Zur Geschichte des Sonnenschutzes
Über die Entstehungszeit baulicher und beweglicher Elemente
Je nachdem, in welcher Region der Erde wir uns befinden, sind helle und warme bzw. schattige und kühle Räume mal mehr und mal weniger kostbar. Seit jeher bestimmen also die klimatischen Verhältnisse die lokale Architektur – eine Abhängigkeit, die sich durch die Einführung von Klimaanlagen und kostengünstiger, zuverlässiger Stromversorgung relativiert hat.
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Gewebte Architektur
Tierhaare und pflanzliche Fasern bzw. die daraus hergestellten Gewebe sind bis heute Bestandteil temporärer und mobiler Architekturen in sonnenreichen Gegenden. Wissenschaftler*innen nehmen an, dass Zelte aus schwarzem Ziegenhaar (Englisch: black hair tents) zuerst auf der arabischen Halbinsel und in Zentralasien errichtet wurden, im Zuge der Domestizierung der resilienten Huftiere. Aufgrund der biologisch abbaubaren Materialien, sind Indizien für die genaue Historie rar, das Alte Testament (Exodus 26: 7-14) lässt aber auf eine Verwendung mindestens seit dem 15. bis 13. Jahrhundert vor Christus schließen. Unter der Zeltdecke soll es Berichten zufolge 18 bis 30 °C kühler sein, als in der Umgebung. Die lückenhafte Struktur schützt vor Blendung, ohne komplett zu verdunkeln. Neben der Sonne halten die Gewebe außerdem Sandstürme und Regen ab. Seit den 1960er-Jahren werden sie auch im industriellen Maßstab hergestellt.
Aus der Römischen Antike bekannt ist, dass Stoffe als feststehender oder aufrollbaren Sonnenschutz für steinerne Gebäude dienten. Ein Beispiel sind die riesigen Sonnensegel über dem Kolosseum in Rom (Lateinisch: Velarium). Das Segeltuch war an Masten befestigt, über Seile mit dem Boden verankert und musste von mehr als 1000 erfahrenen und speziell ausgebildeten Matrosen hochgezogen werden.
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Von starr bis beweglich
Antike Wohnhäuser des Mittelmeerraums und Persiens verfügten nicht selten über ein Atrium. Nach außen eher verschlossen, öffneten sich die Innenräume zu einem schattigen Hof. Einige dieser Höfe waren ausgestattet mit einem Regenwasserbecken (Lateinisch: Impluvium), gespeist durch die zum Innenhof geneigten Dachflächen. Ein solches Becken kühlte den internen Freibereich und klimatisierte damit auch die angrenzenden Wohnräume. Sonnenschutz boten auch die vielen, zum Teil noch erhaltenen Arkaden antiker Städte.
Klappbare Fensterläden sind ebenfalls bereits seit der Antike bekannt. Aus der Architektur des europäischen Mittelalters, aber auch der Renaissance sind sie nicht wegzudenken: Fachwerkhäuser in Deutschland, Palazzi in Italien, Wohnhäuser in Frankreich, Belgien und den Niederlanden wurden oftmals mit hölzernen Klappläden als prägnantes Fassadenelement ausgestattet. Von Indien bis zur iberischen Halbinsel sind bereits seit Jahrhunderten verschiedene Arten von Gittern aus Stein, Holz oder Ton verbreitet. Die geometrische Exaktheit, häufig ornamentale Formen, erfordert enormes handwerkliches Können, sodass sie ab dem 20. Jahrhundert aus Betonformsteinen und in jüngerer Zeit auch mit CNC-Fräsen oder 3D-Druckern hergestellt werden.
Sonnenschirme gibt es vermutlich bereits seit 4.000 Jahren. Um das 17. Jahrhundert herum wurde der tragbare Sonnenschirm von Maria de Medici am französischen Hof eingeführt. Ab dem 18. Jahrhundert wurden in Frankreich Markisen und Jalousien als Sonnenschutz herrschaftlicher Häuser populär. Mitte des 19. Jahrhunderts eröffnete in Hamburg eine Fabrik zur Herstellung von Jalousien aus Holz und Schnüren. Als Beruf anerkannt ist das Handwerk des Jalousien- und Rollladenbauers aber erst seit 1936.
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Licht und Schatten als Planungsparameter
Spätestens mit Beginn des 20. Jahrhunderts setzte in Europa eine Verwissenschaftlichung der Gebäudeplanung ein. Die Architekt*innen des Neuen Bauens erstellten eine Fülle von Berechnungen, Tabellen und Diagrammen, in denen sie auch Sonnenlauf und Schattenwurf festhielten. Aus den Analysen leiteten sie Gebäudeausrichtung und Verschattungsbedarf ab. Ein bekanntes deutsches Beispiel sind Hannes Meyers und Hans Wittwers Technischer Erläuterungsbericht für die Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds (ADGB), den sie 1928 mit ihrem Wettbewerbsbeitrag einreichten.
Brise-Soleils, tiefe Loggien und feststehende Lamellen aus Holz oder Beton kennzeichnen die vielen grafisch anmutenden Fassadenbilder der Moderne – sowohl in Europa als auch in den Kolonien in Südamerika, Afrika und Asien. Markisen, Jalousien, Rollläden und Vorhänge schützten die nun realisierbaren großen Verglasungen. Ihre farbigen und gemusterte Textilien waren ebenso Bestandteil der angestrebten, ganzheitlichen Gestaltung.
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Petrochemie und Automation
Außenliegende Sonnenschutztextilien, -gitter und -lamellen sind intensiver UV-Strahlung und anderen strapaziösen Witterungsverhältnissen ausgesetzt. Eine der wichtigsten Fragen ist also, wie man sie besonders haltbar macht. Nach dem Zweiten Weltkrieg revolutionieren neue Materialien wie Kunststoffe und Leichtmetalle die Herstellung von Jalousien und Rollläden. Die Fortschritte der chemischen Industrie erweitern auch das Angebot an Farben und Beschichtungen sowie an Textilien für Markisen, Sonnensegel, Rollos und Plissees. Für den Einsatz im Außenraum haben sich lichtechte, farbbeständige Stoffe mit einer wasser- und schmutzabweisenden Oberfläche etabliert. Die verwendeten Fasern bestehen häufig aus Polyacrylnitril (PAN) oder anderen erdölbasierten Kunststoffen. Im Innenbereich sind die Anforderungen an die Textilien nicht ganz so hoch, aber auch hier kommen synthetische Gewebe zum Einsatz. Darüber hinaus sind Baumwollprodukte und ihre globalen Lieferketten eine wichtige Basis.
Was sich in Wohngebäuden mit wenigen und kleinen Fenstern gut manuell regeln lässt, wird bei Bürotürmen, Museen, Fabriken und anderen Großbauten zur Herausforderung: die Steuerung des Sonnenschutzes. Heute sind elektrische Antriebe Standard, häufig sogar mit Anschluss an Gebäudeautomationssysteme. Sensoren, die die Intensität der Sonneneinstrahlung oder die Temperatur erkennen und auf Behaglichkeit programmierte Steuerungstechnik können die Verschattung minutiös dem vorherrschenden Wetter anpassen. Die Verlässlichkeit dieser Systeme hängt jedoch von einer konstanten Stromversorgung ab, die für die Datenverarbeitung und Motoren nötig ist.
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