Gästehäuschen in Marin County
Schiebetüren und Oberlichter auf dem Plateau einer ehemaligen Garage
Das kalifornische Marin County liegt am Pazifik und erstreckt sich östlich bis an die Bucht von San Francisco. Bekannt ist das Gebiet für zahlreiche Wanderwege, die entlang der spektakulären Klippen des Ozeans führen und durch das hügelige Terrain mit immergrünen Mischwäldern aus riesigen Redwoods (Küstenmammutbäume), uralten Eichen und Douglasien, Lorbeer und Madrone (amerikanischer Erdbeerbaum). Zu den berühmtesten Einwohnern von Marin County gehören Gary Fisher, der Erfinder des Mountainbikes, und der Regisseur und Produzent George Lucas mit seiner Skywalker Ranch, benannt nach dem Star-Wars-Helden Luke Skywalker.
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San Francisco ist nur knapp 30 km in südlicher Richtung entfernt. Die Nähe zur Metropole macht sich nicht nur durch den Highway über die Golden Gate Bridge bemerkbar, sondern auch über enorme Preise für Grundstücke und Häuser. San Francisco hat allerdings im Vergleich zu vielen anderen US-amerikanischen Metropolen noch immer den Ruf einer Hippie-Stadt mit anti-kapitalistischer Gegenkultur und Anspruch auf grüne Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz.
ADU, Garage, Gästehäuschen
Eine mehrköpfige Familie wünschte sich eine Erweiterung ihres Einfamilienhauses, um Gäste und Freunde beherbergen zu können. Aufgrund des steilen Hangs mit dichtem Baumbestand entschied sich die Familie gegen einen herkömmlichen Anbau und stattdessen für ein sogenanntes ADU. Die Abkürzung steht für Accessory Dwelling Unit, ins Deutsche übersetzbar als zusätzliche Wohneinheit, Gartenhaus oder Gästehäuschen. Eine Reform des kalifornischen Baurechts im Jahr 2020 erleichtert inzwischen die Genehmigung und Errichtung eines ADU einschließlich Vermietung und sogar Verkauf zur Schaffung von Wohneigentum. Das 2023 erneut überarbeitete Gesetz definiert zwar maximale Größen, doch die Umwandlung existierender Strukturen wie Garagen und Scheunen zu Wohnraum ist ausdrücklich erlaubt.
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Die Umwandlung von Garagen ist auch in Deutschland eine zunehmend bewährte Methode zur Gewinnung von mehr Wohnfläche in Einfamilienhaussiedlungen, ohne dass Teile der Gärten für Baumaßnahmen geopfert werden müssen. Vorteilhaft ist oftmals, wenn sich eine Garage unmittelbar an der Außenwand des Wohnhauses befindet und deshalb mit einem Wanddurchbruch relativ einfach erschlossen werden kann, sofern nicht schon eine Verbindungstür vorhanden ist. Während das Garagentor durch großformatige Fenster ausgetauscht werden kann, sind weitere Öffnungen zur Belichtung und Belüftung konstruktiv im Zuge von Wärmedämmarbeiten und Innenausbau zu schaffen.
Plateau und Kamm
Von der Straße an der Geländekante führt eine kurvige Zufahrt über das Grundstück zum Wohnhaus der kalifornischen Familie. Auf halbem Weg hatte zuvor eine Garage auf einem Plateau gestanden. Plateau und Gründung waren noch vorhanden und konnten als Fundamentplatte für das ADU genutzt werden. So wurden einerseits aufwendige Erdarbeiten am Hang eingespart und andererseits eine Versiegelung von grüner Gartenfläche sowie das Fällen von Bäumen vermieden. Das ADU erhielt den Namen Crest Guesthouse, also Gästehaus am Kamm.
