Sozialwohnungsbau De Jakoba in Amsterdam
Zeitersparnis durch Vorfertigung
Für Deutschsprechende mag das im Niederländischen großgeschriebene „IJ“ befremdlich anmuten. Zwischen Nordsee, Maas und Ems werden die beiden Buchstaben jedoch als ein einzelner aufgefasst. Das Wort bezeichnet den bis weit ins Landesinnere reichenden Meeresarm, an dem die Hauptstadt Amsterdam liegt. In den vergangenen Jahrzehnten wanderte der zentrumsnahe Hafen nach Westen, die Werftgebäude leerten sich und die Anlagen des Ölkonzerns Shell wurden rückgebaut. So konnte die Nordstadt bis an das Ufer wachsen. Hier wurde 2022 das Wohngebäude De Jakoba fertiggestellt, nach Plänen von Studioninedots.
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Wertvoll sind die freigewordenen Grundstücke – einerseits durch den enormen Bedarf an Wohnungen in Amsterdam, andererseits durch die zentrale Lage in der Nähe von Wasser, Hauptbahnhof und Altstadt. Seit 2018 überwindet eine U-Bahn-Linie die Wasserbarriere und verbindet so die beiden Stadthälften auf kürzestem Weg. Das IJ ist während der jahrzehntelangen Planungs- und Tunnelarbeiten zu einer Art See mitten in Amsterdam geworden, den Vier-Sterne-Hotels, Bürotürme, mehrere Yachthäfen und touristische und kulturelle Einrichtungen säumen. Eine davon ist das eisschollenartige Filmmuseum in Overhoeks, wo sich einst das Shell-Forschungsgelände befand. Auf der künstlichen Insel entsteht aktuell außerdem ein Stadtviertel mit rund 2.200 Miet- und Eigentumswohnungen und 130.000 m² Fläche für Büros und Gewerbe.
Während am Wasser Türme in die Höhe wachsen, werden die Baufelder weiter nördlich mit kompakteren Volumen gefüllt. De Jakoba heißt einer der Neubauten, der der Wohnungsbaugesellschaft Ymere gehört. Sie ist eine der größten der Niederlande und vermietet auch Büros, Parkplätze, Studierendenzimmer und Räume für Senioren- und Gemeindezentren. Bei Bauprojekten ist Ymere nicht nur als Auftraggeberin, sondern auch als Entwicklerin tätig.
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Quader mit Schwung
Das pistaziengrüne Gebäude hat die Form eines mittig eingedrückten Quaders mit zusätzlich abgerundeter Nordwestecke. Die Kurven der Kubatur werden verstärkt durch die Rückstaffelung der Geschosse an der Südost- und der Nordwestecke und die schimmernden Geländer der umlaufenden Terrassen. Ihre wie Gesimse hervortretenden Bodenplatten und die nach oben hin schmaler werdenden Fenster akzentuieren die sechs aufeinandergeschichteten Obergeschosse.
An der östlichen Stirnseite sind zwei Gewerbeeinheiten zu finden, die ein Fahrradladen und eine Tierarztpraxis bezogen haben. Mittig an der nördlichen Längsseite wird das Gebäude betreten. Um einen kompakten Flur herum angeordnet sind das Büro des Ymere-Quartiersmanagers, Aufzüge und eine Treppe. Der durchgesteckte Erschließungskern teilt den Grundriss auf allen Ebenen in zwei Hälften. Von hier reichen innenliegende Flure zu den Stirnseiten des Baukörpers. Die 135 Wohnungen – überwiegend Studios mit gemischtem Wohn-Schlafraum, Kochnische und separatem Bad – sind zu den Längsseiten orientiert. Es handelt sich dabei um Sozialwohnungen, die in den Niederlanden aktuell bis zu einem Jahreseinkommen von 44.000 € brutto zu bekommen sind.
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Beton: Akzentuiert und vormontiert
Unter anderem weil der Bedarf an Sozialwohnungen so hoch ist, sollte der Neubau möglichst schnell bezugsfertig sein. Ymere und Studioninedots entschieden sich daher, die Fassade aus Sichtbetonfertigteilen zur errichten. Die Elementierung verkürzte die Bauzeit von zwei auf anderthalb Jahre.
Im Betonwerk ließen sich zudem Kanten und Oberflächen besonders akkurat und differenziert herstellen. Mithilfe von Schleifmaschinen und Sandstrahlern erzeugten die Mitarbeitenden unterschiedliche Ansichten – mal feinkörnig, mal mit terrazzoartig in Erscheinung tretenden Einschlüssen. Der hellgrünen Grundfarbe des Sichtbetons wurden golden pulverbeschichtete Fensterrahmen und Geländer zur Seite gestellt.
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Die beträchtliche Tiefe der Elemente erzeugt an sonnigen Nachmittagen ein dramatisches Schattenspiel. Um sie zu dimensionieren, arbeitete das Architekturbüro bereits im Entwurfsprozess mit dem Betonwerk zusammen; Schließlich mussten die Bauteile auf die Auflagefläche der Schleifmaschine passen und auch auf die Ladefläche des Transporters. Stützen, Schwellen, Stürze und die 60 Zentimeter tiefen Gesimse der Terrassen wurden einzeln hergestellt und teilweise noch im Werk zu größeren, je zwei Fensteröffnungen umfassenden Einheiten zusammengefügt. Durch Schattenfugen, Versprünge und Rundungen bleiben die einzelnen Bauteile und somit auch der Montageprozess in der fertigen Fassade sichtbar.
Für die Errichtung eines Geschosses wurden elf Tage benötigt. Täglich lieferten zwei LKWs jeweils zwei Fassadenteile an. Die Ketten des Turmdrehkrans zu befestigen, bedurfte Geschick und Präzision. Saßen sie gut, konnte das Element in die Luft gehoben und oben von den Bauarbeitenden entgegengenommen und platziert werden.
Bautafel
Architektur: Studioninedots, Amsterdam
Projektbeteiligte: Buro Sant en Co, Den Haag (Landschaftsarchitektur); Dura Vermeer Midden West, Cruquius (Bauunternehmen), Nieman Raadgevende Ingenieurs, Zwolle/Utrecht; Strackee, Amsterdam (Bauberatung); VDNDP, Hembrug (BIM; Ingenieursleistungen), Byldis, Veldhoven (Hersteller Sichtbetonfertigteile)
Bauherrin: Ymere
Standort: Spadinalaan, 1031 KB Amsterdam, Niederlande
Fertigstellung: 2022
Bildnachweis: Peter Tijhuis (Fotos); Studioninedots (Pläne)
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