Wiederaufbau einer Kirche in Nürnberg

Hölzernes Flechtwerk für eine gute Raumakustik

Verborgen in einem Häuserblock der Lorenzer Altstadt im Zentrum Nürnbergs lugt die Kirche St. Martha aus einer Lücke zwischen den Häusern an der Königsstraße hervor. Als einzige Kirche in der Nürnberger Innenstadt hat sie beide Weltkriege weitestgehend unbeschadet überstanden. Im Sommer 2014 zerstörte jedoch ein Feuer den 1385 eingeweihten Sakralbau bis auf die Grundmauern. Im Rahmen des Wiederaufbaus entwickelten Florian Nagler Architekten eine Rekonstruktion der Kirche in ihrer historischen Außenkontur im Zusammenspiel mit einer zeitgenössischen Innenraumgestaltung.

Gallerie

Erhalten und ergänzt: Natursteinfassade

Die südwestliche Giebelfassade des Sakralbaus ist in rötlichem Naturstein gehalten. Schmückende Elemente sind nur sehr dezent verwendet worden. Die Ansicht der Fassade lässt eine dreischiffige Basilika als Form vermuten, tatsächlich gibt es neben dem Mittelschiff insgesamt vier unterschiedlich hohe Seitenschiffe. Das Hauptaugenmerk liegt auf den drei großen spitzbogigen Maßwerkfenstern. Das größte Fenster in der Mitte ist während des Brandes irreparabel beschädigt worden und musste aus diesem Grund ersetzt werden. Unterhalb des zentralen Fensters befinden sich zwei Portale, die in das Innere der Kirche führen. Die Portale werden von gitterförmigen Intarsien geziert, ein Muster, das auch im Innenraum aufgegriffen wird. Flankiert wird die mittlere Achse von zwei massiven, kolossalen Strebepfeilern. Jeweils ein niedrigeres Fenster markiert die Seitenschiffe. An den Bau ohne Querhaus schließen im Nordosten ein Chor und Apsis sowie ein eingeschossiger Versammlungsraum an.

Das Feuer hat dem Mauerwerk verhältnismäßig wenig zugesetzt, allerdings hat das Löschwasser den Sandstein der Kirchenmauern aufgeweicht, sodass ganze Reihen des Mauerwerks ausgetauscht werden mussten. Auf diese Weise ist eine Zusammensetzung aus altem Stein, ergänzten Mauerwerksteilen und neuen Vollquadern entstanden. Nach dem Fugenverschluss wurde das Mauerwerk mit einer stark verdünnten Kalkschlämme lasierend überstrichen, sodass erst bei genauem Hinsehen die Unterschiede sichtbar werden.

Synthese aus Alt und Neu

Der Bestand sollte nach Möglichkeit erhalten bleiben und in den Wiederaufbau einbezogen werden. Reparaturen und Erneuerungen mussten feinfühlig und nur da, wo dringend notwendig mit dem Vorhandenen vereinbart werden. Außerdem gab es beim Wiederaufbau diverse denkmalpflegerische Vorgaben zu beachten. Dem Münchener Architekturbüro ist insbesondere im Innenraum der Kirche eine beeindruckende Synthese aus Alt und Neu gelungen. Im Inneren gibt es fünf Schiffe unterschiedlicher Höhe, die durch spitzbogige Arkaden voneinander abgegrenzt sind. Der historische Natursandstein der Fassade setzt sich auch drinnen fort. Glücklicherweise wurden die originalen Buntglasfenster des Chors zum Zeitpunkt des Brandes an einem anderen Ort restauriert, weshalb sie erhalten sind und an ihrem ursprünglichen Platz wieder eingebaut werden konnten.

Das Gestühl samt der Unterkonstruktion aus Holzpodesten wurde durch das Feuer allerdings vernichtet. Infolgedessen ist der historische Fußboden aus Sandsteinplatten und Backsteinpflaster zutage getreten, der nach denkmalpflegerischer Vorgabe erhalten werden musste. Auf diesen unebenen Fußboden wurde zunächst eine höhenausgleichende Dämmschicht aus Blähglasgranulat aufgebracht, den Abschluss bildet ein diffusionsoffener Stampflehmboden mit integrierter Fußbodenheizung und induktiver Höranlage. Letztere wandelt Töne in elektrische Signale um, die über eine Induktionsschleife an Hörgeräte schwerhöriger Menschen gesendet werden können. Im Bereich des Chors hat man Platten aus regionalem Solnhofener Kalkstein, die teilweise noch im Original erhalten waren, im Rosenspitzmuster in den Lehmboden eingelassen.

Akustik

Da es sich bei einer Kirche um einen Ort handelt, an dem mal mehr, mal weniger Menschen zusammenkommen, gilt es dies räumlich, funktional, atmosphärisch und akustisch zu bewältigen. Des Weiteren sind die Anforderungen an die Raumakustik nicht nur vielfältig, sondern zum Teil auch widersprüchlich. Das gesprochene Wort des Predigenden soll auch in den hintersten Reihen klar verständlich sein, während bei Gesang und Orgelklängen ein gewisser Nachhall im Raum durchaus erwünscht ist.

Für einen hervorragenden Raumklang sorgt das hölzerne Flechtwerk im Pfettendachstuhl der Kirche. Die Konstruktion aus unverleimten Weißtannenvollhölzern fungiert wie ein Diffusor, der dazu dient, Schallreflexionen zu zerstreuen. Die Unterkonstruktion des funktionalen wie dekorativen Flechtwerks besteht aus absorbierenden und reflektierenden Flächen, die sich nach schalltechnischer Erfordernis anordnen lassen, ohne dabei die ansprechende Optik der Decke zu verändern. Auf diese Weise kann auf die vielseitigen Bedürfnisse, die ein Kirchenraum an die Akustik stellt, eingegangen werden. Auch die Brüstung der Orgelempore und die Seitenwände der Kirche sind mit feinen senkrechten Holzlamellen verkleidet. Durch die Vertäfelung wird zum einen gestalterisch das Material Holz aufgegriffen, zum anderen tragen die Lamellen zur Reduzierung des Nachhalls bei, da es sich bei Holz um einen porösen Schallabsorber handelt. -np

Bautafel

Architektur (Wiederaufbau): Florian Nagler Architekten, München
Projektbeteiligte: Planungsbüro Zeiser, Nürnberg (Bauleitung); mbi Mittnacht Beratende Ingenieure, Würzburg (Tragwerksplanung); IB Wolfgang Sorge, Nürnberg (Bauphysik und Akustikplanung); ProDenkmal, Bamberg (Steinrestaurierung); Candela Lichtplanung (Lichtplanung), Kühnlein & Partner, Nürnberg (Brandschutz); TGA Ingenieurplanung GmbH, Wendelstein (Haustechnik)
Bauherrschaft: Evangelisch-reformierte Kirche, Nürnberg
Fertigstellung: 2018
Standort: Königstraße 75, 90402 Nürnberg
Bildnachweis: PK Odessa, Schels/Lanz, München

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