Firmenzentrale Hahn + Kolb in Ludwigsburg
Mit Wärmepumpen, Geothermie und Photovoltaik zum Passivhaus-Standard
Als die Firmenzentrale des Unternehmens Hahn + Kolb Werkzeuge in Stuttgart-Feuerbach aus allen Nähten zu platzen drohte, machte man sich auf die Suche nach einem neuen geeigneten Standort, der auch über Kapazitäten für künftige Expansionen verfügt. Im 20 Kilometer entfernten Ludwigsburg wurde das Unternehmen fündig und ließ auf einem 4,8 Hektar großen Grundstück nach Plänen des Stuttgarter Architekturbüros Sigrid Hintersteininger sein neues gläsernes, als Passivhaus konzipiertes Vertriebs- und Technologiezentrum mit angrenzender Logistikhalle errichten.
Gallerie
Die Firmenzentrale mit einer Bruttogeschossfläche von 11.000 m² ist im Südosten des Grundstücks platziert. Hier grenzt sie mit ihren schrägen Südfassaden direkt an eine Kleingartensiedlung. Auf den anderen drei Seiten fassen Straßen das Gelände ein. Im Westen befindet sich die Logistikhalle mit ihrem hoch technisierten Shuttle- und Hochregallager. Sie verläuft parallel zu einem bestehenden Industriegebäude und bietet in etwa 12.000 m². Der Parkplatz erstreckt sich im Nordosten des Grundstücks; die verbleibenden Flächen sind größtenteils begrünt, inklusive einem kleinen Biotop.
Das Vertriebs- und Technologiezentrum setzt sich aus zwei Baukörpern mit trapezförmigen Grundrissen zusammen, die zwar äußerlich getrennt, innerlich jedoch eine Einheit ergeben. Der größere der beiden Körper ist fünfgeschossig und mit Ausnahme der Südseite rundum verglast. Er kragt auf der einen Seite ab dem zweiten Obergeschoss aus und bildet darunter eine Schräge, während auf seiner Rückseite eine 45° geneigte Fläche Dach und Fassaden in einem ist. An seiner Westfassade schließt etwas versetzt der zweite, flachere Baukörper an. Mit seinen drei Geschossen und einer steil geneigten Fassade tritt er im Süden deutlich aus der Bauflucht hervor. Auf der gegenüberliegenden Nordseite neigt sich seine Fassade ebenfalls, allerdings nicht ganz so steil, inklusive einer begehbaren Freitreppe.
Der Haupteingang liegt an der Nordseite des größeren Baukörpers. Das Foyer im Inneren ist mit hohem Luftraum unter der Glasschräge ausgebildet, ihm folgen mehrere Ausstellungsflächen. Weiterhin bietet das Erdgeschoss Platz für einen Schulungsraum, Büros, Sanitärräume, Nebenräume, die Küche und ein zweigeschossiges Firmenrestaurant. Das Restaurant mit Lounge ist auch separat über eine Terrasse zu erreichen, die im ersten Obergeschoss mit der großen Freitreppe verbunden ist. Alle anderen Flächen in den oberen Etagen sind entweder als Seminar- und Schulungsräume oder als Großraumbüros mit zentralen Kommunikationszonen konzipiert. Hier und da ermöglichen Trennwände flexible Raumaufteilungen. Für eine ausreichende Belichtung und Belüftung tiefer im Gebäude liegender Räume sorgt der längliche Patio, der sich über alle Geschosse hinweg erstreckt.
An fast allen Seiten ist die Gebäudehülle des Stahlbetonskelettbaus als Pfosten-Riegel-Fassade mit dreifach-Isolier-Verglasung ausgebildet. Ein außen liegender Sonnenschutz gewährleistet die notwendige Verschattung und den sommerlichen Wärmeschutz der Innenräume und sorgt für Blendfreiheit an den Arbeitsplätzen. Aufgrund der geschlossenen, schrägen Südfassaden werden die solaren Wärmeeinträge ins Gebäude weiterhin reduziert. Hier sind anstelle von transparenten Verglasungen auf einer Fläche von 1.028 m² rahmenlose, glasgebundene Photovoltaik-Dünnschichtmodule montiert: Ein einheitliches Fugenbild, Punkthalter und Dummy-Passstücke erzielen eine homogene Oberfläche.
Gebäudetechnik
Die rund 1.250 PV-Module produzieren mit einer Gesamtleistung von
87 kWp auf ressourcenschonendem Wege Strom; durch ihr günstiges
Temperatur- und Schwachlichtverhalten ist dies auch an bewölkten
Tagen möglich. Es gibt zwei reversible Sole/Wasser-Wärmepumpen
mit einer Leistung von 250 kW, die sowohl die Gebäudebeheizung und
-kühlung als auch die Trinkwassererwärmung übernehmen. Als
Energiequelle dient ein Geothermie-Feld unterhalb des Parkplatzes.
Zwei zusätzliche Gasbrennwertkessel decken Spitzenlasten ab.
Die Wärme- bzw. Kälteverteilung innerhalb des Gebäudes erfolgt über Bauteilaktivierung der Decken und Unterflurkonvektoren an den Fassaden. Insgesamt 26 Kilometer Rohre befinden sich in den Decken. Sie geben über Strahlung die Energie an den Raum ab, daher gibt es keine störenden Zugerscheinungen. Die Belüftung des Restaurants und der Lounge sowie einiger Seminar- und Schulungsräume ist mechanisch, über Wärmerückgewinnung wird die Luft in den raumlufttechnischen Anlagen im Winter vorerwärmt bzw. im Sommer herabgekühlt. Die optimale Anpassung des Raumklimas regeln Wind-, Sonnen- und Temperatursensoren. Um versiegelte Bodenflächen auf dem gesamten Grundstück auszugleichen, wurden die Dächer der Zentrale begrünt, der Parkplatz bepflanzt und eine parkähnliche Grünfläche geschaffen. Das Dachflächenwasser wird in ein Retentionsbecken eingeleitet.
Mit einem Primärenergiebedarf von 144 kWh/m²a
unterschreitet das Vertriebs- und Technologiezentrum den
höchstzulässigen Wert gemäß EnEV 2009; bezüglich der Umweltfreundlichkeit
entspricht es dem KfW-Effizienzstandard 55.
Bautafel
Architekten: Sigrid Hintersteininger Architekten, Stuttgart (Planung und künstlerische Oberleitung); Kalis Innovation, Künzelsau (Werkplanung und Bauausführung)
Planungsbeteiligte: Mayer-Vorfelder und Dinkelacker, Sindelfingen (Tragwerksplanung); Ibb Burrer & Deuring, Ludwigsburg (Elektro); Zimmermann und Becker, Heilbronn (HLS); Horstmann + Berger, Altensteig (Bauphysik); Bauberatung Brandschutz Fakesch, Bensheim (Brandschutz)
Bauherr: Grundstücksgesellschaft Waldäcker I Ludwigsburg, Künzelsau-Gaisbach
Fertigstellung: 2013
Standort: Schlieffenstraße 40 in 71636 Ludwigsburg
Bildnachweis: David Franck Photography, Ostfildern
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