Kantonales Museum für bildende Kunst in Lausanne
Geschickt abgeschirmt von den Gleisanlagen
Das nördliche Bahnhofsviertel von Lausanne wandelt sich stark: Es findet eine Konversion zum neuen städtischen Kunstareal statt. Der Masterplan für das Museumsviertel basiert auf dem Entwurf des spanischen Architekturbüros Barozzi Veiga, die 2011 als Gewinner aus dem internationalen Wettbewerb hervorgingen. Gleich drei Museumsneubauten sollen keine 500 Meter vom Hauptbahnhof entfernt das Gebiet prägen: das Fotografiemuseum Photo Elysée, das Museum für Design und angewandte Kunst (MUDAC) und das Musée cantonal des Beaux-Arts de Lausanne (MCBA). Das neue Kantonale Museum für bildende Kunst ist nach einem Entwurf von Barozzi Veiga realisiert worden. Mit strenger Geometrie spiegelt der dreigeschossige Monolith den industriellen Charakter des Ortes wider und eröffnet im Inneren neue Ausstellungsflächen, die akustisch vom Schienenverkehr abgeschirmt sind.
Gallerie
Ein neuer Ort für Kunst zwischen den Schienen: Projekt
Plattform 10
Wo zuvor alte, ungenutzte Bahnhofsstrukturen
nördlich der Gleisanlagen waren, ruht nun mit dem Kantonalen Museum
für bildende Kunst das größte der drei Ausstellungshäuser. Der
Neubau liegt als monolithisches Längsvolumen parallel zu den
Schienen und bildet den südlichen Abschluss des neuen Kunstareals.
Verbunden mit dem bestehenden Bahnhofsplatz, erzeugt das Gebäude
einen neuen urbanen Raum, der mit kunstbezogenen Aktivitäten
bespielt wird. Gleichsam einer kulturellen Allee führt der Platz
die Besucherinnen und Besucher zu den weiteren beiden
Museumshäusern. Ähnlich dem bestehenden Hauptbahnhof definiert der
Neubau des MCBA so einen neuen öffentlichen Raum. Zugleich schirmt
der Riegel mit heller Backsteinfassade das Gelände vor der
Geräuschkulisse des täglichen Zugverkehrs ab.
Backsteinfassaden mit wenigen Öffnungen
Der
Ausstellungsbau hat zur Eisenbahnseite nach Süden eine geschlossene
Fassade, die fast fensterlos ist und so die Exponate in den
Museumsräumen vor Tageslicht schützt. An dieser Seite befinden sich
Fenster lediglich vor den Sanitärräume und einem Treppenhaus – und
ein besonderes Bogenfenster erhellt den dahinterliegenden
Eingangsbereich. Denn in den Neubau ist ein bauliches Fragment als
Reminiszenz an den industriellen Ort eingebunden: Leicht aus der
Symmetrieachse verrückt befindet sich ein erhaltenes Portal mit
großen Fenster der vormaligen Zughalle. Die beiden Schmalseiten im
Osten und Westen sind gänzlich ohne Öffnungen. Im Osten jedoch ist
in der ansonsten schmucklosen Backsteinfassade der Umriss des alten
Portals als Auslassung nachgebildet.
Licht im Museum
Weniger hermetisch, sondern offener und durchlässiger zeigt sich
das Gebäude zum öffentlichen Raum in der Nordansicht, wo sich auch
der Eingang befindet. Diese Seite ist gegliedert durch gemauerte
vertikale Lamellen, die wie Wandscheiben auskragen. Dahinter werden
vereinzelt und unregelmäßig angeordnet Fenster verschiedener
Formate enthüllt. Nachts dienen diese Lamellen als Leinwand, um das
Innenlicht des Museums zu zerstreuen. Tagsüber verhindern die
tiefen Vertikalelemente, dass direktes Sonnenlicht in die
lichtempfindlichen Zonen des Gebäudes gelangt. Das
Obergeschoss wird natürlich durch nach Norden ausgerichtete
modulare Schrägfenster wie bei einem Sheddach beleuchtet, um das
Sonnenlicht zu filtern und zu lenken. Diese Dachfenster verfügen
über ein internes Jalousiesystem für die Kontrolle der in die Räume
eintretenden gedämpften Lichtmenge, um optimale Bedingungen für die
Kunstwerke zu schaffen. Im Eingangsbereich schützt zusätzlich ein
Verdunkelungsstoff vor zu viel Licht. Der Lichteinfall im mit
Fensteröffnungen versehenen Backoffice-Bereich wird reguliert durch
ein aluminium-metallisiertes, screenartiges transparentes Gewebe
als Blend- und Wärmeschutz, wobei die Sicht nach draußen erhalten
bleibt.
