Werk12 in München

Filigrane Pfosten-Riegel-Konstruktion aus Stahl und absturzsichernde VSG

Das Werksviertel-Mitte liegt im Münchner Osten, direkt zwischen den Stadtteilen Haidhausen und Berg am Laim. Das etwa 39 Hektar große Stadtquartier beherbergte bis 1996 mehrere große Industriebetriebe. Knödelgasse, Kartoffelgleis oder Zündappbogen: Die Straßennamen im heutigen Werksviertel zeugen noch von der Zeit, als Traditionsunternehmen wie Pfanni, Zündapp und Optimol das Gelände hinter dem Ostbahnhof prägten. Nachdem es anschließend 20 Jahre lang als großes zusammenhängendes Ausgeh- und Kulturquartier genutzt wurde, wird das Viertel seit 2016 mit neuen Gewerbe- und Wohnbebauungen erweitert.

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Lautmalerei am Bau

Das von MVRDV entworfene Werk 12 wurde zusammen mit N-V-O Nuyken von Oefele Architekten in der Ausführung 2019 fertiggestellt. Das Gebäude mit einer Mischnutzung aus Restaurants und Bars, Büros und einem dreigeschossigen Fitnessstudio mit Pool besticht durch seine extravagante und ausdrucksstarke Fassade mit fünf Meter hohen Schriftzügen. Die Fertigteil-Versalien bilden Ausrufe wie aus dem Comic: insgesamt sechs Worte, wie „AAHHH", „OH" oder „WOW" sind weithin im Stadtraum sichtbar. Dieses künstlerische Konzept geht zurück auf Engl & Engelmann aus München und ist eine Hommage sowohl an die Graffiti-Kultur als auch an die Werbetafeln und Schriftzüge, die den Ort seit jeher prägen. In 2021 wurde das Gebäude vom Deutschen Architekturmuseum als „Bestes Bauwerk des Jahres“ ausgezeichnet.

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Reduzierte Materialität und durchdachte Bewegungsabläufe

Der Neubau kombiniert eine einfache Formsprache und reduzierte Materialität mit transparenten Fassaden und einem ausgeklügelten Durchwegungskonzept. Die Fassadenebene ist gegenüber der Geschossplatten um 3,25 Meter nach innen versetzt, sodass umlaufende Terrassen bzw. Laubengänge entstehen. Neben einem äußeren Erschließungskern an der Nordostseite des Gebäudes schlängelt sich im Bereich der Laubengänge eine außenliegende, verglaste Treppe kaskadenartig um das Gebäude herum nach oben. Diese öffentliche Erschließung lässt den Übergang zwischen Innen und Außen verschwimmen, sodass eine Interaktion zwischen den Innenräumen und den externen halböffentlichen Bereichen entsteht.

Nachts verändert sich die Anmutung der geometrisch stringenten Kubatur dank eines ausgeklügelten Lichtkonzepts: Die großen Buchstaben am äußeren Rand der Geschossebenen leuchten in verschiedenen, wählbaren Farben. An den Unterseiten der Dachüberstände finden sich zudem schmale, durchlaufende LED-Bänder, die je Etage um 90° verdreht sind. Die Außentreppen strahlen wiederum eine kältere Lichtfarbe ab. Zusammen mit der Innenraumbeleuchtung, die ebenfalls durch die gläserne Fassade nach außen scheint, entsteht ein dynamisches, variantenreiches Erscheinungsbild.

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Freie Grundrissgestaltung und doppelte Raumhöhen

Typisch für Bauten von MVRDV bestimmen offene Grundrisse mit eingestellten Volumen und zonierender Möblierung den Innenraum. Die freie Grundrissgestaltet wird beim Werk12 auch dadurch ermöglicht, dass die Erschließung nach außen gebracht wurde und nicht als Kern im Innenraum liegt. Das Gebäude ist somit auch flexibel an zukünftige Nutzungen anpassbar. Die stattliche Geschosshöhe von 5,50 Metern erlaubte zudem die Umsetzung von Zwischenebenen sowie Galerien auf den eingestellten Raumelementen, sodass spannungsvolle Raumgefüge und Sichtbeziehungen entstehen.

Filigrane Fassadenkonstruktion

Um die effektvollen Schriftzüge in den Vordergrund zu rücken, sollten die Stahl-Glas-Konstruktionen so reduziert wie möglich gehalten werden. Zur Anwendung kam eine Stahl-Glas-Fassade als Pfosten-Riegel-Konstruktion mit einer reduzierten Profilansicht von nur 50 Millimetern. Prägende Elemente sind die breiten, umlaufenden Rahmen und die beiden Pfosten in Feldmitte mit einer Tiefe von jeweils 120 Millimetern. Außerdem wird jedes Glasfeld in 3 Metern Höhe durch einen filigranen Riegel mit einer Tiefe von nur 95 Millimetern geteilt.

