Wohnhaus DP in Capilla del Monte
Von der Einzigartigkeit der Steine
Die Architekturschaffenden Carolina Vitas und Cristián Nanzer
haben eine klare Auffassung zum potenziellen Schicksal gebauter
Strukturen: „Jede Art von Architektur trägt die Möglichkeit, die
implizite Bestimmung in sich, zur Ruine zu werden – ein Zustand,
der als finale Form verstanden werden kann, die die Architektur mit
der Natur eine Verbindung eingehen, zu ihr zurückkehren lässt“. Die
bauliche Interpretation ihrer These findet sich in der kleinen
Stadt Capilla del Monte nördlich von Cordoba. An ihrem südöstlichen
Rand, in direkter Nachbarschaft zum Naturschutzgebiet Villa Cielo,
planten sie an einem leichten Hang das Wohnhaus DP, das den
Ausdruck des Rohen und Unvollendeten vermittelt.
Gallerie
Das Haus für eine Familie ist aufgegliedert in mehrere einzelne
Volumen, die jeweils mit einer Grundfläche von fünf auf fünf Meter
und unterschiedlichen Höhen aufwarten. Die verschieden geneigten
Dächer und die kleinteilige Gliederung zeichnen laut der
Architekturschaffenden das Bild eines mittelalterlichen Bergdorfes
nach.
Berge, Plateaus und Felsen
Durch die Kleinteiligkeit unterscheidet sich das weitgehend
eingeschossige Bauwerk stark von den kompakten Nachbarbauten – in
erster Linie Villen und kleinere Hotels. Auf dem rechtwinkligen
Grundstück ist die orthogonale Struktur in einem 45-Grad-Winkel
positioniert. Dadurch richtet sich die Ostseite des Gebäudes zum
Berg Uritorco hin aus – mit circa 2.000 Metern über dem
Meeresspiegel die höchste Erhebung der zentralargentinischen
Bergkette Sierras de Córdoba. Im Süden liegt der größte Teil des
Gartens und ein kleiner, an das Haus herangerückter Pool. Nach
Westen, zu einem nahen Nachbargebäude hin, schottet sich der Bau
hingegen eher ab.
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Zur Mitte hin
Im Herzen des Wohnhauses liegt der Familienraum, in dem sich die
Küche sowie verschiedene Wohn- und Essbereiche vereinen. Vom
Eingang im Norden aus führt ein langer, aber durch Stufen und
Öffnungen abwechslungsreich gestalteter Flur auf dieses Zentrum zu.
Aus der Enge des Erschließungsbereichs tritt man in die weite
Wohnlandschaft, die Ausblicke nach allen Seiten erlaubt und den
Raum nach außen hin mit Terrassen und Plateaus fortschreibt. Alle
anderen Funktionen und Räume sind in den Volumen untergebracht, die
den zentralen Bereich umgeben. Übertragen auf das Bild des Dorfes
ist der Wohnraum der Marktplatz, um den herum sich die weiteren
Nutzungen legen.
Beton: Flüssiger und fester Stein
Der gebaute Ausdruck des Rohen und Unfertigen und die Auflösung
einer singulären Einheit im Ganzen der Landschaft standen für die
Architektin und den Architekten bei dieser Entwurfsaufgabe im
Zentrum des Interesses. Bei der Umsetzung half ihnen der Baustoff
Beton, dessen gestalterischer Ausdruck in diesem Fall der Metapher
des „gegossenen Steins“ sehr nahekommt. In die Schalung der
monolithischen Wände eingelegte Steine aus verschiedenen Quellen lassen
stellenweise das Bild eines lebendigen Bruchsteinmauerwerks
entstehen.
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Textur als Botschaft
Die Schalung selbst ist geradezu archaisch: grob zugesägte Holzbretter, gestützt von einer nach Bedarf gezimmerten Trägerschalung. Als Schalungsanker dienten Drähte, die die stützenden Kanthölzer auf beiden Seiten der Wand während der Betonage miteinander verbanden und mit eingegossen wurden. Betoniert wurde in kleinen Abschnitten.
Die raue Struktur der Holzbretter, die Grate und Ausblühungen,
die Flecken und Kiesnester formen zusammen mit dem
Bruchsteinmauerwerk, das sich in manchen Bereichen hinter dem Beton
zu verbergen scheint, eine Art „tektonische Kalligrafie“: Die
Oberfläche der Wand wird zur Schrift, einem Text, der von seiner
Entstehung erzählt. -chi
Bautafel
Architektur: Nanzer + Vitas / Carolina Vitas, Cristián Nanzer (Team: Juan Pablo Albrecht, Agostina Endrizzi, Juan Dimuro, Julia Palandri)
Projektbeteiligte: Edgar Morán (Tragwerksplanung); María Laura Herrera (Innenarchitektur); Miguel Capdevila (Bauunternehmen)
Bauherr/in: privat
Standort: Capilla del Monte, Cordoba
Fertigstellung: 2020
Bildnachweis: Gonzalo Viramonte; Carolina Vitas und Cristián Nanzer
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