Fliesenformate
Da es für Fliesenformate weder eine internationale noch eine nationale Normung gibt, konnte sich eine schier unüberschaubare Vielfalt an Größen und Formaten entwickeln, die in den letzten Jahren aufgrund neuer Produktionstechniken und Modeerscheinungen noch einmal deutlich zugenommen hat. Heute ist es nicht mehr möglich, bei Wand-, Boden- und Fassadenfliesen einen Standard-Formatkatalog aufzustellen. Lediglich zwei Trends lassen sich verzeichnen: den zum immer größeren und den zum immer kleineren Format. Während die kleinsten Mosaikfliesen mit einem halben Zentimeter Kantenlänge auskommen, nehmen die größten Feinsteinzeugfliesen eine Fläche von mehr als 5,00 Quadratmetern ein; dies entspricht einem Format von 3,20 x 1,60 Metern.
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Dennoch gelten im Fachverband „Fliesen und Naturstein“ immer noch Fliesen und Platten ab 0,25 Quadratmetern als großformatig. Und obgleich moderne Herstellungsverfahren längst viel engere Maßtoleranzen als von der Norm (DIN EN ISO 10545-2 Keramische Fliesen und Platten - Teil 2: Bestimmung der Maße und der Oberflächenbeschaffenheit) gefordert erlauben, wird nach wie vor generell davon abgeraten, Fliesen etwa im Format 60 x 30 cm im Halbverband zu verlegen. Laut Norm wären nämlich bei 60 cm Kantenlänge Toleranzen in der Ebenflächigkeit von ± 3 mm möglich. Im halben Versatz verlegt, würden dann jeweils die höchste und die niedrigste Stelle zusammentreffen – was bei der Verklebung der Fliesen nicht mehr ausgeglichen werden könnte und unweigerlich zu sogenannten Überzähnen führen würde. Hersteller hochwertigen Feinsteinzeugs allerdings bekennen sich für ihre Produkte hier bereits zu nur max. ± 1,2 mm. Dementsprechend wird gerade beim Rechteckformat 60 x 30 cm – welches im Übrigen das hierzulande meistverlegte ist – am häufigsten die Halbverband-Verlegung gewählt.
Derweil im großflächigen Objekt noch immer die Formate 30 x 30 cm und 60 x 30 cm bevorzugt werden, hat im hochwertigen Gewerbebau und ebenso im privaten Wohnungsbau eine Entwicklung zu immer größeren Fliesenformaten an Boden, Wand, Fassade und Terrasse eingesetzt, deren Ende noch nicht abzusehen ist. Wandfliesen im Format 90 x 30 cm, Bodenfliesen im Format 90 x 45 cm, Terrassenfliesen im Format 60 x 60 cm und Fassadenfliesen im Format 120 x 60 cm sind nur einige Beispiele für diesen Trend. Zum einen lockt der Vorteil der geometrischen Wirkung, die Räume weitläufiger wirken lassen, je größer die dort verlegte Fliese ist. Zum anderen spielt der sinkende Fugenanteil eine gestalterische Rolle. Nicht zu vernachlässigen ist auch der harte Wettbewerb der Fliesenhersteller um Marktanteile in Verbindung mit fortschreitender Produktionstechnik, die immer neue Formate hervorbringen. Und schließlich haben Strömungen, wie etwa das Aufkommen immer perfekterer Holzimitat-Fliesen Formate erschaffen, die an Stabparkett, an Holzdielen oder an Schiffsplanken erinnern. Derzeit ist das Maß aller Dinge eine 2,40 Meter lange und 24 Zentimeter breite Fliese in Holzdielen-Optik.
Mit dem Aufkommen der Porzellankeramik vor einigen Jahren wurden dann Wandfliesen im Format 3,00 x 1,00 Meter – mit einer Dicke von nur drei Millimetern – marktgängig. Heute bieten verschiedene Firmen Porzellankeramik-Platten in Abmessungen bis zu 3,60 x 1,20 und 3,20 x 1,50 Meter in den Stärken drei (für die Wand), fünf (für den Boden), sechs (für besondere Anforderungen) und zehn (für Arbeitsplatten) Millimetern an. Nachdem es in den ersten Jahren häufig zu Bruchschäden der extrem dünnen Platten gekommen war, werden diese heute vorzugsweise mit einem stabilisierenden Glasfasergewebe ausgeliefert, welches mit Epoxidharz auf die Rückseite laminiert wird. Mit dem echten Feinsteinzeug in sechs Millimeter Stärke, das in einer Kombination aus Strangpressung und Trockenpressung hergestellt wird, ist der Porzellankeramik ernstzunehmende Konkurrenz entstanden, zumal dieses mit 3,00 x 1,50 bzw. 3,20 x 1,60 Metern fast genauso groß ist. Allerdings bleibt beiden Materialien in Deutschland ein wichtiger Absatzmarkt verschlossen: die Fassade, wo extrem große Platten absolut en vogue sind. Systeme für vorgehängte, hinterlüftete Fassaden mit den Großplatten existieren längst, nicht aber bisher die in Deutschland erforderliche bauaufsichtliche Zulassung. Dennoch setzen nicht einmal mehr das Gewicht, das Schneidewerkzeug oder die räumlichen Bedingungen an der Baustelle der Großformat-Entwicklung Grenzen: Mit ihrem Siegeszug einher gingen Neuentwicklungen patenter Erfinder wie Verlegekräne, Spezial-Fliesenschneider mit zusammensteckbaren Schienen, Transportgestelle mit Saugnäpfen oder auch innovative Verlegesysteme.
Dank der Wasserstrahl-Schneidetechnik technisch weniger
anspruchsvoll, dafür aber mindestens ebenso vielseitig wie ihre
großen Pendants präsentieren sich heute die Kleinformate – meistens
zu größeren Einheiten auf Netze geklebt: Egal ob traditionell
quadratisch und rechteckig oder modern rund, oval und gar
tropfenförmig – den Kundenwünschen entsprechend kann nahezu jedes
Format angefertigt werden. Selbst wo die Programme der zahlreichen
Fliesenhersteller enden, hört die Möglichkeit der Kreativität nicht
auf. So haben sich einige Betriebe mit Wasserstrahl-Anlagen
hierzulande darauf spezialisiert, auch noch den ausgefallensten
Formatwunsch ihrer Kunden zu erfüllen.