Hofhaus in Karwe
Transformation einer Ruine in Brandenburg
Die zwei Architekten Johanna Meyer-Grohbrügge und Sebastian Behmann entdeckten im ländlichen Brandenburg die Überreste eines Lebensmittelladens und entschieden sich zum Kauf, um daraus einen Rückzugsort abseits der Stadt zu schaffen. Sie verwandelten die Ruine in ein Hofhaus, erweiterten sie um drei Wintergärten und retteten damit das Gebäude vor dem vollständigen Verschwinden.
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Karwe ist ein Dorf unweit des Ruppiner Sees und etwa eine Stunde Fahrtzeit von Berlin entfernt. Nach Schließung des zentral gelegenen Ladens der genossenschaftlichen DDR-Handelskette Konsum verfiel das Gebäude und verwandelte sich zunehmend in einen Lost Place. Die beiden Architekten respektierten die Überreste und betrachteten sie als konzeptionellen Kern für die Sanierung und Erweiterung des Hauses.
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Kern und Hülle
Der eingeschossige Laden mit quadratischer Grundfläche von 13 m x 13 m hatte einen Verkaufsraum und mehrere kleinere Nebenräume. Das Flachdach war wie die nur noch teilweise vorhandenen Fenster und Türen in einem nicht mehr reparierbaren Zustand. Während der Abbrucharbeiten des Dachs wurden weitere schwere Schäden an den gemauerten Wänden sichtbar.
Um trotz aller Probleme den baulichen Charakter des Hauses zu erhalten, wurden die Außenwände mit Steinen aus Blähton regelrecht rekonstruiert. Um diesen Kern wurde eine neue transparente und energetisch wirksame Hülle mit einer ebenfalls quadratischen Grundfläche von 19 m x 19 m gestülpt – allerdings um 45 Grad gedreht. Auf diese Weise bilden sich drei neue Ecken; die vierte Ecke zur Dorfstraße ist abgeschnitten und erinnert an die ursprüngliche Eingangsfassade des Geschäfts.
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Türen
Durch die Baumaßnahmen ist ein vielseitig verknüpfbares und damit flexibel nutzbares Gefüge aus introvertierten und extrovertierten, respektive exponierten Räumen entstanden.
Der Haupteingang erfolgt über eine dreiflügelige Falttür samt Podest in der alten wie neuen Straßenfassade. Statt in den ehemaligen Verkaufsraum führt die Tür in einen Innenhof, in dem neben Gartenmöbeln auch Fahrräder, Kajaks und ein frisch gepflanztes Bäumchen Platz finden. Der Innenhof schützt nicht nur vor Einblicken, sondern erschließt auch die Küche, zwei Schlafräume und das Bad. Auf weitere Erschließungsflächen wie Flure wurde verzichtet.
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Die Wohnräume im Kern sind mit mindestens zwei bis drei, teils doppelflügeligen Türen ausgestattet. Diese großzügig dimensionierten Öffnungen verbinden die Wohnräume mit dem Innenhof und erweitern sie um die Wintergärten, sodass ähnlich wie in einer Enfilade zusammenhängende Raumfluchten entstehen. Geschlossene Türen dagegen schaffen Rückzugsräume.
Wintergärten
Die im Grundriss dreieckigen, gläsernen Erweiterungen ermöglichen eine Vielzahl an Nutzungen: sie dienen als Gästezimmer, als Esszimmer für Feiern mit Familie und Freunden, als Arbeits- oder Leseplatz neben dem Kaminofen. Mehrere raumhohe Fenstertüren verbinden die Räume mit dem Garten; einfache helle Vorhänge sorgen je nach Bedarf für Privatsphäre sowie Blend- und Sonnenschutz.
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Dach
Ein neues Dach mit sichtbarer Holzbalkenkonstruktion überdeckt die alten und die neuen Räume. Stahl-Rundrohrstützen tragen und steifen das Dach aus.
In einer späteren Phase soll das Dach begrünt, zu einer Terrasse ausgebaut und über eine Spindeltreppe erschlossen werden. Denn nur vom Dach aus lässt sich über die Häuser des Dorfes und die Bäume der Ruppiner See sehen. Die Vorstellung eines Dachgartens erscheint in diesem ländlichen Kontext zunächst ungewöhnlich. Aber da das gesamte Vorhaben auch als architektonisches Experimentierfeld aufgefasst wird, spielt das Flachdach – das einzige im Dorf – eine wichtige Rolle, um den Nutzen auch hinsichtlich natürlicher Biodiversität zu erproben. Die Energieversorgung mittels Geothermie und ein Regenwassersammelsystem vervollständigen die Transformation des ehemaligen Lebensmittelladens zu einem Wohnhaus auf dem Land. -sj
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Bautafel
Architektur: Meyer-Grohbrügge, Berlin und Studio Other Spaces, Berlin
Projektbeteiligte: Team Meyer-Grohbrügge: Johanna Meyer-Grohbrügge, Nina Gromoll, Thibault Trouve; Team Studio Other Spaces: Sebastian Behmann, Benjamin Albrecht, Laura Freiling; IFB Frohloff Staffa Kühl Ecker, Berlin (Tragwerk); Müller-BBM, Berlin (Bauphysik)
Bauherr*in: Johanna Meyer-Grohbrügge und Sebastian Behmann
Standort: Karwe-Neuruppin, Brandenburg
Fertigstellung: 2023
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