Musiklabor Clay Rotunda in Bern
Robotergefertigte Lehmstruktur
Nachhaltig bauen bedeutet, den Materialverbrauch zu reduzieren oder auch mit abfallfreien und emissionsarmen Materialien zu bauen. Gleich beides vereint das Projekt Clay Rotunda der Forschungsgruppe Gramazio Kohler an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich. Die Clay Rotunda ist eine freistehende, kreisförmige Lehmwand, die mithilfe eines Roboterarms gebaut wurde. Sie bildet die äußere schalldichte Hülle des SE MusicLabs, eines High-Fidelity-Musikauditoriums in einer ehemaligen Brauerei. Dank ihres wellenförmigen Designs ist die fünf Meter hohe Struktur knickfest, obwohl sie bloß 15 cm stark ist und aus unbewehrtem Lehm besteht.
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Bauprozess mit Roboter
Mithilfe eines Rechenmodells konnten die Architekt*innen die Geometrie der dünnen Schale planen und bauen. Während des 50-tägigen Bauprozesses mussten jeweils zwei Personen anwesend sein, um den automatisierten Bauprozess zu steuern. Dieses Team belieferte den mobilen Roboter mit Lehmzylindern von 9 cm Durchmesser und 15 cm Höhe. Dabei griff der sechsachsige Roboterarm jeweils einen Lehmzylinder und brachte ihn in Position. Die Position jedes einzelnen der benötigten 31.183 Tonzylinder wurde vom Rechenmodell vorgegeben. Die jeweilige Ausrichtung der Zylinder war besonders wichtig für die Stabilität der Struktur. Sobald der Lehmzylinder korrekt platziert war, drückte der Roboter ihn auf 60 % seiner Größe zusammen. Dies erzeugte eine weiche Verbindung, die sowohl die Plastizität des Materials als auch den dynamischen Herstellungsprozess erlebbar macht. Nachdem der mobile Roboter einen trapezförmigen Abschnitt der Lehmwand gebaut hatte, wurde er von den Architekt*innen versetzt. Dafür musste der Bau regelmäßig mit 3D-Scannern erfasst werden.
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Die Mischung macht’s
Für die Lehmkonstruktion, die mithilfe neuartiger digitaler Design- und Herstellungsverfahren erstellt wurde, testeten die Forschenden unterschiedliche Zusammensetzungen von Lehm, Sand, kleinen Steinen und Wasser. Sie mussten das beste Gleichgewicht zwischen der erforderlichen Formbarkeit, der höchsten Druckfestigkeit und der geringsten Schrumpfung des Materials finden. Schließlich erwies sich eine Mischung aus 40 % Ton, 45 % Sand und 15 % Splitt mit 1/16 zugesetztem Wasser als das beste Verhältnis. Der Baustoff aus regionalem Schweizer Lehm ist vollständig wiederverwertbar, reguliert zudem das Innenraumklima und schafft Komfort für die Nutzenden.
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Damit formuliert Clay Rotunda eine Antwort auf die dringende Notwendigkeit, den Materialverbrauch und die damit verbundenen Emissionen zu reduzieren. Anstatt natürliche Materialien bei extrem hohen Temperaturen zu brennen wie beispielsweise Ziegel oder Zement, nutzt das Team von Gramazio Kohler Research computergestütztes Design und Roboterfertigung, um mit ungebrannten, weichen Ziegeln zu bauen. Die Clay Rotunda ist das erste Bauwerk, das mit dieser Fertigungstechnik errichtet wurde. -sh
Bautafel
Architektur: Gramazio Kohler Research, Zürich
Projektbeteiligte: Seforb, Uster (Tragwerk); Lehmag, Brunnen (Lehmbau)
Industriepartner: Brauchli Ziegelei; Wirz Bauunternehmung
Sponsoren: Wirz Bauunternehmung; Eberhard; Welti Furrer; Siemens; Geberit; ETH Zurich Foundation
Bauherrschaft: SE MusicLab, Wabern
Fertigstellung: 2021
Standort: Gurtenbrauerei 37, 3084 Wabern
Bildnachweis: Gramazio Kohler Research, Zürich / Michael Lyrenmann / Coralie Ming / Indra Santosa
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