Architecture Follows Climate
Traditionelle Architektur in den fünf Klimazonen
Birkhäuser, Basel 2024
416 Seiten, 297 farbige Abbildungen
Hardcover
Preis: 69,00 EUR
ISBN 9783035627794
Was ist Baukultur? Mit Architecture Follows Climate: Traditionelle Architektur in den fünf Klimazonen liefert Alexandros Ioannou-Naoum eine überzeugende Antwort auf diese oft schwer zu greifende Frage. Er widmet sich dafür der faszinierenden Schnittstelle zwischen Architektur, Klimatologie und Baugeschichte. Das im Birkhäuser Verlag erschienene Werk beleuchtet den Prozess, wie sich traditionelle Bauweisen weltweit über Jahrhunderte den unterschiedlichen klimatischen Bedingungen angepasst haben und wie diese klimabezogenen Anpassungen als zeitlose Prinzipien des vernakulären Bauens in die Baukonstruktion und Architekturgestaltung eingegangen sind – das ist Baukultur.
Im Einklang mit der Natur
Dem Werk ist ein Zitat von Vitruv vorangestellt, das betont, dass Bauwerke sich den klimatischen Bedingungen ihrer jeweiligen Region anpassen sollten, so wie der Kosmos den ordnenden Kräften der Natur folgt. Es ist doch immer wieder erstaunlich, welch Fülle an Antworten der Blick in die Geschichte auf Probleme der Gegenwart bereithält, denn Vitruvs 2.000 Jahre alte Aussage fasst den zentralen Gedanken des vorliegenden Werkes prägnant zusammen: Wir sollten nicht entgegen der Natur bauen, wie es seit Beginn des industriellen Zeitalters durch die rücksichtslose Ausbeutung fossiler Ressourcen zunehmend der Fall ist, sondern im Einklang mit ihr.
Thermische Behaglichkeit als architektonischer Ausgangspunkt
Im ersten Kapitel klärt der Autor die grundlegende Terminologie der Klimatologie und Bauphysik und führt dabei den Begriff der „thermischen Behaglichkeit“ ein. Diese beschreibt das körperliche Empfinden, bei dem sich ein Mensch in seiner thermischen Umgebung zufrieden und wohl fühlt – oder einfacher ausgedrückt: das unbewusste Wohlbefinden, wenn es nicht zu kalt und nicht zu warm ist. Die Schaffung thermischer Behaglichkeit ist ein zentraler Ausgangspunkt der Architektur – insbesondere dann, wenn Architektur als Bereitstellung einer Schutzzone für den Menschen verstanden wird.
Strukturiert nach Klimazonen
Vitruvs Leitgedanken folgend, die Natur als maßgebliche Gestalterin zu betrachten, gliedert sich das Buch in fünf Hauptkapitel, die jeweils eine der globalen Klimazonen behandeln: Tropen, Trockene Zone, Gemäßigte Zone, Kontinentale Zone und Polarzone. Innerhalb dieser Struktur untersucht Ioannou-Naoum nicht nur klimatische Einflussfaktoren, sondern auch die spezifischen Materialien und architektonischen Elemente, die in den jeweiligen Zonen eine angenehme und funktionale Raumatmosphäre schaffen. Besonders in den Kapiteln zur tropischen, trockenen und gemäßigten Zone legt Ioannou-Naoum den Fokus auf die Anforderungen an effektive Beschattung und zeigt die vielfältigen Formen, die diese annehmen kann. Bemerkenswert ist seine Betrachtung von Gebäudebepflanzung, die er grundsätzlich als Strategie des Sonnenschutzes und der passiven Kühlung ansieht, und ihre Anwendungen detailliert ausarbeitet.
Regionale Lösungen
Jedes Kapitel beinhaltet eine Analyse der klimatischen Grundlagen und Anforderungen der jeweiligen Zone. So finden sich im Abschnitt zur tropischen Zone Strategien zur Feuchtigkeitsregulierung und Kühlung durch Belüftungstechniken. Auch wird die Bedeutung von Elementen wie Verandas und Überhängen erläutert, um den architektonischen Schutz vor intensiver Sonneneinstrahlung und tropischen Regenfällen zu gewährleisten. Im Kontrast dazu stellt das Kapitel zur Trockenen Zone Techniken wie die Nutzung von thermischer Masse und die Ausrichtung der Baukörper zur Minimierung der Sonnenwärme dar. Das Konzept der natürlichen Kühlung, etwa durch Solar-Kamine und traditionelle Bauformen wie das Badgir (Windturm), zeigt, wie Bauweisen in heißen, trockenen Regionen Temperaturunterschiede auf ein für den Menschen erträgliches Maß reduzieren.
Anforderungen gemäßigter und polarer Klimazonen
Weiterhin thematisiert Ioannou-Naoum die Herausforderungen in gemäßigten Klimazonen, in denen Bauten sowohl kühlen als auch wärmen müssen. Er analysiert traditionelle Bauformen, die den Wechsel der Jahreszeiten berücksichtigen und beschreibt Techniken wie die Nutzung von dichter Bauweise und die Integration von Vegetation, um das Innenklima zu regulieren. In kontinentalen Zonen wird der Fokus auf Wärmehaltung gelegt, was durch spezielle Materialien wie Holz und Rasen geschieht. Erkenntnisse bietet zudem das Kapitel über die Polarregionen, deren extreme Bedingungen spezifische Materialauswahl und Bauformen erforderlich machen, wie etwa die Anpassung von Schneehäusern zur Optimierung der thermischen Effizienz und die Nutzung von räumlicher Kompaktheit und materieller Dichte zur Wärmeerhaltung.
Vernetzung von Weltklima und Architektur
Das Buch ist reich an Illustrationen und Querverweisen und
bietet eine visuell ansprechende, verständliche und zugleich
wissenschaftlich fundierte Betrachtung des klimatisch angepassten
Bauens. Ioannou-Naoum zeigt, dass traditionelle Architektur
weltweit Antworten auf klimatische Herausforderungen bietet, die
auch heute noch relevant und lehrreich sind. Besonders wertvoll ist
die Auffrischung von Grundwissen über das Weltklima, das geschickt
mit architektonischen Strategien vernetzt wird – ein großer
Verdienst dieses Werkes, der es für ein breites Leser*innenspektrum
besonders zugänglich macht. Architecture Follows Climate ist daher
nicht nur für Architekt*innen, Stadtplaner*innen und
Umweltwissenschaftler*innen an der Schnittstelle von Architektur
und nachhaltigem Bauen ein Gewinn, sondern für alle, die sich gerne
in die faszinierende architektonische Schöpfungskraft des Menschen
im Einklang mit der Natur vertiefen möchten. -sr
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