Anneliese Brost Musikforum Ruhr in Bochum
Holzgitterwerk und Deckensegel für den guten Klang im Konzertsaal
Während zahlreiche Blicke nach Hamburg gerichtet waren und man ungeduldig der Eröffnung der Elbphilharmonie harrte, spielten in Bochum die Symphoniker bereits in ihrem neuen Haus auf. Das Anneliese Brost Musikforum Ruhr ist Teil des neu entstehenden Viktoria-Quartiers unweit des Hauptbahnhofs, das als künftiges kulturell-kreatives Viertel der Stadt geplant ist. Aus einem Wettbewerb für das Musikforum ging das Architekturbüro Bez + Kock als Sieger hervor. Die Planer schufen durch behutsames Anfügen von neuen Baukörpern an die profanisierte St.-Marien-Kirche ein dreiteiliges Ensemble als zeitgemäße Spielstätte für diverse Musikveranstaltungen. So konnte der neogotische Kirchenbau erhalten und auf der umgebenden Brachfläche Konzertsäle und Proberäume für die Bochumer Symphoniker und die städtische Musikschule geschaffen werden.
Gallerie
Die Neubauten des Musikforums aus weiß geschlämmtem Ziegelmauerwerk mit kupfergerahmten Fensteröffnungen flankieren die dunkle Backsteinkirche, deren Turm im Westen 70 Meter in die Höhe ragt. Nach Norden hin schließt sich der Multifunktionssaal für die Musikschule, nach Süden der Konzertsaal und daran ein niedrigerer Verwaltungstrakt an. Die Länge des Kirchenschiffs gibt die Breite der hellen Neubauten mit Flachdach vor, sodass im Osten entlang der Viktoriastraße die Apsis aus dem lang gestreckten Ensemble hervor ragt. Die Traufhöhe des ehemaligen Sakralbaus dient als Maß für die Dachkante des südlichen Anbaus mit dem großen Saal. Dafür wurde der Konzertsaal abgesenkt, sodass sich Bühne und Parkett im Untergeschoss befinden. Der Verwaltungstrakt und der Multifunktionssaal haben die gleiche Höhe, sind niedriger als der Konzertsaal und fügen sich proportional ausgewogen in den Stadtraum ein. Zu allen Seiten umgibt eine breite, hell gepflasterte Vorfläche das Ensemble. Vertikale Einschnitte zwischen den Baukörpern machen nach außen die unterschiedlichen Funktionsbereiche und innenräumliche Verzahnung kenntlich.
Die Kirche ist das Verbindungsglied, über den der Zugang erfolgt: In den Seiten der Apsis sind zwei Eingänge, die in das Kirchenschiff führen. Hier empfängt ein räumlich beeindruckendes Entrée mit Terzazzoboden die Besucher, sind Garderobe und Ticketschalter untergebracht. Das Foyer kann auch für zusätzliche Veranstaltungen wie Vorträge oder Lesungen genutzt werden. Zwischen Kirchenschiff und Neubauten, also zwischen Foyer und den beiden Sälen liegt jeweils ein eingeschossiger Flur. Bodentiefe Fenster sowie Deckenfenster sorgen für Tageslichtbeleuchtung des Durchgangs. Die Außenwand der Kirche wurde hier zur Innenwand, den dunklen Backsteinwänden der Kirche stehen Wände aus hellem Mauerwerk gegenüber. Hell sind auch der Terrazzoboden und die weiß verputzte Decke. Davor hebt sich die Wand mit zwei Flügeltüren aus Kupferplatten zum Konzertsaal kontrastreich ab.
Akustik
Der große Saal bietet auf drei Ebenen in
Parkett, Hochparkett, Rang, Balkon, Galerie und Empore rund 1.000
Zuhörern Platz. Er hat mit 14.000 Kubikmetern ein großes
akustisches Volumen, das durch geschickt angekoppelte Hohlräume
erzeugt wird. Die Bühne ist dabei im südlichen Teil des
längsrechteckigen Raumes positioniert, dennoch allseits von Sitzen
umgeben. Diese Anordnung des Orchesters im Saal bewirkt eine große
Nähe zum Publikum und einen guten Direktschall. Für die frühe Reflexion des
Schalls und somit für einen klaren Klangeindruck sorgen das
filigrane Stabgeflecht an der Decke, die Wand- und
Rangverkleidungen sowie Brüstungen und Boden aus Holz. Dieses
Material ist, kombiniert mit verputzten Wandflächen, das
dominierende im Saal. Eingesetzt wurde Amerikanische Kirsche, die
aufgrund ihrer ruhigen Maserung und gleichmäßigen Fasern für eine
besonders gleichmäßige Klangverteilung und gute Raumakustik
sorgt.
Die Bühne steht erhöht auf einer Podesterie aus Stahl, darauf
ist ein mehrschichtiger Aufbau (bestehend aus 60 mm Holzlager,
Trennfilz, 2 x 12 mm punktuell verschraubten Sperrholzplatten und
als Belag 19 mm dickes Parkett aus Amerikanischer Kirsche). Über
dem Podest sind zur Absorption an der Decke zusätzlich fünf gewölbte
längsrechteckige Deckensegel aus mehrlagigen Gipsfaserplatten
angebracht. Sie verbessern sowohl den Klang im Saal als auch das
gegenseitige Hören der Musiker auf der Bühne. In das hölzerne
Gitterwerk an der Decke sind Spots zur Beleuchtung integriert.
Dahinter verbergen sich weitere Technik und das Tragwerk. Die
Bestuhlung ist einheitlich mit einem hellen, scheuerfesten
Möbelstoff aus Schurwolle, Kammgarn und einem Nylonanteil bezogen.
Das Material der Stühle ist so gewählt, dass es für die Akustik im
Saal irrelevant ist, wie viele Plätze belegt sind, was insbesondere
bei Proben wichtig ist. Ein heller Vorhang aus transparentem
Akustikstoff lässt sich vor die Türöffnungen auf den Ebenen von
Empore, Balkon und Rang ziehen.
Für eine gute Akustik und reduzierten Nachhall im
Foyer wurde die Decke im Kirchenschiff abgehängt. Die Wahl fiel auf
eine akustisch wirksame Blähglasgranulatdecke. Darin eingelassen
sind trapezförmige und dreieckige spiegelnde Flächen, die mit Licht
angestrahlt werden und dieses in den Raum hinein reflektieren.
Diese Reflektionselemente sind polierte und perforierte Bleche aus
Alumium, die mit einem weiß lackierten Streckgitter bedeckt
sind.
Der nördlich an das Foyer anschließende kleine Saal ist für eine multifunktionale Nutzung ausgelegt. Hier kann die Musikschule Konzerte vor bis zu 300 Zuhörern geben, es können unter anderem Chorwerke, Kammermusik oder Jazzstücke geprobt werden. Der Saal lässt sich durch zwei schalldichte, fahrbare Trennwände in drei separate Räume teilen. -jb
Bautafel
Architekten: Bez + Kock Architekten und Generalplaner, Stuttgart
Projektbeteiligte: Mathes Beratende Ingenieure, Leipzig (Tragwerksplanung); IB Henne & Walter Ingenieurbüro, Reutlingen (TGA); BGI Gackstatter Ingenieure, Stuttgart (Elektrotechnik); Müller-BBM, Planegg (Bauphysik + Akustikplanung); The Space Factory, Lyon/Berlin (Szenografie); Kahle Acoustics, Brüssel (Akustikplanung)
Bauherr: Stadt Bochum
Fertigstellung: 2016
Standort: Marienplatz 1, Bochum
Bildnachweis: Brigida González, Stuttgart