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Innovations- und Gründerzentrum FounderLAB in Würzburg
Neubau mit Strahlkraft für kreative Köpfe
Auf leicht erhöhtem Platz, eingebettet in eine Parkanlage im Osten von Würzburg lagert ein glänzender Baukörper: das Innovations- und Gründerzentrum FounderLAB. Der Neubau ist Bestandteil eines Stadtentwicklungsprojekts, bei dem ein ehemaliges Kasernengelände inklusive Flugplatz der US-amerikanischen Armee in das öffentliche Quartier „Hubland" umgewandelt wird. Neben Wohnbauten entstehen auf dem 135 Hektar großen Areal der einstigen Leighton Barracks Erweiterungen der nahe gelegenen Universität Würzburg. Die 2018 zur bayerischen Landesgartenschau angelegten Grünanlagen verbleiben.
Gallerie
Erhalten von früher ist auch die vormalige Start- und Landebahn, die das Gelände in Ost-West-Richtung durchschneidet. An dieser liegt zentral das Gründerzentrum. Junge Unternehmen können hier ihre Geschäftsideen weiterentwickeln, konkretisieren und Prototypen umsetzen. Nutzer ist das Zentrum für Digitale Innovationen (ZDI) Mainfranken; Konzeption und Entwurf stammen vom Fachgebiet Entwerfen und Gebäudetechnologie, Fachbereich Architektur der TU Darmstadt. Das Gründergebäude in Würzburg basiert auf dem Konzept von „Cubity", das derzeit in Frankfurt am Main als LivingLAB erforscht wird. Das Wohnprojekt wird mit dem FounderLAB für die Nutzung Arbeiten adaptiert. Die Genehmigungs- und Ausführungsplanung erfolgte durch Henne Schönau Architekten.
Von Glas und Polycarbonat umhüllt
Auf quadratischem Grundriss mit 16 Metern Kantenlänge erhebt sich
der 9,50 Meter hohe Bau, der mit einem Flachdach abschließt.
Während der untere Teil der Außenhülle aus einer
Pfosten-Riegel-Fassade mit Dreifachverglasung besteht, ist das
überhohe Obergeschoss von transluzenten
Polycarbonat-Mehrstegplatten umschlossen. Sie sind mit einem
dunklen Raster bedruckt, von dem sich verschiedene Motive in Weiß
absetzen. So ziert ein überdimensionaler Papierflieger die
westliche Ansicht. Im Norden und Osten sind Ausschnitte einer
Faltanleitung zu sehen, an der Südseite prangen Versalien und geben
die Adresse kund.
Hinter der transparenten Fassade ist die Konstruktion sichtbar: Auf einer Stahlbetonbodenplatte steht das Primärtragwerk aus je drei v-förmigen Holzstützen je Seite. Ein Sekundärtragwerk als horizontaler Fassadenriegel dient der Aufnahme der Verglasung und PC-Platten. Das Dachtragwerk ist ein Trägerrost aus Brettschichtholz (BSH).
Raum in Raum Prinzip
Das Gebäude verfügt über vier Zugänge, die unauffällig in die
Glasfassade eingebunden sind. Der Haupteingang befindet sich im
Süden: Hier leitet eine verglaste Doppelflügeltür durch einen
Windfang in das Gebäudeinnere. Es ist als stützenfreier, acht Meter
hoher Raum ausgebildet, in den fünf hölzerne Boxen aus hellem
Brettsperrholz mit unterschiedlichen Höhen und je zwei Ebenen
eingestellt sind. Einbaumöbel aus demselben Material bieten
Stauraum und Sitzgelegenheiten. Feste Einbauten für Technik,
Sanitärräume und Prototypenwerkstätten gliedern den Grundriss, im
Zentrum befindet sich eine offene Coworking-Zone. Entlang der
Fassade sind hauptsächlich Gemeinschaftsflächen und Bereiche für
temporäre Arbeitsplätze angeordnet, rechts vom Haupteingang
befindet sich das offen gestaltete Plenum.
