Pigment House in London
Wohnwintergarten für ein viktorianisches Townhouse
Hampstead, ein Viertel im Londoner Stadtbezirk Camden, zählt wegen seiner innerstädtischen Lage, dem hügeligen gleichnamigen Park und dem pittoresken Charme historischer Backstein-Reihenhäuser zu einer der beliebtesten Wohngegenden der britischen Hauptstadt. Eine hier wohnende Familie mit zwei kleinen Kindern hatte also keinen Grund aus- und wegzuziehen, obwohl ihr viktorianisches Townhouse in die Jahre gekommen und gartenseitig düster und beengt war.
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Licht, Luft und Sonne
Das Haus einschließlich des Gartens wurde nicht nur einer herkömmlichen respektive technisch bewährten Instandsetzung unterzogen, sondern zugunsten von lichtdurchfluteten und gut belüfteten Räumen transformiert. Dieses Konzept erinnert nicht von ungefähr an Licht, Luft und Sonne als dem Motto der 1920er-Jahre für die Schaffung „gesunden Wohnraums“ in den wachsenden Großstädten der Moderne.
Das viergeschossige Townhouse hat eine Wohnfläche von 260 Quadratmetern und einen länglich geschnittenen Grundriss mit nur knapp sieben Metern Breite. Die straßenseitige Fassade nach Westen zeigt sich viktorianisch klassisch mit weiß lackierten Bay Windows, Vertikalschiebefenstern, Vortreppe mit Nische und in Akzentfarben lackierter Eingangstür. Rückseitig gab es statt eines nutzbaren Gartens einen steilen Hang, der bis auf die Höhe des ersten Obergeschosses anstieg. Das rückwärtige Erdgeschoss hatte damit eher die Atmosphäre eines Souterrains oder gar Kellers. Zugunsten einer besseren Nutzbarkeit der Räume wie auch des Außenraums wurde der Hang abgegraben, in mehreren flachen Ebenen terrassiert und mit Spundwänden entlang der Grundstücksgrenzen gesichert.
Küche als Wohnwintergarten
Durch den topographischen Eingriff ist die Küche nicht mehr der
düstere und enge Ort, an dem einst Dienstboten Mahlzeiten für die
Herrschaften zubereiteten, sondern das neue Herz des Hauses.
Zugunsten einer hohen Aufenthaltsqualität wurde die Küche komplett
umorganisiert und mit einem Wohnwintergarten als Anbau vergrößert.
Raumhohe gläserne Schiebetüren verknüpfen den Koch-, Sitz- und
Essbereich mit einer Outdoor-Grillstation auf der untersten
Terrassenebene. Für eine optimale Belichtung wurde außerdem die
Decke des Anbaus mit großen Oberlichtern versehen. Glasbalken
übernehmen den erforderlichen Lastabtrag und lassen die Glasflächen
noch leichter und luftiger wirken. In der Dämmerung und in der
Nacht leuchtet der Wohnwintergarten wie ein heller Lampion nach
außen.
Das Prinzip von visueller Leichtigkeit zieht sich durch alle
Räumde des Hauses. Neben dem Wohn- und Essbereich gibt es vier
Schlafzimmer und drei Bäder. Maßgefertige Einbaumöbel, die teils
aus Eiche, teils weiß lackiert sind, sorgen für Ordnung und
Klarheit.
Pink als Hommage an Luis Baragán
Die Bauherren hatten mehrmals Reisen nach Mexiko unternommen und zeigten sich äußerst beeindruckt von den Bauten Luis Barragáns. Besonders inspirierte sie sein Umgang mit Wandscheiben in Pink- und Rottönen wie beispielsweise bei der Casa Barragán (1948) oder dem Cuadra San Cristóbal (1966-68).
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Diese architektonischen Prinzipien von Farbe und raumbildenden Wandscheiben wurden in London aufgegriffen und als Hommage an Barragán zitiert. Als offene Erweiterung des Wohnwintergartens ist ein fast intimer Patio zwischen den Spundwänden entstanden. Die Stufen zu den höheren Terrassenebenen dienen neben der Erschließung auch als Sitzflächen bei Grill- und Garten-Partys. Als Geländer und Absturzsicherung wurde durchscheinendes Edelstahl-Mesh gewählt.
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Dem Beton der Wände im Außenbereich, dem Putz im Inneren des
Hauses und auch dem Estrich des Fußbodens wurden Pigmente
beigemischt, die in pinken, rötlichen und sandfarbenen
Schattierungen schimmern. Sie schaffen nicht nur einen visuellen
Gegensatz zum oft grau verhangenen Londoner Himmel, sondern spielen
farblich mit den Efeuranken und dem hellen Grün von Gräsern und
Bäumen. -sj
Bautafel
Architektur: Unknown Works, London
Projektbeteiligte: Ben Hayes, Kaowen Ho, Theo Games Petrohilos (Projektteam); Bull & Bates, London (Tragwerksplanung); Camden Building Control, London (Genehmigungs- und Baukontrollinstanz); Grace & Wren Ltd, London (Bauausführung); Alistair Fleming, Lewes (Küchenplanung); Joe Pipal, London (Tischlerarbeiten); Twentytwentyone, London (Mobiliar)
Bauherr*in: privat
Fertigstellung: 2022
Standort: London / UK
Bildnachweis: Lorenzo Zandri, London, über Unknown Works/Salt