Wohnturm De Verkenner in Utrecht
Fliesen-Verse auf rotbrauner Sichtbetonfassade
Kanaleneiland im Südwesten Utrechts ist, wie der Name bereits verrät, eine von Kanälen umschlossene Insel. Der Stadtteil entstand in den sechziger Jahren im Zuge der massiven Ausdehnung Utrechts und ist architektonisch geprägt durch eine typische Nachkriegswohnbebauung. Er gilt als Bezirk mit hoher Arbeitslosen- und Kriminalitätsrate, doch ein frischer Wind mit Namen Gentrifizierung scheint inzwischen durch die breiten Straßen zu wehen, davon kündet jedenfalls das Entstehen neuer, anspruchsvoller Architektur. Dass der in diesem Jahr fertiggestellte, fünfzig Meter hohe Wohnturm von Mei architects and planners dann auch De Verkenner, zu deutsch: Kundschafter, heißt, möchte sich zumindest wohl als ein dementsprechendes Postulat der Verantwortlichen verstanden wissen.
Gallerie
Das zum Teil 16-geschossige Bauwerk enthält auf 12.500 Quadratmetern 71 Mietwohnungen, 15 Wohneinheiten für autistische Jugendliche sowie neun kombinierte Wohn-Arbeits-Einheiten im Erdgeschoss. Es befindet sich an einer großen Straßenkreuzung auf einem annähernd quadratischen Grundstück. Auf der straßenabgewandten Südseite scheint jedoch ein Stück aus dem Gebäude herausgeschnitten, sodass sich ein polygonaler Grundriss ergibt. Auch in der Höhe gliedert sich der Baukörper durch unterschiedliche Geschosszahlen in drei Teile.
Das Markanteste des Gebäudes ist jedoch seine Fassade: Diese besteht aus zweigeschosshohen, rotbraunen Sichtbetonelementen mit gerillter Oberflächenstruktur, auf die terrakottafarbene Keramikfliesen aufgebracht wurden. Die Bekleidung kommt nicht nur an den vertikalen Wandflächen, sondern auch an den Unterseiten der Auskragungen zum Einsatz. Ihre Farbgebung harmoniert mit den umliegenden, neuen Backsteinbauten im nahezu gleichen Farbton. Zum Innenhof zeigt das Gebäude seinen hellen Kern: Vanillegelbe Betonfassadenelemente und miteinander verbundene, zum Teil drei Meter auskragende Balkone mit gelben Glaswänden kennzeichnen die Sonnenseite. Große vertikale Fensteröffnungen in verschiedenen Breiten lassen das Gebäude emporstreben und setzen damit einen Kontrast zu der horizontal gegliederten Bebauung der Nachkriegszeit.
Fliesen
Die Gestaltung der aufgesetzten 13.000 Fassadenfliesen im Format
von 15 x 40 cm stammt von der Künstlerin Milou van Ham in
Zusammenarbeit mit dem Dichter Tsead Bruinja. 16 unterschiedliche
Verse und abstrakte Muster wurden in die Fliesen gepresst und
willkürlich auf der Fassade angeordnet, sodass sie einzeln oder in
neuer Zusammensetzung gelesen werden können. Die Verse erzählen
Minigeschichten von Freundschaft und Beziehung, von Menschen und
deren Begegnungen sowie dem Zusammenleben.
Gefertigt wurden die Fliesen mittels einer Matrizenwalze. Für
die Herstellung der Negativ-Silikon-Matrize auf der Walze musste
zunächst eine Positiv-Matrize mit den Versen und Mustern als
Gussform angefertigt werden. Danach wurde die Matrize über den
frischen, stranggepressten Ton gewalzt, sodass sich die Schrift
hineindrückte und im Anschluss die Platten in einer bestimmten
Länge abgeschnitten werden konnten. Die fertig gebrannten,
unglasierten Fliesen wurden mit der Rückseite nach oben in
Aussparungen der Schalhaut platziert und dann der Beton darüber
gegossen. Durch einen Schlitz in der Fliesenrückseite entsteht eine
Art Spundung, die für zusätzliche Verankerung sorgt. Nach dem
Ausschalen wurden die Fassadenelemente rotbraun eingefärbt.
Video
Bautafel
Architekten: Mei architects and planners, Rotterdam
Projektbeteiligte: Era Contour, Zoetermeer (Bauausführung); PBT, Delft (Tragwerksplanung); Peutz, Zoetermeer u.a. (Bauphysik und Brandschutz); Basalt Bouwadvies, Nieuwegein (Kostenplanung); Decomo, Mouscron (Beton); Royal Tichelaar, Makkum (Fliesen)
Bauherr: Mitros, Utrecht
Standort: Al-Masoedilaan, 3526 AK Utrecht, Niederlande
Fertigstellung: 2016
Bildnachweis: Jeroen Musch, Rotterdam; Ossip van Duivenbode, Rotterdam