Grünes Haus in Bremen
Achtgeschossiges Hexagon mit glänzend grüner Keramikhülle
Der Stadtteil Alte Neustadt in Bremen ist geprägt durch die School of Architecture und die populäre Becks-Brauerei. Um die Entwicklung des Quartiers zu fördern, hat sich die Stadt zum Ziel gesetzt, die lokale Wirtschaft zu stärken, Leerstand zu verhindern und kulturelle Aktivitäten zu stützen. Vor diesem Hintergrund lobte die Gewoba, in deren Wohnungsbestand sich auch das kürzlich umfänglich sanierte Alvar Aalto Hochhaus im Stadtteil Vahr befindet, im Jahr 2017 einen Wettbewerb zur Bebauung des Hohentorplatzes aus, der bis dahin als Parkplatz gedient hatte. Der Entwurf eines achtgeschossigen, gestaffelten Wohnhauses mit grüner Keramikhülle von Hild und K überzeugte die Jury und wurde 2021 nach nur 19 Monaten Bauzeit fertiggestellt.
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Städtebauliche Akzentuierung
Die Gewoba sah in der Neubebauung durch ein mehrstöckiges Wohngebäude die Möglichkeit, den Stadtraum besonders zu akzentuieren. Das passt auch stadtgeschichtlich: Bis zu seinem Abriss im 19. Jahrhundert stand hier das namensgebende Hohe Tor. Als unregelmäßiges Hexagon bespielt der achtgeschossige Neubau die Grundstücksspitze. Rücksprünge ab dem vierten und sechsten Stockwerk, unterschiedlich profilierte Gesimse und der Wandel von eckigen zu abgerundeten Ecken ab dem fünften Obergeschoss zonieren die Fassade und lassen den Baukörper deutlich weniger massiv erscheinen, als er ist.
Geförderter Wohnraum
Das Gebäude beherbergt insgesamt 52 Wohneinheiten. Sage und
schreibe 47 davon sind mit einer Nettokaltmiete von nur 6,50 bis
7,20 Euro pro Quadratmeter gefördert. Im Erdgeschoss gibt es neben
Fahrradstellplätzen auch eine Gewerbeeinheit mit Außenbereich, in
der sich derzeit eine Pizzeria befindet, die online ausschließlich
Bestbewertungen erhält. Von der gastronomischen Nutzung erhofft
sich die Bauherrin eine weitere Belebung des Quartiers.
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Hochwertige Ausstattung und Liebe zum Detail
Die Ein- bis Dreizimmerwohnungen mit Größen zwischen 30 und 74 Quadratmetern gruppieren sich um das fünfeckige, zentrale Treppenhaus, das durch ein Oberlicht erhellt wird. Die Sichtbetonstufen verlaufen um ein ebenfalls fünfeckiges Treppenauge und sind mit einem schwarzen, filigranen Stahlgeländer mit messingfarbenem Handlauf und Leuchten im Midcentury-Stil ausgestattet. Eine Detailliebe, die man bei den günstigen Mietpreisen nicht unbedingt erwartet hätte. Ebenso wenig wie den nussbraunen Echtholz-Dielenboden in den Wohnungen. Die Aufwertung der Erschließungsbereiche sei von dem eingangs erwähnten Aalto-Haus inspiriert, so die Architekturschaffenden.
Die frei finanzierten Wohnungen, die für 10 bis 12 Euro den
Quadratmeter zu mieten sind, befinden sich in den die obersten
beiden Geschossen. Hinsichtlich Raumorganisation und -ausstattung
sind beide Wohnungstypen gleichwertig ausgeführt, gibt das Büro an.
Durch den sechseckigen Grundriss ist zudem keine Wohnung
ausschließlich nach Norden ausgerichtet.
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Bunt und lebendig wie für das Quartier werden soll, wird es auch auf dem Dach des Gebäudes: Insektenfreundliche Wildpflanzen sollen krabbelnden und fliegenden Sechsbeinern einen Lebensraum bieten.
Glänzend grüne Keramikhülle
Auch wenn eine grüne Fliesenfassade im von roten Backsteinbauten
geprägten Norden durchaus als ungewöhnlich bezeichnet werden darf,
brauchte es seitens der Architekturschaffenden nur wenig
Überzeugungsarbeit. Nun hüllen glänzend glasierte Keramikfliesen im
Riemchenformat (52 mm x 365 mm) den Baukörper in ein schillerndes
Kleid. Im Parterre noch in tiefem Grün werden die Fliesen mit
wachsender Geschosszahl immer heller. Insbesondere im Bereich der
abgerundeten Gebäudeecken kommt die glänzende Oberfläche der
Keramik
zum Tragen und reflektiert das einfallende Licht besonders
deutlich, was die Kubatur des Bauwerks noch einmal deutlich
konturiert. Rahmen und Absturzsicherungen vor den bodentiefen
Fenstern sind messingfarben und ergeben im Zusammenspiel mit dem
Grün der Fassaden ein perfektes Paar.
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Die Fliesen wurden im senkrechten Halbverbund direkt auf die Mineralwolle des Wärmedämmverbundsystems geklebt. In seinem Pressetext teilt das Büro mit, dass bei der Entscheidung für diese Fassadenlösung ökonomische und ästhetische Beweggründe letztlich ausschlagegebend waren, auch wenn man natürlich um die derzeit noch schlechte Recyclingfähigkeit von WDVS im Allgemeinen und Mineralwolle im Speziellen wisse. Dennoch erweisen sich WDVS mit keramischem Abschluss als äußerst langlebig, was die Gesamtbilanz der Fassade in puncto Nachhaltigkeit wieder verbessere. Die günstigen Mieten wären mit einer vorgehängten hinterlüfteten Fassade nicht realisierbar gewesen – zumindest nicht, ohne bei der Innenausstattung Abstriche zu machen.
Beim jüngst verliehenen BDA Preis Bremen wurde das Projekt mit dem 1. Platz prämiert. -sas
Bautafel
Architektur: Hild und K, Berlin
Projektbeteiligte: Gottfried Stehnke, Osterholzscharmbeck (Generalunternehmer); ibu+, Bremen (Tragwerksplanung und Bauphysik); IfG Ingenieurgemeinschaft für Geotechnik, Bremen (Bodenmechanik); HESA Planung, Bremen und Pachaly, Riede (Haus- und Elektrotechnik); BRAIN Brandschutz, Hildesheim (Brandschutz)
Fertigstellung: 2021
Standort: Am Hohentorsplatz 2, 28199 Bremen
Bildnachweis: Michael Heinrich; Hild und K, Berlin