Obergadenfenster
Natürliche Belichtung und historisches Prinzip
Obergadenfenster sind eine Sonderform von Oberlichtern. Sie sind kein einzelnes Fenster, sondern immer eine zusammenhängende Gruppe. Als eine Reihung von Fensteröffnungen bilden sie ein horizontales Band in linearer, kreisförmiger oder elliptischer Anordnung im oberen Wand- und Deckenbereich von Kuppeln oder Schiffen, also länglichen Räumen, entlang von Emporen oder hoch gelegenen Galerien. Die Kontur der einzelnen Öffnung ist meist ein stehendes Rechteck oder ein schmales Rundbogenfenster.
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Ursprung
Der Name verweist, auch wenn die Silbe gaden heute oft
missinterpretiert wird, nicht auf einen Garten, auch nicht den
symbolischen Garten Gottes oder das Paradies. Das althochdeutsche
Wort Gaden bezeichnet ein bescheidenes kleines Häuschen,
eine Scheune, eine Kammer oder einen niedrigen Raum.
Obergadenfenster bedeutet deshalb etymologisch übersetzt eine
Öffnung in einem kleinen Raum oder eher Raumbereich, der sich
oberhalb von anderen Räumen befindet. Die Übersetzung verweist auf
den Ursprung in Kirchenwänden, denn nur diese waren mehrgeschossig.
Mehrere Arkaden bzw. Bogenreihen wurden mit schmalen Galerien oder
Emporen zur Gewinnung einer größeren Raumhöhe übereinandergestellt.
Ein derartiger Aufwand wurde jahrhundertelang nur für Villen,
Paläste und Schlösser betrieben, nicht jedoch für einfache
Wohnhäuser.
Aufgaben
Obergadenfenster leisten mehrere Aufgaben, sie dienen
der:
- natürlichen Belichtung
- Inszenierung des Lichteinfalls, beispielsweise symbolisch als Licht Gottes
- natürlichen Belüftung
- tragwerkstechnischen Reduzierung und Umverteilung von
Lasten
Belichtung
Die natürliche Belichtung erbringen diese hoch angeordneten Fenster sehr gut, da sie kaum durch Bäume oder umgebende Gebäude verschattet werden, außer wenn sich der Kontext durch städtebauliche Verdichtung mit Hochhäusern ändert. Je vertikaler sich die Öffnungen befinden, desto tiefer und weiter fällt das Licht ins Rauminnere. Dieses geometrische und physikalische Prinzip resultiert aus der Ekliptik der Sonne.
Durch die Reihung der Fenster entsteht außerdem eine gleichmäßig flächige Ausleuchtung der gegenüberstehenden Wand, die sich damit besonders für die Präsentation von Bildern (Wandmalereien, Gemälde u.ä.) eignet. Einen ähnlichen Beleuchtungseffekt – allerdings mit künstlichem Licht – erzielen die heute oft verwendeten, an der Decke abgehängten Lichtschienen mit aneinandergereihten Strahlern.
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Tragwerk
Durch die Schaffung von Aussparungen bzw. Öffnungen im oberen
Bereich eines Bauwerks reduziert sich die Belastung aus Eigenlast
der Mauer auf die unteren Wände. Gleichzeitig findet eine
Umverteilung der Lasten, die über die Öffnungen einwirken, über die
Bögen dieser Öffnungen statt. Diese Lastkonzentration erhöht die
Druckspannungen auf Pfeiler bzw. Stützen, die aus diesem Grund
stärker zu dimensionieren sind als die Wände. Dieses
tragwerkstechnische Zusammenspiel aus Fenster, Wand, Stütze und
Raum lässt sich besonders gut an mehrschiffigen gotischen Kirchen
ablesen. Obergadenfenster sind aber wesentlich älter, es gibt sie
bereits in altägyptischen Tempeln.
Typologie
Typologisch sind Obergadenfenster mit Fensterbändern der klassischen Moderne verwandt, à la Eileen Gray und Le Corbusier, auch wenn diese auf einem völlig anderen baukonstruktiven, tragwerkstechnischen und architekturtheoretischen Konzept basieren. Entfernt ähneln sie hinsichtlich ihrer symbolischen Bedeutung Himmelsbrunnen in der klassischen chinesischen Architektur. -sj