Amare Kulturzentrum in Den Haag
Vorhang zur Stadt
Wo einst zwischen Rathaus, Bibliothek, Programmkino und der spätgotischen Basilika Nieuwe Kerk der Dr. Anton Philipszaal und das von Rem Koolhaas entworfene Lucent Danstheater zu finden waren, erhebt sich heute im Zentrum Den Haags ein beachtenswerter quaderförmiger Baukörper mit einer rythmisch strukturierten Fassade: das Amare Kulturzentrum. Unter der Dachorganisation Amare Foundation werden in dem Neubau gleich drei renommierte Institutionen zusammengefasst: das Königliche Konservatorium, das Niederländische Tanztheater und das Residenzorchester. Entworfen wurde das Gebäude von den drei Amsterdamer Büros Network Oriented Architecture (NOAHH), Jo Coenen Architects & Urbanists (JCAU) und NL Architects. Das vielfältige Nutzungsspektrum des Kulturzentrums stellte die Planenden auch aus akustischer Sicht vor Herausforderungen.
Gallerie
Wie ein Vorhang zur Stadt
Das Amare befindet sich mitten in Den Haag südöstlich des Hauptbahnhofs am Spui, einem zugeschütteten Kanal, der heute eine der zentralen Straßen der Stadt bildet. Nördlich des Gebäudes verläuft die Fußgängerzone Turfmarkt, an der sich die Haupteingänge des Kulturzentrums befinden. Die helle Fassade des siebengeschossigen Baus lässt viele Assoziationen zu: Die sich über die gesamte Höhe erstreckenden Elemente aus Betonfertigteilen lassen an Stimmgabeln, an Bäume oder auch an sich öffnende Vorhänge denken.
Im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss messen die Abstände
zwischen den vertikalen Fassadenelementen acht bis zehn Meter und
sind damit deutlich größer als in den oberen Geschossen. Durch
diese Fassadengestaltung wird der Eindruck vermittelt, dass sich
die Fassade in diesem Bereich öffnet und dass Passanten und
Passantinnen dazu eingeladen werden, einen Blick hinter den Vorhang
zu wagen. Auf diese Weise fungieren Erdgeschoss und erstes
Obergeschoss als Erweiterung des Stadtraumes. Bodentiefe Fenster in
den oberen Etagen lassen zudem insbesondere bei Dunkelheit
Blickachsen zwischen Innen- und Außenraum zu.
Drei Institutionen unter einem Dach
Architektonisch spiegeln sich die drei Institutionen, die das
Kulturzentrum beherbergt, in Form von drei großen Aufführungs- und
Konzertsälen wider. Mit 1.500 Sitzplätzen ist der Konzertsaal des
Residenzorchesters der größte Saal des Hauses. Der zweitgrößte Saal
des Tanztheaters bietet 1.300 Personen Platz. Mit bis zu 600
Sitzplätzen bildet der Ensemblesaal den kleinsten der drei Säle.
Neben den Hauptsälen befinden sich noch zwei Probensäle in dem mit
einer Länge von 125, einer Breite von 70 und einer Höhe von 38
Metern recht kompakten Gebäude. Das Studio mit 200 Plätzen ist der
Probensaal des Residenzorchesters. Die Tänzerinnen und Tänzer
repetieren in einem Probenraum, der Black Box genannt wird.
Außerdem stehen den Mitgliedern des Orchesters, des Tanztheaters
und des Konservatoriums insgesamt 165 kleinere Übungsräume –
darunter Ateliers, Tanz- und Musikstudios – zur
Verfügung.
Maßnahmen für die Nachhaltigkeit
Die Aspekte Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit spielten bei
der Planung des Kulturzentrums eine wichtige Rolle. Nicht nur
Menschen, sondern auch Tiere sollen sich in dem neuen Gebäude wohl
fühlen. Aus diesem Grund integrierten die Planenden 50 Nistkästen
für diverse Vogelarten in die Fassade. Außerdem bauten sie
insgesamt 28 Fledermausverstecke ein. Weiterhin versorgen
Sonnenkollektoren mit einer Gesamtfläche von 4.000 Quadratmetern
das Gebäude mit erneuerbarem Strom. Im gesamten Kulturzentrum wurde
eine energiesparende und langlebige LED-Beleuchtung verbaut. Die
Temperaturregulierung erfolgt durch die Nutzung der Erdwärme. Auch
die Sanitäranlagen sollten möglichst ressourcenschonend sein,
weshalb für die Toilettenspülung Regenwasser verwendet wird.
Überschüssiges Regenwasser wird in den Boden infiltriert.
Akustik: Drei Säle, drei akustische Lösungen
Um eine akustische Trennung zwischen den drei Hauptsälen zu erreichen, wurden die Säle nebeneinander und nicht übereinander angeordnet. Ein die Säle umgebender Ring aus Übungsräumen fungiert hier als akustischer Puffer. Zudem verfügt jeder Saal über ein eigenes Tragwerk und über ein separates Fundament, sodass eine Schallübertragung vermieden wird. In allen drei Sälen wurde eine gepolsterte Bestuhlung eingebaut. Auf diese Weise wird der Schall auch bei einem kleineren Publikum ausreichend absorbiert.
In dem Tanztheatersaal lässt sich die Akustik über bewegliche
Wandpaneele je nach Bedarf regulieren. Im Konzertsaal reflektieren
Wandverkleidungen aus Beton den Schall. Über goldfarbene
Schiebewände können hier die Nachhallzeiten justiert werden. Der
Saal des Konservatoriums ist ebenfalls hauptsächlich in Beton
ausgeführt. Holzlatten und doppelt gebogene Betonbalustraden sorgen
hier für die richtige Schalldiffusion. In den Foyers wurden als
Akustikmaßnahme perforierte Paneele an der Decke befestigt. Auch
die Schräge der Decke wirkt sich hier positiv auf die Raumakustik
aus. -np
Bautafel
Architektur: Network Oriented Architecture (NOAHH), Amsterdam; Jo Coenen Architects & Urbanists (JCAU), Amsterdam und NL Architects, Amsterdam
Projektbeteiligte: HOMIJ Technische Installaties, Vianen (Gebäudetechnik); VolkerWessels Vastgoedbeheer (Wartungsarbeiten); Aronsohn raadgevende ingenieurs, Rotterdam (Tagwerksplanung); Studio DAP, Paris (Akustikplanung); Ingenieursburo Linssen, Amsterdam (Installationstechnik); Theateradvies BV, Amsterdam (Technische Beratung Theater); LBP Sight, Nieuwegein (Bauphysik und -akustik); Brunnontwerp, Den Haag (Innenarchitektur); Studio Aziz Bekkaoui, Amsterdam (Innenraumgestaltung)
Bauherr/in: Gemeinde Den Haag
Fertigstellung: 2021
Standort: Spuiplein 150, 2511 DG Den Haag, Niederlande
Bildnachweis:Ossip van Duivenbode, Rotterdam; Katja Effting, Amsterdam; Network Oriented Architecture (NOAHH), Amsterdam