Wohnanlage Logements-Cathédrale in Dijon
Wohnen mit Überkapazität
Grundrisse ausknobeln und dabei gängige Standards im Wohnungsbau
hinterfragen – das sind die Markenzeichen der französischen
Architektin Sophie Delhay und ihres 2008 gegründeten Büros. Die
32 Logements-Cathédrale im ostfranzösischen Dijon bilden da
keine Ausnahme. Einem vollendeten Tetris-Spiel gleich stapeln und
verschränken sich die vielfältigen Wohneinheiten mit ihren
teilweise über fünf Meter hohen Räumen. Diese Großzügigkeit
ermöglichten finanzielle Einsparungen an anderer Stelle, zum
Beispiel bei den roh belassenen Wänden und Böden in Sichtbeton.
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Am südöstlichen Stadtrand von Dijon, zwischen dem vierspurigen
Boulevard de Chicago, dem selbstverwalteten Viertel Lentilleres und
Sportplätzen, auf denen regelmäßig der FCO Dijon spielt, liegt die
Écocité Jardin des Maraîchers. Das als Ökostadt beworbene
Stadterweiterungsprojekt auf einem ehemaligen Schlachthof-Gelände
soll nach Fertigstellung über eine zentrale, großzügig bepflanzte
Parkachse verfügen. Feuchtgebiete sorgen für Abkühlung im Sommer;
zudem sollen alle Wohnung so ausgerichtet sein, dass die
Sonnenenergie im Winter zur Reduzierung des Wärmebedarfs genutzt
werden kann. Nach und nach werden hier Wohnanlagen fertiggestellt,
2020 auch die 32 Logements-Cathédrale, die Sophie Delhay und ihr
Team für die soziale Wohnungsbaugesellschaft Habellis entwarfen.
Roher Beton, das Glas der zwei Geschosse hohen Fenster und die weit
auskragenden Balkone fallen denjenigen sofort auf, die auf der
grünen Wiese im dreieckigen, von dem L-förmigen Komplex gerahmten
Hof stehen.
Drei Wohntypologien vereint
Einem gewachsenen
Ensemble ähnlich setzt sich die Anlage aus drei verschiedenartigen
Gebäudetypen zusammen: ein kompakter, fünfgeschossiger Kopfbau mit
innenliegendem Treppenkern, daran anschließend eine Reihenhauszeile
und – im rechten Winkel dazu – ein gestufter Riegel mit
durchgesteckten Wohnungen. Diese werden über ein mittig
angeordnetes Treppenhaus mit Aufzug und straßenseitige Laubengänge
erschlossen. Der Riegel sitzt auf einem breiten Parkgaragen-Podest
mit einer Dachterrasse, auf die eine breite Treppe vom Garten
hinaufführt. Über diese Terrasse erreichen die Bewohnerinnen und
Bewohner auch den Fahrradabstellraum und einen 97 Quadratmeter
großen Gemeinschaftsraum. Eine weitere 235 Quadratmeter große,
allen zugängliche Dachterrasse befindet sich über dem vierten
Geschoss des Riegels.
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Nach innen erweiterbar
Über und untereinander, ringförmig und durchgesteckt – trotz des
rigiden Rasters sind die zum Teil ineinander verschränkten
Raumvolumen der drei Wohnungstypen vielfältig. So unterschiedlich
sie sind, haben doch alle den Salon cathédrale gemeinsam,
einen luftigen, zweiseitig belichteten Hauptraum. Mit einer Höhe
von 5,45 Meter überragt er die übrigen Bereiche deutlich, analog
einer Kuppel über der Vierung einer Kathedrale. Da seine Höhe zwei
Geschossen entspricht, löste der Salon cathédrale außerdem ein
Problem der städtebaulichen Vorgaben: Auf jedem Baufeld der Ecocité
mussten die Planerinnen und Planer nämlich eine zukünftige
Nachverdichtung um zehn bis zwanzig Prozent berücksichtigen. Durch
den dreieckigen Zuschnitt ließ sich auf dem Grundstück, für das
Sophie Delhay und ihr Büro den Zuschlag erhalten hatten, jedoch keine
Fläche dafür reservieren. Stattdessen – so ihre Idee – sollen die
Wohnungen nachverdichtet werden, indem zusätzliche Deckenplatten
die doppelgeschossigen Haupträume unterteilen und so Mezzanine oder
ganz abgetrennte Zimmer entstehen.
Raum- statt Materialvielfalt
Hohe Räume kosten Geld, das von dem Architekturbüro an anderer
Stelle eingespart werden musste. In den 32 Logements-Cathédrale
wurden deshalb keine teuren Bodenbeläge verlegt und auch nur wenige
Wände gestrichen. Statt in Materialien investierten sie in
großzügig dimensionierte Wohnräume. Auf diese Weise konnten die
Architektin und ihr Team das Budget einhalten, das ihnen pro
Quadratmeter Nutzfläche zur Verfügung stand und zugleich den
Mindeststandards des sozialen Wohnungsbaus in Frankreich genüge
tun.
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Homogen und roh: sichtbar belassene Ortbetonstruktur
Wo genau Geschossdecken liegen und Wohnungen aneinandergrenzen
ist von weitem anhand der homogenen Betonoberflächen und tanzenden
Fensterreihen schwer zu erkennen. Dazu trägt auch die enorme Größe
der Glasflächen bei, die die Proportionen der Baukörper leicht
missverstehen lassen. Die Hülle besteht aus Ortbeton und
zeigt bei genauem Hinsehen noch immer die sparsam verfüllten Löcher
der Schalungsanker und Spuren der zum Teil unregelmäßigen
Schalplattenmatrix.
Viele Bereiche des Gebäudes haben ihren Endzustand bereits im
Rohbau erreicht, so auch in den Innenräumen. Lediglich dort, wo
Anschlüsse für Heizung, Strom und Sanitärräume verlegt oder die die
innenliegende Dämmschichten aufgebracht wurden, sind die Wände weiß
verputzt. Die mittig angeordneten Kücheninseln sind über in den
Bodenplatten einbetonierte Leitungen angeschlossen. Entgegen der
Intention, die erhöhten Haupträume durch zusätzliche Deckenelemente
zu unterteilen, um damit mehr Wohnfläche zu schaffen, hat das
Architekturbüro keine weiteren Anschlüsse für diese künftigen Räume
in den Betonwänden vorgesehen. -ml
Bautafel
Architektur: Sophie Delhay Architecte, Dijon
Projektbeteiligte: Habellis, Dijon (Projektmanagement); ANMA, Paris (Stadtplanungskoordination); Logivie, Nevers (Bauträger); EVP, Paris (Statik); B52 (Hydraulik); VPEAS, Paris (Baukostenkalkulation); VERDI, Lille (Baugrund); JDM, Dijon(Landschaftsarchitektur)
Bauherr/in: Habellis, Dijon
Standort: 5 All. Germaine Dulac, 21000 Dijon, Frankreich
Fertigstellung: 2020
Bildnachweis: Bertrand Verney Photographe (Fotos); Sophie Delhay Architecte, Dijon (Pläne)
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