Ferienhaus bei Puertecillo
Weitblick dank geometrischem Manöver
Ein rauer Ozean mit hohen Wellen und steile Hügel mit Sträuchern und Bäumen – in dieser Umgebung bietet eine neue, nur knapp 60 m² große Cabaña an der chilenischen Pazifikküste ausreichend Platz und einen weiten Blick. Entworfen von Daniel Díaz Mirand, zeichnet sich der Neubau durch den behutsamen Umgang mit der Natur und eine kompromisslos zeitgenössische Architektur aus.
Gallerie
Etwa 200 km südlich der chilenischen Hauptstadt Santiago de
Chile liegt Puertecillo, eine abgelegene Bucht am Pazifik mit
eiskaltem Wasser, das mit dem Humboldtstrom direkt aus der
Antarktis kommt. Die Wassertemperaturen hier sind eisig und
verlocken nicht gerade zum Baden – wohl aber ziehen die Brandung am
langgestreckten flachen Sandstrand und die bis zu neun Meter hohen
Wellen Surf-Profis an. So ist die Surfschule am Strand ein
Treffpunkt, um die sich locker einige Casas und Cabañas, also
kleine hölzerne Hütten als Ferien- und Wochenendunterkünfte,
gruppieren. Ansonsten ist die Region um die Bucht, zu der nur eine
einzige asphaltierte Straße und ansonsten Schotterposten führen,
noch immer recht unberührt. Über dem Ozean und Strand erheben sich
steil bewaldete, raue Hügel.
Für diese naturbelassene Gegend hat, oberhalb der Küste von Puertecillo, der in Santiago ansässige Architekt Daniel Díaz Miranda, der in der O'Higgins-Region in Mittel-Chile bereits mehrere kleine ungewöhnliche Casas und Cabañas entworfen und gebaut hat, eine Cabaña gestaltet. Die zwei jungen Bauherren wünschten einen Wohn- und Kochbereich, eine Schlafgelegenheit und ein Bad. Dies sollte in einem kompakten Volumen organisiert werden, um die umgebende Natur so unangetastet wie möglich zu lassen. Unbedingte Prämisse war der Blick auf den Pazifik.
Geometrische Transformation für den Panoramablick
Die Hügel um die Bucht sind dicht bewaldet mit südamerikanischen Arten von Koniferen, Eichen, Ahorn und Wacholdersträuchern, die wie eine grüne Wand eben den gewünschten Ausblick auf den Ozean versperren. Eine Rodung kam nicht in Frage. Daniel Diaz Miranda entschied sich deshalb für ein geometrisches Manöver. Er wählte als Grundform für das Gebäude ein Quadrat, das er jedoch in die Höhe mit einer Faltung über der Diagonalen verformte, wie die Prinzipskizze (Bild 17) zeigt.
Die Konstruktion des zweigeschossigen Einzellers ist ein Stahlrahmen, der so nachvollziehbar wie einfach die transformierten Konturen nachzeichnet sowie aussteift. Auch die Treppe sitzt sehr logisch in der Diagonalen, die nach oben führt. Die zweite Ebene, die wie der Bug eines Schiffes auskragt, überragt die Baumkronen und bietet den gewünschten Panoramablick mit mehr als 180° weit über die Küstenlandschaft auf den Pazifik.
Raumhohe stehende Fensterflächen
Sämtliche orthogonalen Flächen der Hülle sind mit raumhohen Fenstern verglast. Trotz der dreidimensionalen Transformation bleiben so die Fenster ebene und stehende Formate ohne Neigung. Im Erdgeschoss öffnet sich eine große Fensterwand mit gläsernen Schiebetüren auf eine – ebenfalls quadratische – Terrasse, die über dem Hang aufgeständert ist. Der Bug der oberen Ebene ist als transparenter Keil beidseitig verglast.
Im Kontrast zu den Fenstern sind die schrägen Dreiecksflächen
mit schwarz lasierten Holzlatten beplankt, die die Diagonalen
wiederaufnehmen und betonen. Das Material Holz ist auch eine
Reminiszenz an archaische Blockhütten und architekturtheoretische
Urhütten à la Vitruv und Marc-Antoine Laugier. Aus schwarzer
Holzschalung besteht auch das Mobilar wie die Küchenschränke, die
Wandverkleidungen der Treppe und eine angedockte Terrasse. Das mit
57 m² winzige Haus bleibt so konzeptionell puristisch, ist aber
zugleich räumlich komplex, denn es bezieht mit gezielt gesetzten
Fenstern Landschaft und Ozean ins Innere ein. -sj
Bautafel
Architektur: Daniel Díaz Miranda, 2DM Arquitectos, Santiago de Chile
Bauherr/in: privat
Standort: nahe Puertecillo
Fertigstellung: 2020
Bildnachweis: Nicolas Saieh, Santiago de Chile
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