Einfamilienhaus Just K in Tübingen
Viergeschossiger Massivholzbau mit Außenhaut aus Dachbahnen
Durch seine turmartige Form und seine Fassadengestaltung sticht das Einfamilienhaus aus seiner eng bebauten Umgebung am Stadtrand von Tübingen heraus. Das Gebäude mit dem Namen Just K wächst aufgrund des kleines Grundstücks, der einzuhaltenden Abstandsflächen und der benötigten Wohnfläche in die Höhe. So ergibt sich auf vier Ebenen preisgünstiger und passiv beheizter Wohnraum für eine sechsköpfige Familie. Das Team von Amunt Architekten orientierte, adaptierte und interpretierte das gebaute Umfeld des Gebäudes: Sie entwickelten eine kompakte Kubatur mit ausformulierten Dachkörper, der mehrfach geknickt an ein Walmdach erinnert. Die Farbe der Außenhaut nimmt Bezug auf die umgebenden grauen Tuffsteingebäude aus den 1920er Jahren.
Gallerie
Die Fassade im Eingangs- und Wohngeschoss sind mit einem grob geriffelten grauen Putz versehen; vom ersten Geschoss an wurden diese dann mit einer Außenhaut aus Dachbahnen beklebt, sodass der Eindruck eines weit heruntergezogenen Daches entsteht.
Wegen der kurzen Bauzeit, den bauphysikalischen Anforderungen an ein Passivhaus sowie aus Nachhaltigkeitskriterien wurde das Wohnhaus als Massivholzbau ausgeführt. Dabei nutzten die Planer die Möglichkeiten der Vorfertigung. So besteht das Gebäude aus insgesamt 136 einzelnen Massivholz-Elementen, die direkt ab Werk mit Falzen für die Zimmermanns- und Schreinerarbeiten sowie mit Bohrungen und Fräsungen für die Elektroinstallation versehen waren. Statisch unterstützt wird die Konstruktion nur an wenigen Stellen durch Stahlträger und -stützen.
Der nachwachsende Rohstoff Holz, dessen günstige Energiebilanz seine Wahl beeinflusste, zeigt sich auch im Innern des Hauses. Hier wurden die Oberflächen nur geschliffen, gelaugt und geseift. Allein in den Bädern findet sich ein farbiger PU-Anstrich an den Wänden; die Schlaf- und Kinderzimmer sind mit Gipskarton verkleidet.
Die Grundrisse sind von einem Höchstmaß an Raumausnutzung, Funktionalität und Flexibilität geprägt. So vermitteln Überlagerungen von Raumbereichen eine Großzügigkeit trotz einer realen Wohnfläche von nur 138 m². Durch die Staffelung des Hauptwohnraums entstanden verschiedene Raumhöhen, die das Erdgeschoss zonieren. Im Winter ergeben sich so unterschiedliche Klimazonen: Die kalte Außenluft bleibt im tiefer liegenden Eingangsbereich gefangen, während in der Wohnküche mittlere Temperaturen herrschen und im höher liegenden Wohnzimmer für wärmende Behaglichkeit gesorgt ist. Doch nicht nur die Temperaturen der unterschiedlichen Wohnbereiche orientieren sich an den unterschiedlichen Nutzungsbedürfnissen der Bewohner: Die Nutzfläche des Gebäudes lässt sich bei Bedarf ohne viel Aufwand in zwei Wohneinheiten mit je 81 qm und 57 m² aufteilen. Eine Stahltreppe, die in den Garten führt, erschließt dann die obere Wohnung.
Dach
Die walmdachartige, mehrfach geknickte Dachform resultiert zum einen aus dem angestrebten maximal erreichbaren Raumvolumen und der minimal notwendigen Abstandsfläche, die laut Landesbauordnung durch eine Neigung von 70° möglich ist. Zum anderen ist diese auch dem Wunsch der Nachbarin geschuldet: Sie verkaufte den unbebauten Teil ihres Grundstück nur unter der Bedingung, dass die Blickachse auf das Tübinger Schloss frei bleibe.
Die Dachhaut ist mit Dachbahnen bekleidet, die das Haus vor Wind und Wetter schützen. Um sie aus der Wasserebene herauszuheben wurde die Dachfolie, die aus Synthesekautschuk/Polyisobutylen (PIB) besteht, – ähnlich den außen liegenden Nähten eines Regenmantels – an den Gebäudekanten zu Graten zusammengeführt und verschweißt. Mit dieser Interpretation des Gratziegels der Walmdächer in der Umgebung wurde die Kubatur des Daches besonders akzentuiert. Das auf der Dachhaut anfallende Regenwasser wird über ein Tropfblech an der Traufe abgeleitet.
Bautafel
Architekten: Amunt Architekten: Martenson, Aachen und Nagel Theisen, Stuttgart
Projektbeteiligte: Ingenieurbüro von Fragstein, Ramberg (Tragwerksplanung); Jörg Lammers, Berlin (Klimaingenieur)
Bauherren: Katrin Martenson und Dominik Bless-Martenson, Tübingen
Fertigstellung: 2010
Standort: Justinus-Kerner-Straße 42, 72070 Tübingen
Bildnachweis: Brigida González, Stuttgart; Amunt Architekten: Martensson, Aachen und Nagel Theissen, Stuttgart