Schall- und Sonnenschutz

Die Ausfachung der Pfosten-Riegel-Fassaden erfolgte mittels 2-fach-Isolierverglasungen. In Abhängigkeit der Schallschutzanforderungen (z. B. im Clubbereich des 4. OG bis zu Rw > 44 db) wurden Außen- und Innenscheibe als Verbundsicherheitsglas aus 2 x 6 mm bzw. 2 x 4 mm Floatglas ausgebildet. Die Zwischenschicht ist dabei aus 0,76 mm oder 1,52 mm PVB ausgeführt. Der Scheibenzwischenraum ist mit Argon gefüllt und weist eine Dicke von 16 mm auf.

Die Verglasungen sind als Sonnenschutzverglasung (Beschichtung auf Pos. 4) ausgeführt. Sie weisen eine Lichtdurchlässigkeit von 68 %, einen Gesamtenergiedurchlassgrad von 35 %, eine außenseitige Lichtreflexion von 15 % und einen Wärmedurchgangskoeffizienten von UG = 1,0 W/(m2K) auf. Verglasungen mit geringeren Schallschutzanforderungen wurden einheitlich mit 0,76 mm umgesetzt. Für die Isolierverglasungen der Faltschiebeelemente des Bistros im Erdgeschoss kamen für Innen- und Außenscheibe monolithische Einscheibensicherheitsgläser der Dicke 6 mm zur Anwendung.

Bedingt durch die außenliegenden Treppen sind die Betondecken sehr hohen Lasten ausgesetzt; daher war in diesen Bereichen besonders auf die konstruktive Umsetzung der Fassadenkonstruktion zu achten. Die auf die Hülle auftreffenden Lasten werden über den Querriegel seitlich in die Betonkonstruktion abgetragen – weshalb die derart hoch belasteten Riegel innen mit einem Stahlfach ertüchtigt wurden.

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Absturzsichernde Treppenverglasungen

Der umlaufende Treppenraum ist nach Außen hin mit 2-fach Verbundsicherheitsverglasungen abgeschlossen, die als Modellscheiben zwischen der oberen und unteren Linienlagerung einachsig spannen. Der Glasaufbau besteht aus 2 x 6 mm TVG sowie in Teilbereichen aus 2 x 8 mm TVG mit einer Zwischenschicht von jeweils 0,76 mm PVB. Zur Reduktion der solaren Absorption sind die Gläser als Sonnenschutzverglasungen realisiert. Die Verglasungen sind als absturzsichernde Verglasung der Kategorie C3 nach DIN 18008-4 Glas im Bauwesen - Bemessungs- und Konstruktionsregeln - Teil 4: Zusatzanforderungen an absturzsichernde Verglasungen mit innenseitig vorgesetztem lastabtragenden Holm ausgebildet. Da die Treppe auch als Fluchtweg fungiert, führen von allen Ebenen erforderliche Fluchttüren nach draußen. Diese sind gemäß dem Fassadenraster knapp drei Meter hoch und einbruchhemmend in der Widerstandsklasse RC2 ausgeführt.

Bautafel

Architektur: MVRDV, Rotterdam; N-V-O Nuyken von Oefele Architekten BDA und Stadtplaner, München
Projektbeteiligte: Jühling & Partner Landschaftsarchitekten bdla, München (Landschaftsarchitektur); MasterPlan, München (Projektsteuerung); Wolf + Bogatic PartG Ingenieurbüro für Tragwerksplanung, München (Tragwerksplanung); Brandschutz Kaefer, Grafing bei München (Fachplanung Brandschutz); PMI Ingenieure, Unterhaching (Bauphysik); Ingenieurgesellschaft Teuber + Viel, München (Fachplanung Gebäudetechnik); EtroPlan, München (Fachplanung Elektrotechnik); Zausinger, München (Elektroinstallation); GLASS Bauunternehmung, Mindelheim (Rohbau); Pazdera, Coburg (Fassade); Ortner Anlagenbau Anlagentechnik, München (Heizung, Klima, Lüftung); Beate Engl und Christian Engelmann, München (Kunst)
Bauherr/in: OTEC, München
Fertigstellung: 2019
Standort: Speicherstraße 20, 81671 München
Bildnachweis: Ossip van Duivenbode; MVRDV

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