Wohnhaus in Lissabon
Ein minimalistisches Haus als Zitat
Das Bairro da Mouraria, wörtlich übersetzt das Viertel der Mauren, liegt nördlich der Alfama in Lissabon und war lange Zeit eine vernächlässigte Gegend. Viele der Häuser in den engen, steilen und verwinkelten Gassen sind heruntergekommen und verwaist und zeigen sich mit vernagelten und zugemauerten Fenstern und Türen. In der letzten Zeit wurde Mouraria jedoch als Geheimtipp wiederentdeckt, Altbauten werden restauriert und gerettet, Lücken geschlossen.
Gallerie
Ein Haus als Zitat
Eine winzige Baulücke füllt das neue Wohnhaus, das der Architekt Daniel Zamarbide in Zusammenarbeit mit dem Genfer Architekten Leopold Banchini entworfen hat. Die Flächenausnutzung ist geschickt und best möglich geplant: Während das ganze Grundstück gerade mal 100 m² misst, bietet die Wohnfläche des Gebäudes immerhin 94 m² auf vier Ebenen. Als Hommage an den kalifornischen Architekten Irving Gill tauften die Planer den Neubau Dodged House und zitieren die Bogenfenster und die schneeweiße Farbe, die Gill in seinem legendären Walter Luther Dodge House (fertiggestellt 1916 in Hollywood), ebenfalls verwendete (mehr siehe Surftipps). Das zitierte Haus in Los Angeles erlangte traurige Berühmtheit, als es 1970 trotz jahrelanger Initiativen zahlreicher Architekten, das Haus als Landmarke des Early Modern Style zu konservieren, von einem Investor abgerissen wurde, um das attraktiv gelegene Grundstück mit neuen Apartmentblocks zu bebauen. Dieses Schicksal, auch im Zuge von Gentrifizierung, droht auch vielen Häusern in den Altstadtvierteln Lissabons.
Konzeptionelles Fensterrelief
Das kleine Wohnhaus in Mouraria nimmt straßenseitig von den
benachbarten Häusern die gemauerten Lochfassaden und die
rechteckigen Fenster mit ihren Sandsteinlaibungen auf, jedoch als
konzeptionelles Relief mit sieben Blindfenstern einschließlich
geweißter Laibungen. Die Fassade passt sich somit einerseits an die
Umgebung an, während sie sich zugleich abhebt. Das Innere öffnet
sich ausschließlich zu einem Patio auf der Grundstücksrückseite. Es
ist völlig privat und so vor Blicken von Passanten
geschützt.
Innere Organisation und Belichtung
Das innere Volumen ist als ein zusammenhängender Einraum organisiert. Wohnen, Essen und Küche nehmen das gesamte Erdgeschoss ein, knapp 40 m², und öffnen sich mit einer übergroßen gläsernen Rundbogen-Drehtür zum Patio, der wiederum von geweißten Mauern umrahmt wird. Oberhalb des Küchenbereichs sind drei Galerien angeordnet. Eine Spindeltreppe verbindet zwei Schlafbereiche, jeweils mit eigenen kleinen Bädern, und einen Arbeitsplatz mit einer Bibliothek unter dem Dach. Jede der Galerieebenen wird mit einer Fenstertür belichtet, die mit dem charakteristischen Rundbogen aufwartet. Über dem Wohnbereich ist ein viergeschossiger Luftraum ausgebildet, der luftig, hell und großzügig wirkt. Hoch oben, über einer Lisene, die die gassenseitige Fassade gliedert, erhält auch dieser Luftraum Licht durch ein einziges Bogenfenster zur Gasse.
Farben und Licht
Die Farben des Hauses sind konzentriert auf weiß getünchte Wände, weiße Kacheln, weißen Marmor bei den Arbeitsplatten, die weiß lackierte Spindeltreppe, ebenfalls weiß lackierte Brüstungsgeländer der Fenstertüren, weiße Rahmen der Fenster und Türen, hellgrauen Sichtbeton und den hellblauen Himmel Südeuropas. Obwohl alles minimalistisch und reduziert ist, entfalten Volumen und Licht so eine beeindruckende räumliche Wirkung.
Das Dodged House in Lissabon wurde beim Häuser Award 2020
ausgezeichnet und für den Mies van der Rohe Prize 2022 nominiert.
-sj
Bautafel
Architektur: Daniel Zamarbide und Leopold Banchini, Lissabon und Genf
Projketteam: Carine Pimenta, Joana Duarte, Miguel Gomes
Bauherrschaft: privat
Fertigstellung: 2019
Standort: Bairro da Mouraria in Lissabon, Portugal
Bildnachweis: Dylan Perrenoud, Genf