Lost Place
Dornröschenschloss, Urbex, Re-Use
Die wortwörtliche Übersetzung von Lost Place als verlorener Platz ist irreführend. Vielmehr handelt es sich um leerstehende, ungenutzte, aufgegebene, sich selbst überlassene und damit im übertragenen Sinn vergessene Bauwerke. Lost Places sind ebenfalls Reste von Industrieanlagen oder Infrastruktur, Bauwerke im Prozess des Verfalls sowie Ruinen. Sobald die Natur – Spontan- und Ruderalvegetation, Pilze, Moose und Flechten, Kletter- und Rankpflanzen – diese Bauten und Relikte überzieht und überwuchert, erinnern sie unweigerlich an ein Dornröschenschloss.
Gallerie
Vandalismus, Hausfriedensbruch, Einsturzgefahr
Zur Verhinderung der unbefugten Inbesitznahme und Beschädigungen durch Vandalismus sind derartige Bauten meist mit Zäunen und Absperrgittern gesichert. Fenster und Türen werden häufig mit Tafeln oder Latten versperrt, respektive Öffnungen zu Blindfenstern vermauert. Ein Betreten ohne Erlaubnis ist illegal und kann als Hausfriedensbruch geahndet werden. Grundsätzlich kann ein Hineinklettern auch äußerst gefährlich sein, beispielsweise wenn Einsturzgefahr durch Instabilität und Mängel im Tragwerk mit Fehlstellen wie Löchern in Boden und Decken droht.
Ruinenromantik, Urban Exploring/Urbex
Die Beschäftigung mit Lost Places ist vergleichbar mit der Ruinenromantik und Antikensehnsucht des 18. und 19. Jahrhunderts. So malte und zeichnete der Franzose Hubert Robert (1733-1808) derart viele echte wie imaginäre Ruinen, dass ihn der Philosoph Denis Diderot (1713–1784) Robert des ruines, „Ruinen-Robert“, nannte.
Heutige „Urban Explorer“ erkunden neben Ruinen bevorzugt städtische Infrastruktur wie Kanalisation oder U-Bahn-Tunnel. Als Blogger veröffentlichen sie ihre Fotografien und Videos überwiegend unter Pseudonymen wie „Cave Clan“, „Stalker“ oder „Trümmer Lümmler“, um nicht in juristische Schwierigkeiten zu geraten. Der Verein Berliner Unterwelten bietet legale zeitgeschichtliche Führungen beispielsweise durch Bunker an. Er gibt dazu gezielt Hinweise zu Mindestalter, geeignetem Schuhwerk und Kleidung, um die Sicherheit der Gruppe zu gewährleisten (siehe Surftipp).
Kulisse, Re-Use
Tatsächlich üben Lost Places auf viele Menschen einen ästhetischen Reiz aus. Sie wirken morbide-düster und symbolisieren Zeit und Vergänglichkeit. Diese besondere Atmosphäre führt dazu, dass Lost Places als Kulissen beliebt sind, für die jeweils Teile ertüchtigt und gesichert werden. Die teilweise Reaktivierung ermöglicht Nutzungen für Veranstaltungen verschiedenster Art, etwa Festivals, Performances oder künstlerische Pop-Up-Installationen. Ein Beispiel für eine temporäre Nutzung ist das Melt-Festival auf dem Gelände des Freilichtmuseum Ferropolis, einem ehemaligen Braunkohle-Tagebau mit fünf Großgeräte-Baggern in Sachsen-Anhalt. Die Ruine des Heidelberger Schlosses wird jedes Jahr im Sommer mit einer Lichtshow aus Bengalischen Fackeln und Feuerwerk bespielt.
Ein Beispiel für das vollständige Re-Use eines Lost Place ist
die Feuerle Collection in Berlin. Ein ehemaliger
Telekommunikationsbunker aus dem Zweiten Weltkrieg wurde nach
jahrzehntelangem Leerstand von John Pawson und Désiré Feuerle zu
einem Kunstmuseum transformiert. Die Dunkelheit der fensterlosen
Räume und die authentisch gelassenen rohen Oberflächen sind Teil
der sorgfältig kuratierten Privatsammlung asiatischer und
zeitgenössischer Kunst (siehe Surftipp). Weitere Beispiele
für ein Re-Use von Bunkern finden sich mit der Sammlung Boros in Berlin und dem ehemaligen
Flakturm IV in Hamburg der mit einem
öffentlichen Stadtgarten aufgestockt wurde. -sj
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