Offene und ruhige Arbeitsbereiche
Die Raumstruktur ist für den Austausch der Gebäudenutzer entwickelt
worden, bietet aber auch Rückzugsräume für konzentriertes Arbeiten
oder Entspannung. Insgesamt stehen 20 Arbeitsplätze auf einer
Nutzfläche von 278,65 Quadratmetern zur Verfügung. Neben den drei
Werkstätten Mechanik, Elektronik und Additive gibt es
Start-up-Büros, Aufenthalts- und Besprechungsräume sowie eine
offene Teeküche an der Süd-Westecke. An diese schließt ein Aufgang
in die obere Ebene an. Eine zweite Treppe befindet sich auf der
gegenüberliegenden Seite im Osten. Brücken mit Brüstungen aus
weißem Streckmetall verbinden die einzelnen Quader.
Die in Holzständerbauweise errichteten Innenwände sind mit Mineralwolle gedämmt und weisen perforierte Oberflächen auf – beides dient einer Verkürzung der Nachhallzeit und verbessert so die Akustik und Sprachverständlichkeit. Die Decken bestehen aus Brettsperrholz und sind innerhalb der Raummodule zur einfachen TGA-Installationsführung abgehängt. Bewegliche transluzente Plexiglaselemente mit inhärenter Wabenstruktur können in den Arbeitsboxen als akustische Abschirmung vor die Öffnungen geschoben werden und trennen Einzelräume ab.
Elektro: Regenerative Stromversorgung
Für die Energieversorgung ist auf dem Flachdach eine
Photovoltaikanlage mit einer Spitzenleistung von 21,6 Kilowatt Peak
montiert. Die durch Solarstrahlung erzeugte elektrische Energie
dient neben der Versorgung der Kühl- und Heizanlage auch der
Deckung des Grundlastbedarfs in der Nacht und am Wochenende.
Durchlauferhitzer übernehmen die Warmwasserbereitung. Der Anschluss
des FounderLAB an das Netz des städtischen Energieversorgers
erfolgt über eine Hausanschlusssäule außerhalb des Gebäudes mittels
einer Leerrohrverbindung in den Elektrotechnikraum. Die
Stromversorgung innerhalb des Gründerzentrums ist im Erdgeschoss
über entsprechende Versorgungstanks in Bodenkanälen, die mit
Estrich überdeckt sind, gewährleistet. Im Obergeschoss wird die
Elektroversorgung über Einbauten in den Wänden geführt.
Heizen und Kühlen
Die Temperierung erfolgt über eine VRF-Kühlanlage (Variable
Refrigerant Flow = variabler Kältemittelmassenstrom) mithilfe von
konditionierter Luft. Das System ist als Zweileitersystem verbaut,
in dem das Kältemittel sowohl zum Kühlen als auch zum Heizen
verwendet wird. Die Module können ganzjährig je nach Jahreszeit und
jeweiliger Anforderung als Kältemaschine oder als Wärmeerzeuger
betrieben werden. Die erforderliche Leistung wird durch einen
Frequenzumrichter automatisch und stufenlos an den aktuellen
Heizwärme- oder Kühllastbedarf angepasst. Überwiegend in den
Einzelbüros und Werkstätten installierte Deckengeräte führen die
gekühlte oder erwärmte Luft ein. Abgeführt wird sie hauptsächlich
über Lüftungsschlitze in den Decken im Bereich der Auskragungen des
Obergeschosses wie beispielsweise der Teeküche, dem Plenum und dem
nordwestlichen Coworking-Bereich. Für das VRF-System ist im
Technikraum ein Bedientableau als zentrale Steuerung
angebracht.
Für die Raumlufttechnik (RLT) wird ein Kompaktlüftungsgerät mit
1.750 m³/h und Wärmerückgewinnung eingesetzt. Das Gebäude wird
dabei als ein gesamter Luftverbund behandelt, nur die Werkstätten
und Sanitärbereiche erhalten separat Zu- und Abluft. Die Steuerung
der RLT-Anlage ist über ein Wochenendprogramm voreingestellt, lässt
sich aber auch manuell bedienen, sodass die Lüftung an die
Gebäudenutzung angepasst werden kann.
