Bauaufsichtliche Regeln für den Glasbau

Auswirkungen der MVV TB auf Verglasungskonstruktionen

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass bestehende zusätzliche Anforderungen an CE-gekennzeichnete Bauprodukte gegen die Bauproduktenrichtlinie verstoßen. Die im Rahmen dieser Entscheidung erforderliche Umstellung der Bauregelliste auf die Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) wirkt sich auch auf Verglasungskonstruktionen aus. So werden allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen (abZ) für Bauprodukte im Geltungsbereich von harmonisierten Spezifikationen nach Ablauf ihrer Regelungsdauer ihre Gültigkeit verlieren. Derzeit erteilt das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) für durch EN-Normen harmonisierte Produkte keine Zulassungen mehr. Dies wirkt sich beispielsweise auf teilvorgespanntes Glas (TVG) aus: Bislang musste seine Verwendbarkeit durch den Hersteller über eine abZ nachgewiesen werden. Mit ihr waren automatisch die in DIN EN 1863 Glas im Bauwesen - Teilvorgespanntes Kalknatronglas geforderten Spezifikationen erfüllt, die ein Hersteller nachweisen muss, um TVG in einem definierten Dickenbereich produzieren zu dürfen. Zukünftig ist dieser Umweg nicht mehr möglich, wenn das Glas den Spezifikationen in DIN EN 1863 entspricht. 

Gallerie

Die MVV TB sieht vor, dass für Glaskonstruktionen die Normen DIN 18008 Glas im Bauwesen - Bemessungs- und Konstruktionsregeln Teil 1 bis 5 anzuwenden sind. Dies gilt auch für die Planung, Bemessung und Ausführung harmonisierter Verglasungen in Vorhangfassaden nach DIN EN 13830 Vorhangfassaden - Produktnorm und solchen in Fenstern nach DIN EN 14351-1 Fenster und Türen - Produktnorm, Leistungseigenschaften. Bauprodukte aus Glas müssen dabei den Mindestwert der charakteristischen Biegezugfestigkeit (5% Fraktilwert bei 95% Aussagewahrscheinlichkeit) und das typische Bruchbild für Scheiben in Bauteilgröße gewährleisten. Für Verbundsicherheitsglas (VSG) dürfen nur noch Produkte verwendet werden, die im Pendelschlagversuch nach DIN 12600 Glas im Bauwesen: Pendelschlagversuch - Verfahren für die Stoßprüfung und Klassifizierung von Flachglas mindestens mit 2(B)2 eingestuft sind. Das bedeutet, dass nach Beaufschlagung mit einer Fallhöhe des Pendels von 450 mm die Verglasung entweder intakt bleibt oder keine signifikanten Öffnungen aufweist.

Heißgelagertes Einscheibensicherheitsglas (ESG-H) darf in Deutschland nicht mehr nach DIN EN 14179 Heißgelagertes thermisch vorgespanntes Kalknatron-Einscheibensicherheitsglas produziert werden. Stattdessen muss die Herstellung nach den Vorgaben in der MVV TB erfolgen – das ESG-H wird dann als nationales Produkt bezeichnet. Abweichend zu den bisherigen Technischen Baubestimmungen ist der Heißlagerungstest mit geänderter Temperaturregelung durchzuführen, die vorschreibt, dass die Maximaltemperatur nur noch 290 °C anstatt bisher 320 °C betragen darf. Die Dauer der Haltephase bleibt unverändert bei 4 Stunden. Abweichend hierzu beträgt die Haltezeit nach DIN EN 14179 nur zwei Stunden, was hinsichtlich der Versagenswahrscheinlichkeit infolge Spontanbruch als kritisch zu werten ist. Das Glas wird dann als nationales Produkt bezeichnet.

Mit der MVV TB werden also im Wesentlichen noch immer alle bislang bekannten Anforderungen an harmonisierte Bauprodukte aus Glas gestellt. Es wird zukünftig aber keine expliziten bauaufsichtlichen Verfahren zum Nachweis der Einhaltung dieser Anforderungen geben.

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