Besuchszentrum Schweizerische Vogelwarte Sempach
Bauökologisches Pionierprojekt: dreigeschossiger Lehmbau
Seit jeher faszinieren uns Vögel mit ihrer Fähigkeit zu fliegen, ihrem Gesang und ihrer Schönheit. Leider sind viele Arten bedroht. In der Schweiz beispielsweise sind vierzig Prozent der dort heimischen Brutvögel gefährdet. Das hat die Schweizerische Vogelwarte Sempach in ihrem jüngsten Bericht verlauten lassen. In ihrem neuen Besuchszentrum, das nach Plänen des Architekturbüros :mlzd aus Biel im kleinen Städtchen Sempach entstand, will sie die breite Öffentlichkeit für das Thema sensibilisieren. Außerdem dient die Vogelwarte als Rettungsstation für junge oder verletzte Tiere.
Gallerie
Die Architekten entwarfen das Besuchszentrum als dreiteiligen Gebäudekomplex, bestehend aus zwei kompakten Lehmbaukörpern mit polygonalem Grundriss und einem verbindenden, großflächig verglasten Mittelteil. Ihre Anordnung folgt den natürlichen Gegebenheiten auf dem Grundstück am Südostufer des Sempachersees. Der nördliche Baukörper ist eingeschossig, erstreckt sich parallel zur Seeuferkante und beherbergt die großzügigen, hohen Ausstellungsräume. Deutlich niedriger ist der ebenfalls eingeschossige Verbindungstrakt mit Foyer. An ihn grenzt südlich ein dreigeschossiger Baukörper mit weiteren Ausstellungsräumen, einem Saal für Filmvorführungen, einem Seminarraum, einer Pflegestation für verletzte Vögel sowie Büros, Lager- und Sanitärräumen an.
Erschlossen wird der Neubau von der Ostseite. Von hier gelangen die Besucher in das weitläufige, luftig gestaltete Foyer im Verbindungsbau. Dessen Westseite ist komplett verglast und bietet einen freien Blick auf den angrenzenden See. In sie integriert ist eine Vogelvoliere, daneben gibt es ein kleines Café. Über eine vorgelagerte Terrasse geht es hinaus, wo ein abwechslungsreiches Wegenetz durch das Außengelände mit Beobachtungs- und Aussichtsplattformen führt. Wieder zurück im Gebäude, befindet sich linkerhand die interaktive Ausstellung im niedrigeren Bauteil. In verschiedenen Stationen werden die wichtigsten Themen rund um das Vogelleben behandelt: Fliegen, Vogelzug, Federn, Nahrung, Fortpflanzung, Gefahren und Lebensraum. Im dreigeschossigen Baukörper auf der anderen Seite des Foyers können die Besucher Vogelklängen lauschen und sich über deren Bedeutung informieren. Im hauseigenen Kino übernimmt ein Naturfilm den visuellen Part.
Nachhaltig Bauen
Das Besuchszentrum entspricht dem Minergie-P-Eco
Standard, einem am niedrigen Energieverbrauch orientierten Gebäudestandard in
der Schweiz, der neben einem rationellen Energieeinsatz auch
Anforderungen an eine gesunde und ökologische Bauweise stellt. Die
innere Tragstruktur der beiden massiven Baukörper ist gemauert,
ihre selbsttragende Außenhülle besteht aus gestampftem Lehm. Dafür
wurden rund 1.000 Tonnen Lehm aus dem Laufental zu Elementen
verpresst und getrocknet. Der Baustoff wirkt
feuchtigkeitsregulierend und kann Luftschadstoffe und Gerüche
binden. Aufgrund seiner guten Wärmespeicherfähigkeit sorgt er
außerdem für angenehm warme Oberflächen. Erstmals in der Schweiz
wurde aus ihm ein dreigeschossiges Gebäude errichtet, weshalb das
Besucherzentrum als bauökologisches Pionierprojekt gilt. Dazu
tragen auch die regionalen Holzsorten bei, aus denen die
Bodendielen sowie die Decken- und Glasfassadenkonstruktionen des
Foyers gefertigt sind. Für die Fassade verwendete man Fichte, für
die Böden und Decken unbehandeltes Lärchenholz.
Die benötigte Energie für Heizung und Warmwasser liefert eine
Hackschnitzelheizung. Eine Fußbodenheizung verteilt die Wärme im
Gebäude; im Sommer kühlt sie die Räume. Über die luftdurchströmten
Rohre eines Erdregisters, das einer kontrollierten Lüftungsanlage
vorgeschaltet ist, werden die Räume mit vorgewärmter bzw.
-gekühlter Frischluft versorgt. Zum nachhaltigen Gebäudekonzept
gehören außerdem die Nutzung von Regenwasser für die WC-Spülungen
sowie die Austattung der Fenster mit Dreifachverglasungen. Im Foyer
sorgt der hohe Glasanteil für eine natürliche Belichtung sowie in
der kalten Jahreszeit für solare Wärmegewinne. Die Glasscheiben
sind mit einem eigens entwickelten Muster bedruckt, das verhindert,
dass Vögel gegen das Glas fliegen und sich verletzen.
Bautafel
Architekten: :mlzd, Biel
Projektbeteiligte: Kunzarchitekten, Sursee (Bauleitung/Baukostenmanagement); WAM Planer und Ingenieure, Bern (Tragwerksplanung Massivbau); Pirmin Jung Ingenieure für Holzbau, Rain (Tragwerksplanung Holzbau); Fontana Landschaftsarchitektur, Basel (Landschaftsarchitekten); Lehm Ton Erde Baukunst, Schlins (Lehmbau)
Bauherr: Schweizerische Vogelwarte Sempach
Fertigstellung: 2015
Standort: Luzernerstr. 6, 6204 Sempach, Schweiz
Bildnachweis: Alexander Jaquemet, Erlach
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