der den Lehmboden abrieb- und wischfest macht. Außerdem verleiht er ihm einen unverwechselbaren Glanz.
Lehm ist ein Naturwerkstoff mit einer sehr hohen
Wärmespeicherkapazität. Im Unterschied zu anderen Baustoffen
strahlt er die Wärme sehr langsam wieder ab und verhindert dadurch
ein Überhitzen im Sommer und ein zu schnelles Auskühlen im Winter.
Auch seine schalltechnischen Eigenschaften sind aufgrund der
relativ hohen Dichte positiv zu bewerten. Sie mindern sowohl den
Luftschall als auch die Übertragung von Körperschall, sodass der
Boden auf einer Fläche von 170 Quadratmetern ohne Trennung durch
Schalldämmstreifen und Dehnungsfugen monolithisch verlegt werden
konnte.
Bautafel
Architekt: Bauchplan Landschaftsarchitektur und Urbanismus, Wien; AL1 Architektinnen, München; Grundstein Architekten mit Peter Kneidinger, Wien
Projektbeteiligte: Peter Kneidinger, Wien (Statik)
Bauherr: Marie-Theres Okresek, Tobias Baldauf, Weissenbach
Fertigstellung: 2010
Standort: Weissenbach, Österreich
Bildnachweis: Clemens Franke, Wien
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