Klar aufgeteiltes Raumprogramm
Von dem neu
geschaffenen Platz auf der Nordseite gelangen die Besucherinnen und
Besucher durch ein gerahmten, aus der Fassade ragenden Eingang in
das großzügige Foyer, das durch das Rundbogenfester geprägt ist.
Wie eine innenliegende Erweiterung des Platzes beherbergt das
Erdgeschoss neben dem Eingangsbereich die wichtigsten öffentlichen
Nutzungen wie das Café, die Buchhandlung, das Auditorium und eine
Galerie für temporäre Ausstellungen. Im Gesamten verfügt der
dreigeschossige Bau über fünf Erschließungskerne, die neben ihrer
Aufgabe als Konstruktionselemente dazu dienen, das Raumprogramm auf
jeder Ebene zu strukturieren. Die in den Obergeschossen liegenden
Ausstellungsräume sind jeweils seitlich zum zentralen
Treppenaufgang und Luftraum des Foyers organisiert. Die
Dauerausstellung im Osten ist somit von der im Westen liegenden
Wechselausstellung getrennt. Dank der unabhängigen vertikalen
Erschließung sind neben umfassenden Ausstellungen auch kleinere,
abzutrennende Präsentationen der Sammlung möglich.
Transluzente Akustikdecke
Für einen ruhigen und
konzentrierten Museumsbesuch war eine sorgsame Akustikplanung
unerlässlich. Bereits im hohen und lichten Foyer war es notwendig
eine angenehme Raumakustik zu gewährleisten. So verfügen
beispielsweise die gewählten Verdunkelungsstoffe über einen
ausgeprägten Schallabsorptionsgrad (αw 0.85). Hingegen
nicht sichtbar ist die akustische Lösung bei der Tageslichtdecke im
Foyer: Hier wurde eine transluzente Akustikdecke eingesetzt.
Spezielle Wirkung erzeugt sie vor allem durch Effekte in der
Lichtstreuung und ermöglicht eine Hinterleuchtung durch die
Integration von Lampen. Bestehend aus farblosen Wabenkernen mit
mikroperforierten, lichtdurchlässigen Deckschichten wirkt die
Decke in einem hohen Maß schallabsorbierend. Die leichten, flexibel
montierbaren Akustikpaneele reduzieren die Nachhallzeit und
erhöhen somit die Sprachverständlichkeit im Raum. -kl
Bautafel
Architektur: Barozzi Veiga, Barcelona
Projektbeteiligte: Pragma Partenaires, Lausanne (Projektmanagement); Ingeni, Zürich (Tragwerksplanung); Chammartin & Spicher, Lausanne und Scherler, Le Mont-sur-Lausanne, BA Consluting, Etagnières (Gebäudetechnik); X-made, Barcelona, Basel (Fassadenplanung); Matí, Adliswil (Lichtplanung); Bogner.cc, Wien (Museologische Planung); Creation Baumann, Langenthal (Akustik- und Verdunkelungsstoff Secret, Blend- und Wärmeschutzgewebe Shadow); BASWA acoustic, Baldegg (Akustikdecken, öffentliche Bereiche); Design Composite, Niedernsill (transluzente Akustikdecken)
Bauherrschaft: Kanton Waadt, Generaldirektion Gebäude und Kulturerbe
Standort: Place de la Gare 16, 1003 Lausanne, Schweiz
Fertigstellung: 2019
Bildnachweis: Simon Menges, Berlin; Barozzi Veiga, Barcelona