Square in St. Gallen
Closed Cavity Fassade mit statisch wirksam verklebter Prallscheibe
Interaktiven und innovativen Formen des Lehrens und Lernens ist der neueste Baustein auf dem Campus Rosenberg der Universität St. Gallen gewidmet: Square ist nicht nur Lern- und Experimentierfeld, sondern dient zudem auch als Ort der Begegnung und des Dialogs. Der Bedarf nach einem Neubau entstand, da das ursprüngliche Hauptgebäude und die postmoderne Bibliothek den gestiegenen Anforderungen und Kapazitäten im Studienbetrieb nicht mehr genügten.
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Der im Jahr 2017 ausgelobte Architekturwettbewerb verfolgte ein
besonderes didaktisches Ziel: Gefordert war ein Ort für
experimentelle und u.a. studierendengesteuerte Lern- und
Lehrformate, die nach einer erfolgreichen Bewährungsphase
universitätsübergreifend eingesetzt werden sollen. Mit seinem
Wettbewerbsentwurf Open Grid entwarf das japanische
Architekturbüro Sou Fujimoto eine modulare Gebäudestruktur mit
flexiblen, offenen und hellen Räumen, die geeignete Parameter für
die Umsetzung des pädagogischen Konzepts setzt.
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Landmarke im Einklang mit der Umgebung
Der Gebäudename Square bezieht sich auf das Quadrat, das als Leitmotiv in der gesamten Gebäudestruktur erlebbar ist – bis hin zur Form des öffentlichen Vorplatzes. Das Gebäude baut auf einem kontinuierlichen, dreidimensionalen Raster mit Abmessungen von 10 x 10 x 5 Metern auf. Die Raumstruktur selbst entfaltet sich vertikal auf 92 terrassierte, vollständig verglaste Kuben. Die Komposition und Setzung der Glaskuben innerhalb des Rasters orientiert sich an den Höhenlinien der St. Galler Landschaft. Durch die abgestufte Anordnung ließen sich zudem verschiedene begrünte Dachterrassen ausbilden.
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Stütze, Balken, Decke
Den Innenraum charakterisiert der lichtdurchflutete und offene Charakter sowie die sichtbare Beton-Tragstruktur mit ihren Primärelementen – Stütze, Balken, Decke. Insgesamt 7.000 Quadratmeter stehen im Square zur Verfügung. Die Räume verlaufen fließend innerhalb des Betonrasters und erlauben so die Umsetzung des didaktischen Konzepts, so Architekt Sou Fujimoto. Von jedem Punkt des Rasters aus können kleine und große Formen, Zonen und Cluster verbunden, gekreuzt, verschränkt und überlagert werden. Dadurch können die Raumeinheiten – je nach aktueller Anforderung – „organisch“ wachsen und sich verändern.
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Neue Lernformen
Grundsätzlich bricht das Projekt mit dem traditionellen Bild der Lehrkraft als Quelle allen Wissens, indem es sich symbolisch und physisch von der klassischen Typologie des Klassenzimmers löst. Einen typischen Hörsaal sucht man im Square vergeblich, stattdessen wird auf offenen Galerien gelehrt. Das Forum, ein großer und hoher Raum, bietet Platz für größere Veranstaltungen oder Diskussionen der Universität St. Gallen. Darüber hinaus wurde das Cloister umgesetzt, das als kontinuierlicher Lernweg zugleich Möglichkeiten des Dialogs und des Rückzugs schafft.
Über den Haupteingang erreicht man zunächst das große Atrium: mit 18,5 Metern bildet es den höchsten Raum des Gebäudes und markiert ihn damit unmissverständlich als Zentrum. Zwei ausladende, in das Atrium hineinragende Wendeltreppen lockern die quadratische Grundstruktur auf und dienen der Erschließung der öffentlichen Bereiche.
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Stahlbeton-Tragstruktur
Die Stahlbetonkonstruktion ist in Sichtbeton ausgeführt; Für eine helle Betonfarbe wurde 60% Weißzement beigemischt. Die Konstruktion spannt pro Feld über ein Raster von 10 x 10 x 5 Metern. Die Decken spannen jeweils über die 10 Meter Modullänge; sie sind als Balkenplatte mit einer Plattenstärke von 35 cm ausgeführt. Um Beton einzusparen, wurden abgehängte Balkendecken umgesetzt. Dank der Hohlräume konnte die Deckenmasse um 20 Prozent reduziert werden.
Closed Cavity Fassade mit hohen Anforderungen
Bei der Fassade handelt es sich um eine geschlossene und elementierte Doppelfassade, ausgebildet als Closed Cavity Fassade (CCF) aus insgesamt 448 Fassadenelementen in 304 unterschiedlichen Ausführungen. Die Regelabmessungen der Elemente betragen 2.375 mm x 4.863 mm.
Die Isolierverglasungen sind als 3-fach-Verglasung aus Floatglas und Verbundsicherheitsglas realisiert, wobei eine besonders neutrale und effektive Wärmeschutzbeschichtung mit hoher Lichttransmission gewählt wurde. Auch die äußere absturzsichernde Prallscheibe der CCF ist beschichtet und rückseitig mit einem Punktraster siebbedruckt, was der Gebäudehülle eine besondere Textur verleiht. Die Prallscheiben sind im Profilsystem der Elemente statisch wirksam verklebt (Structural Glazing). Schmale Elemente sind als Shadowbox ausgebildet und deren Prallscheibe vollflächig opak bedruckt.
Ergänzt wird der Glasaufbau durch im Fassadenzwischenraum liegende Rafflamellenstore, die sicher vor Verschmutzung und Beschädigung durch Witterungseinflüsse geschützt sind. Den primären Heizenergiebedarf decken Erdsonden und eine Photovoltaikanlage. Die Fassade unterstützt hierbei durch sehr geringe Wärmeverluste (Ug = 0,6 W/(m²K)). An heißen Sommertagen trägt der g-Wert von 50% dazu bei, einer Überhitzung im Gebäudeinnern vorzubeugen. Die Lichttransmission der CCF liegt währenddessen bei hohen 70%. Die Belüftung der Elemente erfolgt durch einen Kompressor im Untergeschoss, der die benötigte Luft durch mehrere Ring- und Verteilerleitungen in den Fassadenzwischenraum führt.
Bautafel
Architektur: Sou Fujimoto Architects, Paris; Burckhardt, Basel
Projektbeteiligte: Kopitsis Bauphysik, Wohlen (Bauphysik); Emmer Pfenniger Partner, Münchenstein (Fassadenplanung); Glas Trösch, St. Gallen, und BGT Bischoff Glastechnik, Bretten (Verglasung); Aepli Stahlbau, Gossau (Fassadenkonstruktion); Lightdesign, Tokio (Lichtplanung); Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel (Tragwerksplanung)
Bauherr/in: HSG Stiftung, St. Gallen
Fertigstellung: 2021
Standort: Guisanstrasse 20, 9010 St. Gallen, Schweiz
Bildnachweis: Sou Fujimoto Architects, Chris Mansfield, Iwan Baan
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