Zwei Wohn- und Geschäftshäuser in Mailand
Dreidimensionale, azurblaue Fassadenfliesen
Das Viertel Lambrate im Nordosten Mailands war seit Ende des Zweiten Weltkrieges Produktionsstandort für den Motorroller Lambretta. Wie viele andere ehemalige Fabrikstandorte befindet sich der Bezirk derzeit in einer Phase des Umbruchs und der Neustrukturierung. Dabei geht es um die Umnutzung der ehemaligen Produktionsstätten, die Schaffung von neuem Wohnraum und öffentlichen Aufenthaltsflächen. Im Rahmen dessen entstanden unweit des Stazione di Milano Lambrate, einem der wichtigsten Bahnhöfe Mailands, an der Ecke Via Gaetano Crespi und Via Riccardo Pitteri zwei Wohn- und Geschäftshäuser, die einen gemeinsamen gepflasterten Platz fassen.
Gallerie
Die beiden L-förmigen, neungeschossigen Baukörper nach Plänen des Büros Atelier(s) Alfonso Femia sind versetzt zueinander angeordnet und öffnen sich nach Osten zur Piazza Vigli del Fuoco, während sie die anderen drei Seiten abschließen. Von den insgesamt 12.404 m² Fläche entfällt der Großteil mit 8.360 m² auf subventionierte Eigentumswohnungen, 3.344 m² stehen für subventionierte Mietwohnungen zur Verfügung und 700 m² sind Gewerbeflächen in den Erdgeschossen. Im Parterre gibt es darüber hinaus Räume für gemeinsame Aktivitäten, eine Hobby-Werkstatt und eine Waschküche. Über eine Rampe im nördlicheren der beiden Gebäude gelangt man zu den zwei unterirdischen Parketagen, die vom Außenbereich aus nicht sichtbar sind, sodass dieser vollständig Menschen, die zu Fuß und mit dem Fahrrad unterwegs sind, vorbehalten ist. Im Südwesten schließt eine Grünanlage an, die durch offene Passagen im Erdgeschoss erreichbar ist. Diese Durchgänge stellen somit ein Kontinuum von der Piazza Vigili del Fuoco, über den Platz zur Grünanlage her.
Erschlossen werden die Neubauten vom Platz aus über insgesamt drei Treppenhaustürme, die den Baukörpern vorgelagert sind und in filigrane, weiße Metallstreben gehüllt wurden. Unterschiedliche große Balkone und Loggien, die entweder ebenfalls feingliedrige weiße Metallbrüstungen erhielten oder mit rostbraunen Vierkantmetallstäben ummantelt wurden, beleben die Fassaden und lockern die großen Flächen auf. Die Fassaden sind zur Umgebung in Weiß- und Grautönen verputzt, während die dem zentralen Platz zugewandten Seiten mit schillernden blauen Fliesen bekleidet wurden. Diese Hierarchie in der Gestaltung unterstreicht den Wert des Platzes für die Gemeinschaft.
Fliesen und Platten: Schillernde, azurblaue Keramikhülle
Die leuchtend azurblaue keramische Haut verleiht den Neubauten den Charakter einer Landmarke. Die dreidimensionalen 60 x 60 cm großen Paneele setzen sich aus scheinbar 10 x 20 cm großen Modulen mit Scheinfugen zusammen, die jeweils eine Pyradmidenform ausbilden. Dabei gibt es eine regelmäßige und zwei schiefe Pyramidenformen, die innerhalb eines Paneels unterschiedlich miteinander kombiniert werden. Die Oberfläche der Fliesen ist somit kombiniert aus verschiedenen, dreieckigen Flächen, die das einfallende Sonnenlicht entsprechend unregelmäßig reflektieren. Dies führt zu dem schimmernden Effekt, den die Keramik den Fassaden verleiht. In Verbindung mit der Farbgebung weckt dieser Effekt Assoziationen an die leicht gekräuselte Oberfläche eines türkisfarbenen Meeres. In dieser Vorstellung übernehmen die zahlreichen weißen Details der Fassaden die Rolle von Schaumkronen und der hell gepflasterte Platz die eines Strandes.
Die Fliesen wurde als vorgehängte hinterlüftete Fassade mit
verdeckter Befestigung ausgeführt. Solche Fassadenlösungen sind
robust, wartungsarm und langlebig (siehe auch Fachwissen zum
Thema). Der Hersteller hat zudem bei der Produktion der Keramik
darauf geachtet, die Umweltbelastung zu reduzieren.
-sas
Bautafel
Architektur: Atelier(s) Alfonso Femia, Paris
Projektbeteiligte: Cooperativa Arte Edile, Abbiategrasso (Baunternehmer); FOR engineering and architecture, Turin und Mailand (Bauingenieure und Umwelttechnik); Casalgrande Padana, Casalgrande (Hersteller Keramik; Produkt: Diamante R20 Boa)
Bauherr/in: Cooperativa Dorica, Mailand gefördert durch das Consorzio Cooperative Lavoratori, Mailand
und Ecopolis Casa, Mailand gefördert durch Delta Ecopolis, Mailand
Fertigstellung: 2020
Standort: zwischen via Tanzi/Bistolfi/Crespi/Pitteri, Milano-Lambrate, Italien
Bildnachweis: Stefano Anzini