Kulturzentrum La Lleialtat Santsenca in Barcelona
Passive Solarnutzung durch ein Atrium als Klimapuffer
Die Umnutzung eines Bestandsgebäudes ist nicht immer kostengünstiger, doch kann das Bauwerk als Zeugnis der Geschichte erhalten und die Substanz gewahrt bleiben, was aus ökologischer Sicht meist sinnvoll ist. Altbauten bieten zudem einen nicht zu beziffernden Mehrwert – verkörpern sie doch ästhetische Ideale und Funktionen, die zwar der Vergangenheit angehören, aber ungewohnten Charme ausstrahlen. Durch die Erinnerungen und Assoziationen, die ein von Patina überlagertes Bauwerk weckt, erscheint es oftmals lebendiger als ein Neubau. Im Stadtteil Sants im Südwesten von Barcelona ist das Kulturzentrum Lleialtat Santsenca beispielhaft für die gelungene und kostengünstige Umnutzung eines historischen Gebäudekomplexes. Dieser wurde 1928 als Hauptsitz einer Arbeitergenossenschaft errichtet und später als Fabrik und Diskothek genutzt; seit 2006 ist er städtisches Eigentum. Auf Initiative der Anwohner erfolgte nach sechs Jahren Leerstand im Jahr 2012 die Ausschreibung eines Wettbewerbs zur Wiederbelebung des mittlerweile denkmalgeschützten Baus. Das ortsansässige Architekturbüro Harquitectes konnte ihn für sich entscheiden. Die Planer wollten den historischen Wert so gut wie möglich nutzen und die alte Bausubstanz so weit wie möglich erhalten.
Gallerie
Das kernsanierte Gebäude liegt inmitten eines dicht durchmischten Quartiers mit mehrgeschossiger Wohnbebauung, Büros, Geschäften und Restaurants. Es besetzt ein Eckgrundstück zwischen Carrer d'Olzinelles und Carrer Altafulla. Die rund 1.650 Quadratmeter Nutzfläche verteilen sich auf zwei bis vier Etagen. Erschlossen wird der mehrteilige, abgewinkelte Gebäudekomplex über die Carrer d'Olzinelles im Südwesten. Der Eingang befindet sich im zweigeschossigen Haupthaus, das im Erdgeschoss ein Café beherbergt und darüber einen Mehrzweckraum für Konzerte und Theateraufführungen, Feste und andere Veranstaltungen. Südlich schließt ein längliches, bis unters Dach offenes Atrium an, dazwischen befindet sich eine Küche. Die historische Fassade wurde sichtbar belassen. Ein neues Erschließungssystem mit feingliedrigen Galerien, die aus Stahl und Holz gefertigt sind, fügt sich harmonisch in den imposanten Luftraum. Das Atrium führt nicht nur Licht und Luft in die Räume, es dient auch als zentrale Kommunikations- und Aufenthaltszone.
Ein rückwärtiger schmaler und viergeschossiger Gebäudeteil beinhaltet neben Lagerflächen und sanitären Anlagen auch Räume für Workshops. Den Abschluss im dicht gefügten Baublock bildet ein dritter Gebäudeteil, der von Nordwest nach Südost winkelförmig zu den übrigen verläuft. Er ist teils vier- und teils zweigeschossig, verbunden durch ein Atrium im zweiten und dritten Obergeschoss. Große Fenster gen Südosten sorgen für reichlich Tageslicht und Frischluft. Hier befinden sich Forschungs-, Multimedia-, Besprechungs- und Proberäume sowie ein Raum für Kinder und Jugendliche im Dachgeschoss.
Weil die alten Dächer nicht erhalten werden konnten, erhielt das Ensemble eine neue verbindende Dachkonstruktion. Die nördlichen Dächer sind mit gedämmten Metallpaneelen gedeckt, das Atrium und die südlichen Dachflächen hingegen erhielten eine Deckung aus lichtdurchlässigem Polycarbonat.
Nachhaltig Bauen
Die Atrien und weitere Zwischenzonen vermitteln klimatisch zwischen Innen- und Außenraum, sodass auf ein kontrolliertes Lüftungssystem verzichtet werden konnte. Die leichten Kunststoffdächer sowie große Fensterflächen im Süden lassen viel Tageslicht eindringen, sorgen für passive solare Gewinne und begünstigen die Belüftung. Durch die Erhöhung des Dachraums ließ sich der solare Wärmegewinn noch vergrößern. Mithilfe eines Wärmerückgewinnungssystems wird im Winter Wärme für die Innenräume gesammelt. Im Sommer wird die Luft im oberen Teil des Atriums erwärmt; heiße Luft wird über automatisch betriebene Dachfenster, die mit Sensoren ausgestattet sind, abgegeben und so eine Überhitzung vermieden. Im Winter geben die geheizten Räume warme Luft ab und temperieren das Atrium.
Für die Aufbereitung von Warmwasser wurden Solarkollektoren installiert, für die WC-Spülung wird Regenwasser genutzt. Als gedämmte Wandbekleidung, für Möbel, Türen und Fenster kommt ausschließlich unbehandeltes Holz zum Einsatz. Es ist recycelbar und sorgt für ein angenehmes Raumklima, da es temperatur- und feuchteausgleichend wirkt. Eine von Tageslicht durchflutete, offene Raumstruktur mit wechselnden Blickbeziehungen und eine klare Gestaltung mit wenigen Materialien zeichnen das Kulturzentrum aus. Die alten Backsteinmauern wirken als Wärmespeicher für die passiven solaren Gewinne durch die Fenster und lichtdurchlässige Dachflächen. Das Deckmaterial Polycarbonat ist zu hundert Prozent recycelbar. Die kompakte Bauweise und die Aufteilung der Räume stellen eine effiziente Flächennutzung dar. Hüllfläche und Volumen stehen in einem ausgewogenen, energetisch wirkungsvollen Verhältnis.
Bautafel
Architekten: Harquitectes, Barcelona
Projektbeteiligte: DSM arquitectes, Barcelona (Statik); Vidal enginyeria i consultoria, Barcelona (Gebäudetechnik), Societat Orgànica, Barcelona (Umweltberatung); Chroma rehabilitacions integrals, Barcelona (Restauration)
Bauherren: Stadt Barcelona
Fertigstellung: 2017
Standort: Carrer d'Olzinelles, 31, 08014 Barcelona
Bildnachweis: Adrià Goula, Barcelona
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