Modern Architecture and Climate: Design Before Air Conditioning
Princeton University Press, Princeton / New Jersey 2020
316 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen
Format 25,5 x 20,5 cm, Hardcover
Sprache: Englisch
Preis: 68 USD
ISBN 978-0-6911-7003-9
Transparente Gebäudehüllen werden aus bauphysikalischer Sicht
oft als problematisch betrachtet, haben jedoch maßgeblich die
Architektur des 20. Jahrhunderts geprägt. Das Hauptproblem: Reine
Glasfassaden verwandeln Innenräume bei hohem Sonneneintrag in
Treibhäuser. Die Lösung brachte die breite Einführung von
Klimaanlagen und das trügerische Versprechen unbegrenzt verfügbarer
fossiler Brennstoffe. Heute sind uns die fatalen Folgen für Klima
und Umwelt bekannt. Dennoch – man war schon einmal weiter: So
gab es in der Architektur schon vor dem Einsatz moderner
Kühltechnologien vielversprechende Ansätze zur passiven
Gebäudekühlung, besonders um den Zweiten Weltkrieg herum. Diese
Phase beleuchtet Daniel A. Barber in seinem Buch Modern
Architecture and Climate: Design Before Air
Conditioning.
Barber, Professor an der University of Technology Sydney (UTS) und Guggenheim-Stipendiat, analysiert einleitend die Ursachen für den Erfolg der Klimaanlage. Diese sieht er unter anderem in der Verflechtung von Globalisierung und Standardisierungstendenzen. In diesem Kontext interpretiert Barber die Klimaanlage als eine Erweiterung des „International Style“, der mit seinen charakteristischen Merkmalen wie Fensterbändern, Flachdächern und weißen Fassaden ebenfalls einheitliche Bedingungen schaffen wollte. Er schreibt, dass dieses Streben nach universalen Regeln nicht nur auf gestalterischer, sondern auch auf bauphysikalischer Ebene stattfand. Bereits vor der weitverbreiteten Nutzung von Klimaanlagen sei der Versuch unternommen worden, das Raumklima zu regulieren, nur eben nicht durch Maschinen, sondern mithilfe externer Sonnenschutzmaßnahmen.
Im ersten Teil seines Bandes untersucht Barber ausgewählte Werke
von Architekturschaffenden, die sich durch den Gebrauch von
Schattierungselementen auszeichnen, allen voran das Werk von Le
Corbusier. Dessen Untersuchungen zum Klima sowie Entwürfe
fassadengebundener Schattierungselemente galten als wegweisend. Bis
heute ist der von ihm geprägte Begriff Brise-Soleil in
vielen Sprachen als gängige Bezeichnung für Sonnenschutz
gebräuchlich. Anhand vieler Grafiken und Schriften Le Corbusiers,
zeichnet Barber nach, wie dieser heute gängige Grundsätze des
sommerlichen Wärmeschutzes vorwegnahm. Daneben taucht Barber auch
in das Werk anderer Planenden ein, etwa Frank Lloyd Wright, Richard
Neutra oder Oscar Niemeyer. Er verdeutlicht, wie viele Erkenntnisse
durch die Verbreitung von Klimaanlagen regelrecht in Vergessenheit
gerieten – eine Lücke, die angesichts der nach wie vor
unzureichenden Berücksichtigung von Sonnenschutzmaßnahmen bei
Neubauten bis heute besteht. Der zweite Teil des Buches richtet den
Fokus auf die Rolle von neuen Technologien und theoretischen
Ansätzen für ein komfortableres Wohnen der 1940er- bis
1960er-Jahre, wie sie etwa in den Arbeiten der Olgyay-Brüder
untersucht wurden. Ihr Buch Design with Climate, das im Jahr
1963 veröffentlicht wurde, stellte Konzepte und Techniken vor, um
Gebäude optimal an die lokalen klimatischen Bedingungen anzupassen.
Ziel war es, natürliche Kühlung, Heizung und Beleuchtung zu
maximieren und gleichzeitig den Energieverbrauch zu
minimieren.
Neben der gründlichen Recherche glänzt Barbers Arbeit durch seine zahlreichen illustrierten Veranschaulichungen in Form von Plänen, Diagrammen und historischen Fotografien. Modern Architecture and Climate: Design Before Air Conditioning ist ein zeitgemäßes Werk, das in der gängigen Literatur über den Architekturmodernismus eine Lücke schließt. Diese hat den Umweltkontext oft vernachlässigt oder nur oberflächlich betrachtet. Hoch anzurechnen ist Barbers Buch zudem die Erinnerung daran, dass passive Gebäudekühlung nicht alleiniger Verdienst des International Styles, sondern Teil jahrtausendealter Bautraditionen ist. Le Corbusier erfand fassadenintergrierte Verschattungselemente nicht neu, sondern orientierte sich bei dem Entwurf seiner Brise-Soleis an vernakulären Formen. So sind beispielsweise durchlässig gemauerte Wandflächen, die sogenannten Jalis, genau wie hölzerne Maschrabiyya tief in der asiatisch-islamischen Bautradition verwurzelt.
Die Bandbreite an Beispielen, die Barber gefunden hat sowie
seine exzellente Argumentation bergen großes Potenzial für aktuelle
Architekturpraktiken. Gerade die Fokussierung auf modernistische
Architektur belehrt all diejenigen eines Besseren, die noch immer
das Scheitern dieser Moderne proklamieren. Das Buch ist nicht nur
für Architekt*innen, Stadtplaner*innen und Umweltschützer*innen von
Interesse, sondern für alle, die sich für die Geschichte der
modernen Architektur und deren Beziehung zum Klima interessieren.
Es fordert dazu auf, über die zukünftige Gestaltung von Gebäuden im
Kontext des Klimawandels nachzudenken und zeigt, dass die Antworten
auf einige der aktuellen und zukünftigen Herausforderungen
möglicherweise schon in der Vergangenheit gefunden wurden.
-sr
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