Rohingya Cultural Memory Centre in Bangladesh
Das gebaute Gedächtnis der Rohingya
Wie kann Architektur dabei helfen, Identitäten zu stärken und kulturelle Praktiken und Geschichten zu präservieren? Mit dieser Frage beschäftigte sich der aus Bangladesch stammende Architekt Rizvi Hassan als er das Rohingya Cultural Memonry Centre (RCMC) für die vertriebenen Rohingya in seiner Heimat plante.
Gallerie
Verfolgt, Verdrängt, Vergessen
Bis 2017 lebten rund eine Million Rohingya als muslimische Minderheit im überwiegend buddhistischen Myanmar. Mit dem Staatsbürgergesetz von 1982 erklärte die myanmarische Regierung die Bevölkerungsgruppe für staatenlos. Dies hatte zur Folge, dass die Rohingya keinen Anspruch auf höhere Bildung, politische Teilhabe oder andere Rechte hatten, die mit der Staatsangehörigkeit einhergehen. Die Repressionen, sowie Verfolgungen und Morde seit 2017 führten zur Vertreibung von Hunderttausenden Menschen in das benachbarte Bangladesch. Nach Angaben der Vereinten Nationen gelten sie als die am stärksten verfolgte Minderheit der Welt.
Gallerie
Die stetigen Unruhen im Leben der Rohingya beeinflussen ihren Lebensstil bis heute. Trotzdem ist ihre Kultur geprägt von einer langen Geschichte aus Wissen, Positivität, Bescheidenheit und Fürsorge – all das soll im RCMC spürbar werden, und so einen Raum für die kulturelle und religiöse Identität der Rohingya bieten.
Traditionelle Praktiken mit neuem Leben füllen
Der Schwerpunkt der Umsetzung lag nicht nur auf der bloßen Konstruktion, sondern auf der Schaffung eines kreativen Prozesses, an dem sich die Gemeindemitglieder der Rohingya beteiligen konnten. Dieser sollte eine positive Bindung zum Gebäude ermöglichen und die psychische Gesundheit fördern.
Gallerie
Während des Baus organisierte Hassan eine Reihe von partizipativen Designstudios. Das Ziel war es, kulturelles sowie indigenes Wissen zu sammeln und die Praktiken und Fähigkeiten der Rohingya – etwa die technische Handhabung von Naturmaterialien – weiterzugeben. Die Ergebnisse der Workshops bildeten die Grundlage für den Bau des Kulturzentrums. So wurden unter anderem gemeinsam hergestellte Bauteile eingesetzt. Die Architektur selbst sollte als Leinwand dienen – Darstellungen von Häusern, Tieren, Orten und Beschäftigungen schmücken die Innenräume, geschaffen aus den Erinnerungen der Betroffenen.
Gallerie
Städtebauliche Positionierung und Nutzung
Das RCMC steht auf einem Hügel inmitten des Geflüchtetenlagers Kutupalong im Süden Bangladeschs. Es besteht aus vier rechteckigen Gebäudeteilen, die sich in drei Hallen und einen Workshopbereich gliedern. In der Haupthalle beginnt der Rundgang mit traditionellen Bambusmustern und Holzschnitzereien. In der zweiten Halle geht es um Tonarbeiten und Fischerei. Eine Lehmwand stellt das sogenannte Maitta Ghor aus der Heimat der Gemeinschaft dar: Ein Wohnhaus aus Schilfrohr oder Bambus mit Palmblättern, gebaut auf einem Lehmboden. Die dritte Halle behandelt die Welt der Kunst und Fantasie und nähert sich thematisch dem Kreativbereich im vierten Gebäude. Das Ensemble wurden in einem leichten Bogen angeordnet und folgt der organischen Struktur des Camps. Nordöstlich wendet sich das Zentrum vom fallenden Grundstück ab.
Gallerie
Natürliche Materialien in traditioneller Bauweise
Trichterartige Dächer öffnen sich zu den zentralen Gemeinschaftsgärten, in denen traditionelle Heil- und Nutzpflanzen wachsen. Auch in den schmalen Räumen zwischen den Hallen befinden sich Anbauflächen. Funktionalität und Tradition spiegeln sich ebenfalls in der Konstruktion des Gebäudes wider. Statische Bauteile und Verbindungen stellen die Rückbaubarkeit sicher, zugleich schützen die leichten Wand- und Dachelemente vor den starken Regenfällen und intensiven Sonnenstrahlen der Region. Die rundum auskragenden Dächer schaffen auch im Außenraum geschützte Aufenthaltsbereiche. Für den Dachbelag wurden traditionell hergestellte Paletten aus Nipa-Palmen verwenden. Die Blätter sind im Hausbau der Rohingya üblich und sollen vor allem die Innenraumtemperatur niedrig halten.
Gallerie
Auch die durchlässigen Wandkonstruktionen fördern die Raumtemperatur sowie Luftfeuchtigkeit durch eine natürliche Zirkulation. Zusätzlich wird die Filterung von Staubpartikeln mithilfe der natürlichen Materialien gefördert. Unversiegelte Bodenbelägen gewährleisten die Aufnahme von Regenwasser, wodurch das Grundwasser kontinuierlich aufgefüllt und für die Bewirtschaftung und Kühlung des Lagers genutzt werden kann.
Gallerie
Das Rohingya Cultural Memory Centre demonstriert Nachhaltigkeit auf verschiedenen Ebenen – von der Wahl der Materialien bis zu der tief in den Entwurf verankerten Konservierung der Kultur eines vertriebenen Volkes. Das Projekt zeigt einen langen und intensiven Lernprozess und macht das Wissen über traditionelle Handwerkskunst sichtbar.
Bautafel
Architektur: Rizvi Hassan, Bangladesch
Projektbeteiligte: Shamsunnahar, Md. Yakub, Mostafa Kamal (Landschaftsplanung); David Palazón (Projekt Manager, Concept Design, Curator); Ueda Haruka, Alberto Alcalde, Hasballah, Enayatullah Hemat, Md. Ali Mamun, Abdu Sukkur Bappy, Rafique Uddin, Tonmoy Bhattacharjee, Prantik Chakraborty, Bivuti Bhushon, Clint Kimme (Bauarbeiten); Ali Mamun, Abdu Sukkur Bappy, Alberto Alcalde, Hasballah (Statik)
Bauherr*in: IOM in Unterstützung der Rohingya Geflüchteten, Bangladesch
Standort: Gundum, Bangladesch
Fertigstellung: 2022
Bildnachweis: Rizvi Hassan, Bangladesch