Steuerung der Lüftungsöffnungen
Zur Nachtauskühlung wird zum einen die Speichermasse der
Bodenplatte aus Stahlbeton genutzt. Die Dämmung der Platte ist
ausschließlich unterseitig angeordnet; der Bodenaufbau besteht
unter anderem aus 80 mm Zementestrich einschließlich Spachtelung.
Thermisch günstig positionierte Lüftungsöffnungen auf Geländeniveau
in der Pfosten-Riegel-Fassade im Erdgeschoss und in den vier
quadratischen Flachdachfenstern unterstützen die passive Auskühlung
des Innenraums. Die Lüftungsöffnungen werden je nach Wetterlage
über Wind-, Regen- und Temperatursensoren gesteuert und motorisch
geöffnet beziehungsweise geschlossen.
Automatisierter Sonnenschutz
Für sommerlichen Wärmeschutz sorgen im Erdgeschoss innen liegende
Sonnenschutzrollos sowie motorisch betriebene Außenrollos an den
vier Lichtkuppeln. Für die Polycarbonatfassade im Obergeschoss
wählten die Planer eine neu entwickelte Lösung: Die Elemente sind
mit einer Rastergrafik aus dauerhaften, matt reflektierenden Lacken
bedruckt, die den Wärmeeintrag reduzieren. Zusätzlich kommt auf der
Innenseite ein Sonnenschutzvorhang zum Einsatz. Auch dieser ist mit
einem Motorantrieb ausgestattet. Das Textil in hellblauer Farbe ist
rund 5,30 m hoch und deckt im ausgefahrenen Zustand eine Länge von
15,50 m ab. Er läuft in runden Eckschienen über zwei Fassadenseiten
und wird automatisiert dem Sonnenstand entsprechend in Position
gefahren.
Lichtkonzept mit steuerbaren LED
Durch die transparente und transluzente Hülle erstrahlt das Gebäude
bei Dunkelheit hell von innen heraus. Mehrere Lichtstudien zur
Nachtwirkung des Neubaus bildeten die Grundlage für die Anordnung
eines umlaufenden RGBW-LED-Lichtbandes auf der Fassade. Die
steuerbare Beleuchtung wechselt die Farbe, setzt so verschiedene
Akzente und erzeugt unterschiedliche Stimmungen im Außen- und
Innenraum.
Gebäudeautomation
Als Steuereinheit für die künstliche Beleuchtung, die
Verschattungsanlage und die Lüftung wird ein Miniserver eingesetzt.
Die Steuerung der verschiedenen Systeme erfolgt über lokale Taster,
eine App oder direkt am Computer. Die Nutzer können bei Bedarf
neben den Zentralfunktionen auch individuelle Szenarien
speichern.
Bautafel
Architekten: TU Darmstadt, Fachbereich Architektur, Fachgebiet Entwerfen und Gebäudetechnologie, Professorin Anett-Maud Joppien (LP 1-4)
Henne Schönau Architekten, Frankfurt am Main (LP 5-9) mit Hofmann Keicher Ring Architekten, Würzburg (ab LP 6)
Bauherr: Stadt Würzburg, Fachbereich Wirtschaft, Wissenschaft und Standortmarketing
Projektbeteiligte: Hußenöder Ingenieure, Würzburg (Tragwerk); EPG Ingenieurgesellschaft, Gerolzhofen (Elektroplanung); Hei-Sa-Plan Planungsbüro für Gebäudetechnik Estenfeld (HLS-Planung); ZAE Zentrum für Angewandte Energieforschung Bayern, Würzburg (Energetische Beratung); Ingenieurbüro Langner, Eschborn (Nachweis sommerlicher Wärmeschutz und Akustik); Krebs- und Kiefer Ingenieure, Mainz (Nachweis EnEV und bauphysikalische Beratung); Hess Timber, Kleinheubach (Holzbau)
Fertigstellung: 2018
Standort: Hublandplatz 1, 97074 Würzburg
Bildnachweis: Thomas Ott, www.o2t.de sowie TU Darmstadt / Henne Schönau Architekten
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