Neue Monte Rosa-Hütte oberhalb von Zermatt
90% energieautark
Knapp 3.000 Meter über dem Meeresspiegel funkelt ein neuer
„Bergkristall“ in der Schweizer Gletscherlandschaft. Mit diesem
Spitznamen wurde die Neue Monte Rosa-Hütte oberhalb von
Zermatt schon vor ihrer Eröffnung bezeichnet. Das Konzept für die
Berghütte war als Jubiläumsprojekt zum 150-jährigen Bestehen der
ETH Zürich in einem Studienprojekt entstanden. Weiterentwickelt und
umgesetzt wurde es von Professoren der Hochschule, Fachleuten des
Schweizer Alpen-Clubs SAC und Spezialisten aus dem Baugewerbe.
Dabei stellte der Bauplatz in felsiger Umgebung fernab von Straßen
und Leitungsnetzen und unter hochalpinen Klimabedingungen sehr hohe
Anforderungen an Planung und Realisierung.
Gallerie
Der Neubau kombiniert eine ausdrucksstarke Architektur und
zeitgemäßen Komfort mit modernster Technik und einem nachhaltigen
Ressourcen- und Energiemanagement. Auf einer Nettogeschossfläche
von knapp 900 m² sind eine Gaststätte für 120 Personen, 19 Gäste-
und Bergführerzimmer mit 120 Schlafplätzen und entsprechenden
Sanitäreinrichtungen sowie eine Hüttenwartwohnung
untergebracht.
Wie ein Bergkristall erscheint die Neue Monte Rosa-Hütte aufgrund
ihrer kantigen, asymmetrischen Form über einem achteckigen
Grundriss und wegen der silbernen Aluminiumfassade. Dazu im
Kontrast steht das von Holz dominierte Innere. Im Essraum im
Erdgeschoss ist die digital vorgefertigte Holzkonstruktion
besonders gut sichtbar. Panoramafenster entlang der Treppe eröffnen
über alle fünf Etagen den Blick auf die spektakuläre Umgebung: das
Monte Rosa-Bergmassiv, den Liskamm und das Matterhorn.
Nachhaltig Bauen
Auf Grundlage der Energiebilanz der bisherigen Hütte, die mit dem
Neubau ersetzt wurde, konnte Optimierungspotenzial ausgemacht und
der Energieverbrauch der neuen Hütte abgeschätzt
werden. Mit Hilfe einer Lebenszyklusanalyse wurden außerdem die
Umweltauswirkungen von Materialien und Bauprozessen
unterschiedlicher Szenarien verglichen und bewertet. Der Großteil
des Energiebedarfs der neuen Monte Rosa-Hütte wird über
Solarenergie gedeckt, lediglich 10% der Energie muss
noch per Helikopter geliefert werden. In die Südfassade integrierte
Photovoltaikpaneele produzieren Strom, der entweder sofort genutzt
oder in Batterien gespeichert werden kann. Damit ist eine
lückenlose Versorgung auch bei bedecktem Himmel oder in der Nacht
gewährleistet. Für Spitzenlasten oder falls die Photovoltaikanlage
ausfällt, kann ein mit Rapsöl betriebenes Blockheizkraftwerk Wärme und Elektrizität
erzeugen. Im Gelände aufgestellte Solarkollektoren dienen zur
Warmwasserbereitung und erwärmen die Zuluft für die mechanische
Lüftungsanlage. Als Zugeständnis an die Gäste lassen sich die
Fenster in den Zimmern dennoch öffnen.
Der hohe Grad an Energieautarkie ist außerdem einem ausgeklügelten
Energiemanagement zu verdanken. Dazu werden relevante Größen, wie
Klimadaten der hauseigenen Wetterstation, Übernachtungsbuchungen
oder Daten der Energiespeicher, von der Hütte auf einen Rechner an
der ETH Zürich übermittelt. Eine Software optimiert dann den
Betrieb der Haustechnik. Um den Gästen während der gesamten Saison
wassergespülte Toiletten und Duschen bieten zu können - ein
Komfort, an den in der alten Hütte nicht zu denken war - wird das
nur während der Sommermonate anfallende Schmelzwasser aus der
Umgebung der Hütte in einer Felskaverne gesammelt. Die
Sanitärinstallation ist für einen Wasser sparenden Betrieb
ausgelegt. Eine Mikrofilteranlage auf bakterieller Basis reinigt
die Abwässer; das Grauwasser wird für die Toilettenspülung wieder
verwendet. Durch das System zur Wasserwiederaufbereitung
überschreitet der Energieverbrauch der neuen Hütte den der
bisherigen. Doch die Nutzung erneuerbarer Energien und die
saisonale Speicherung und Mehrfachnutzung des Wassers senken die
aus dem Betrieb resultierenden CO2-Emissionen im
Vergleich um mehr als zwei Drittel pro Übernachtung.
Bei der Planung mussten Transport- und Montagemöglichkeiten
unter den extremen Bedingungen immer im Auge behalten werden. In
mehreren Arbeitsschritten wurde also das Optimum zwischen
Bauteilgröße, Gewicht, Montagezeit, Transportmittel und
entsprechenden Kosten ermittelt. Per Bahn und dann per Hubschrauber
gelangte das Material zum Bauplatz, wo es direkt verschraubt werden
konnte.
Ab März 2010 nahm die Hütte ihren regulären Betrieb auf und dient
seitdem als Forschungsobjekt. Wer sich über einen personalisierten
Sitzplatz im Restaurant freuen möchte, kann sich mit 1.000 CHF an
dem zukunftsweisenden Projekt beteiligen.
Die Monte-Rosa-Hütte ist am 17. September 2010 offiziell mit dem
Minergie-P-Zertifikat ausgezeichnet
worden.
Bautafel
Architekten: Studio Monte Rosa, Zürich; Bearth & Deplazes Architekten, Chur
Projektbeteiligte: Architektur + Design, Zermatt (Ausführung und Bauleitung); Lauber IWISA, Naters (Energie- und Gebäudetechnik); WGG Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel; Matterhorn Engineering, Zermatt (Bauingenieure); BWS Labor, Winterthur (Bauphysik); ETH Zürich (Digitale Fabrikation und Beratung Nachhaltigkeit); Hochschule Luzern, Horw, Siemens Suisse, Zürich (Beratung Energie- und Gebäudetechnik)
Bauherr: Sektion Monte Rosa des Schweizer Alpen-Club SAC
Fertigstellung: 2009
Standort: Monte Rosa, oberhalb von Zermatt
Bildnachweis: ETH-Studio Monte Rosa/Tonatiuh Ambrosetti (1-8); Lauber Iwisa, Naters (9-11); Stefanie Hellweg (12)
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