_Mauerwerk
Corner House in Peckham
Viktorianische Formensprache zeitgenössisch interpretiert
Einem Reiheneckhaus kommt im Stadtgefüge meist eine besondere Stellung zu. Es hat die Aufgabe, die zwei angrenzenden Straßenzüge zu verbinden. Das dreistöckige Corner House im Stadtteil Peckham im Süden Londons liegt auf einem ehemaligen Gartengrundstück an zwei sich kreuzenden Straßen mit Bauten im viktorianischen Stil. Das neue Eckhaus muss sich daher einerseits an die Reihenhäuser des Talfourd Place anfügen, ist andererseits aber auch die Schnittstelle zur Denman Road mit ihren heterogenen Haustypen. Für das mit der Planung betraute Büro 31/44 Architects war es wichtig, eine moderne Architektur zu kreieren, die sich dennoch mit dem Charakter und der Struktur der Nachbarschaft verbindet. Entstanden ist eine zeitgenössische Interpretation eines typischen viktorianischen Vorstadthauses.
Gallerie
Feine Unterschiede
Das Planungsteam entwarf den Neubau als Haus mit drei
Schlafzimmern. Zu dem Auftrag gehörte aber auch der Umbau des
Nachbarhauses in eine Wohnung für zwei Personen sowie eine
Maisonette-Wohnung. Das Flachdach des Neubaus führt die Traufkante
der Reihenhäuser weiter. Auch die klassischen Treppenaufgänge
übernehmen die Architekten gestalterisch. Doch der aufmerksame
Passant erkennt die feine, spielerische Täuschung: Der Eingang
liegt nicht erhöht, sondern im Souterrain. Die vermeintliche Tür im
Obergeschoss ist lediglich ein Fenster. Auch das metallene Vordach
ist auf den ersten Blick nicht als solches zu erkennen, sondern
scheint ein Teil der Treppe zu sein. Größe und Platzierung der
Fensteröffnungen orientieren sich an den existierenden
Reihenhäusern, sind aber zeitgenössisch ausformuliert und wechseln
sich an der Ostfassade mit blinden Fenstern ab.
Eckhaus mit Rundung
Das geschwungene Eckprofil des Baus hat eine ikonische Wirkung für
die Kreuzung und spiegelt die Linie des Gebäudes an der
gegenüberliegenden Straßenecke wider. Nach hinten treppen die
Geschosse ab. Das erste Stockwerk geht in einen größtenteils
verglasten Pavillon über, dessen vertikale Sprossen aus dunklem
Holz vor neugieren Blicken schützen und das Sonnenlicht filtern.
Zugleich verleihen sie dem Gebäudeteil die Anmutung eines
viktorianischen Wintergartens. Das Souterrain öffnet sich ebenfalls
über nahezu deckenhohe Verglasungen zu einem kleinen, als Patio
gestalteten Garten mit Terrasse.
Räume am Schnürchen
Aufgrund der geringen Breite des Hauses liegen die Räume alle
hintereinander wie Perlen an einer Schnur. Auf den Eingangsbereich
folgt das Esszimmer, das nahtlos in die offene Küche und das
Wohnzimmer mit Zugang zum Patio übergeht. Lediglich ein Gäste-WC
ist räumlich von der Küche abgetrennt. Im ersten Obergeschoss
befindet sich jeweils nach vorne und hinten raus ein Schlafzimmer
und dazwischen ein großes, gemeinsam genutztes Bad. Auf der
obersten Ebene liegt das Hauptschlafzimmer mit angeschlossenem Bad
und mit einer Ankleide.
Die Innenräume sind im skandinavischen Stil möbliert, die Wände
weiß verputzt. Während im Souterrain hellgrauer Estrich als
Bodenbelag zum Einsatz kommt, erhielten die Schlafräume einen
honigfarbenen Holzboden, der wärmer wirkt. Passend zu den dunklen
Fensterrahmen sind unterhalb der Fenster dunkle Heizkörper
angebracht – eine Ausnahme bildet die unterste Etage, dort wurde
eine Fußbodenheizung verlegt. Eine gestalterische Besonderheit sind
zudem die graugrün lackierten, deckenhohen Türen zu den
Schlafzimmern, die die Räume optisch strecken. Verantwortlich für
das Interior Design ist die Bauherrin selbst.
Mauerwerk: Tradition neu interpretiert
Für die Fassade bedienten sich die Architekten bei den etablierten,
dekorativen Motiven von viktorianischen Reihenhäusern und
übersetzen diese in eine minimalistische Sprache. Das Reiheneckhaus
ist in helle, beige-graue Backsteine gehüllt, die im Läuferverband
verlegt wurden. Damit unterscheidet sich die Fassade in den Details
von ihren historischen Nachbarn. Der dort verwendete, zumeist
rötliche Backstein
ist im Blockverband
vermauert. Die abgerundete Ecke wurde aus Binderschichten erstellt.
Massive Betonstürze über den Fensteröffnungen kontrastieren mit dem
traditionellen Mauerwerk. Der Beton findet sich auch in der
Eingangstreppe und den neuen Fensterstürzen des im selben Zuge
renovierten Nachbarhauses.
Die Außenwände sind einschalig mit Zwischendämmung aufgebaut.
Über Mauerwerksanker ist die Vormauerschale mit dem tragenden
Hintermauerwerk verbunden. Der insgesamt sehr schlanke Wandaufbau
wurde auch dadurch ermöglicht, dass die Zwischendecken in Holz
ausgeführt wurden.
Die Vormauerziegel
kamen nicht nur in der Gebäudehülle zum Einsatz, sondern wurden
auch im Vorgarten als Pflasterstein im Opus-spicatum-Muster
eingesetzt. -sh
Bautafel
Architekten: 31/44 Architects, London
Projektbeteiligte: Martin’s Builders & Decorators, London (Bauunternehmer); David Salter Associates, London (Bauingenieur); Sara Mungeam, London (Innenraumgestaltung)
Bauherrin: Sara Mungeam, London
Fertigstellung: 2019
Standort: 14 Talfourd Place, London SE15 5NW
Bildnachweis: Rory Gardiner, London
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