Doppelhaus in Mechelen
Hervorquellender Mörtel als Protagonist der Fassade
Im belgischen Mechelen wurde in ein dicht bebauter, historischer
Stadtbaustein nach Plänen des ortsansässigen Büros dmvA in ein von
Gassen und Treppen durchzogenen Häuserblock aus renovierten,
umgebauten und neuen Gebäuden transformiert. Besonders
hervorstechend ist ein Neubau mit Backsteinhülle an der
Tessestraat, dessen aus den Fugen hervorquellender Mörtel zum
Protagonisten der Fassade wird.
Gallerie
Dorf-in-der-Stadt
Im Mittelalter bestand das Grundstück mit Namen Site Apostolinnen aus mehreren Häusern mit unterschiedlichen Besitzern. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts kam die apostolische Gemeinschaft nach Mechelen und kaufte das gesamte Areal inklusive aller darauf befindlichen Gebäude. Sie erweiterten den Komplex durch neue Häuser und den Kauf angrenzender Grundstücke. Später entwickelte sich die Parzelle erneut zu einem Wohnkomplex, bis 1926 eine Matratzenfabrik auf dem Gelände eingerichtet wurde, die bis zu den jetzigen Maßnahmen in Betrieb war.
Seit dem Mittelalter waren viele der kleinen Straßen und Gassen verschwunden, welche das Areal einst durchzogen. Den Verantwortlichen war es daher ein Anliegen, diese kleinmaßstäblichen öffentlichen Räume, in Form von Treppen und Wegen wieder in den Stadtbaustein zu integrieren und so ein Dorf-in-der-Stadt-Gefühl zu erzeugen.
Als ersten Auftrag führte dmvA den Umbau eines historischen
Sommerhauses aus dem 18. Jahrhundert aus, später baute das Büro
weitere Gebäude der Parzelle um, darunter ein Lagerhaus aus
derselben Zeit, das in ein Studentenwohnheim mit acht
Studio-Wohnungen umgewandelt wurde und ein Wohnhaus mit einem
überdimensional wirkenden, in Holzbauweise ausgeführtem Erker im
Obergeschoss sowie zwei Wohn- und Geschäftshäuser aus dem 19. und
20. Jahrhundert. Die historischen Ziegelfassaden der Altbauten
wurden weiß geschlämmt, wodurch sich der rote Backstein des
Neubaus markant abhebt.
Treppauf, treppab …
Hinter der expressiv gestalteten Fassade des annähernd
L-förmigen Gebäudes mit doppeltem Satteldach verbirgt sich ein
dreigeschossiges Doppelhaus. Die westliche Hälfte ist sehr schmal,
reicht dafür aber tief in den Block, wohingegen die östliche
weniger tief, aber breiter ist und einen Großteil der zur inneren
Gasse gelegenen Fassade einnimmt. Diese knickt zwischen den beiden
Haushälften ab und flüchtet gen Osten etwas nach hinten sodass sich
der Stadtraum an dieser Stelle aufweitet. Zudem sorgen die
außenliegenden Treppen des Gebäudes für eine Durchwegung des
Blocks. Die Erschließung gleicht einem verwinkelten Parcours mit
zahlreichen Stufen: Ein Durchgang führt von der Tessestraat an der
Südseite der Häuser vorbei, über eine schmale, gemauerte
Außentreppe zwischen dem Neubau und dem Erker-Haus und schließlich
über weitere Treppen zu den Eingängen an der Nordseite. Das
westlichere der beiden lässt sich ebenerdig betreten, die Haustür
des anderen liegt hingegen im ersten Obergeschoss.
An der Süd- und Westfassade befindet sich jeweils ein
großformatiger, kantiger Erker, der über die gesamte Höhe bündig
mit der Fassade verglast wurde. Auch alle weiteren Fenster und
Fenstertüren sind raumhoch dimensioniert. Ihre filigranen,
schwarzen Rahmen wurden allerdings in die Mauerlaibung
zurückversetzt.
Rohes Mauerwerk
Der Neubau sticht nicht nur durch das rötliche Verblendmauerwerk aus dem Ensemble hervor: Der
aus den Fugen der Fassade hervorquellende Mörtel, der 12 bis 15 mm
dick aufgebracht wurde, wirkt durch seine unkontrollierte
Formgebung besonders haptisch und verleiht dem Gebäude etwas Rohes,
Unfertiges. Der Bau sei aus minimalen Details konstruiert, die
maximal ausgeführt worden seien, so die Architektinnen und
Architekten. Im gestalterischen Kontrast dazu stehen die präzisen
Geometrien der Fensteröffnungen und Erker.
Die 39 cm starken Außenwände des Gebäudes sind zweischalig ausgeführt mit einem Hintermauerwerk aus Porenbetonsteinen. Für die Vormauerschale kam ein stranggepresster Ziegel in den Abmessungen 210 x 100 x 50 mm zum Einsatz, der im mittleren Läuferverband mit dick aufgetragenem weißen Mörtel vermauert wurde. Der Wandaufbau sieht wie folgt aus: Sichtmauerwerk aus Ziegelsteinen (100 mm), Hinterlüftung (20 mm), Wärmedämmung (120 mm), Porenbetonstein (140 mm) und Innenputz (10 mm).
Die Ziegelsteine wurden neben dem Sichtmauerwerk auch für die Freiflächen verwendet. Hier kommen sie in Form von massiven Brüstungen, Treppen und gepflasterten Böden zum Einsatz. -lw
Bautafel
Architektur: dmvA, Mechelen
Projektbeteiligte: ASB, St.Vith, Belgien (Tragwerksplanung); FD, Belgien (Bauleitung); Groosa (Brandschutz)
Bauherr/in: Phase 1: Visbende, Mechelen; Phase 2: AB nv, Mechelen; Phase 3: B-apart, Mechelen
Fertigstellung: 2018
Standort: Onze-Lieve-Vrouwestraat / Tessestraat, 2800 Mechelen, Belgien
Bildnachweise: Bart Gosselin, Melsele; dmvA, Mechelen
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