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Raumhohe Schiebetüren und Oberlichter aus recyceltem Aluminium
In Analogie zur Garage ist die Grundfläche ein kleines Rechteck, dessen Längsseite zum Hang mit raumhohen Schiebetüren verglast ist. Damit wird ein weiter Blick hügelabwärts auf die dichtstehenden Bäume mit ihren verschiedenen Grüntönen und Schattierungen geschaffen. Eine angefügte Terrasse vergrößert die Grundfläche. Hinsichtlich des milden Klimas zwischen Tiefsttemperaturen um 5° Celsius und Höchsttemperaturen von normalerweise rund 30° Celsius ist die Verknüpfung des Innenraums mit einem solchen Außendeck eine beachtliche Verbesserung der Nutzungs- und Aufenthaltsqualität.
Ein Pultdach, das den etwa 40° steilen Hang parallel nachzeichnet und damit betont, vergrößert das Raumvolumen und bietet geometrisch die Möglichkeit, oberhalb der hangseitig angeordneten Küchenzeile ein längliches dreigeteiltes Oberlicht in die Gebäudehülle einzuschneiden. Für die Profile der Schiebetüren und Oberlichtfenster wurde recyceltes Aluminium verwendet, um tatsächlich dem Anspruch auf Nachhaltigkeit inmitten der Natur gerecht zu werden.
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Die gesamte innere Hülle ist mit Sperrholz aus regionaler Douglasie verkleidet. Um die Grundfläche von nur 38 m2 optimal und flexibel nutzbar zu machen, sind Möbel wie das Bett als Klapp-Elemente in Wandnischen detailliert. Der Esstisch steht auf Rollen und verschwindet je nach Bedarf ebenfalls in einem Wandschrank. Das Bad ist praktischerweise geteilt in zwei Zellen für WC und Dusche. Bemerkenswert ist die Duschtür, die innenseitig komplett verspiegelt ist und damit nicht nur den winzigen Raum optisch weitet, sondern auch die Kontrolle von Outfits von Kopf bis Fuß einschließlich Make-up ermöglicht.
Oberhalb von WC und Duschbad ist eine Ebene in der Art eines Hochbetts eingezogen. Diese Ebene ist über eine schmale und steile Trittleiter zugänglich. Hier bietet sich Platz für eine weitere Schlafgelegenheit oder sogar für ein klitzekleines, aber ruhiges Homeoffice. Das Dach ist wie eine Gaube konstruiert, die zusätzliches Raumvolumen und durch ein quadratisches Fenster auch einen Ausblick in Richtung Tal bietet.
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Brandschutz
Das Gästehaus befindet sich in einem durch Waldbrände gefährdeten Gebiet. Waldbrände, wildfires, führen in Kalifornien besonders im Herbst zu einer regelrechten Waldbrandsaison, in der Jahr für Jahr Flächen von teilweise mehreren tausend Quadratkilometern vernichtet werden. Brandschutzvorkehrungen sind daher auch bei kleinen Architekturen wie einem ADU zwingend erforderlich. Die gesamte äußere Kubatur des Gästehauses wurde mit hellgrauen Faserzement-Paneelen verkleidet. Derartige Paneele sind feuer- und hitzebeständig und haben zudem eine hohe Festigkeit, verbunden mit einem geringen Wartungsaufwand. Die hellgrauen und beigen Farbtöne unterstreichen die puristische wie funktionale Gestaltung des Gästehauses mit einem Touch skandinavischen Understatements. -sj
Bautafel
Architektur: Mork-Ulnes Architects, Oslo/Norwegen und San Francisco/USA
Projektbeteiligte: Casper Mork-Ulnes, Phi Van Phan, Robert Scott, Lexie Mork-Ulnes, Kaoru Lovett (Projektteam); David Strandberg (Tragwerk); Adobe Associates Aaron R. Smith, Santa Rosa/CA (Haustechnik); Damner Construction, Axelson Builders (Bauausführung); Fleetwood, Corona/CA (Fenster und Türen)
Bauherr: privat
Fertigstellung: 2023
Standort: San Anselmo, Marin County, Kalifornien, USA
Bildnachweis: Bruce Damonte, San Francisco, über The Architecture Curator (Fotos); Mork-Ulnes Architects, Oslo/Norwegen und San Francisco/USA (Pläne)
Fachwissen zum Thema
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