Gegen Erdbeben gestärkt
Ertüchtigung eines Lagerhauses in Rijeka
Die Mittelmeerregion ist seismisch aktiv. 2020 wurden zwei mittelschwere Beben in der kroatischen Hauptstadt verzeichnet. Um die Schäden künftig zu mindern, werden nun landesweit Gebäude nachgerüstet. Berislav Bošnjak und Nikola Pekas, Tragwerksplaner bei ATP architekten ingenieure, kümmerten sich um das Lagerhaus XXII im Hafen von Rijeka. Die Anpassung des rund hundertjährigen Gebäudes begleitete Mislav Stepinac vom Fachbereich für Bauingenieurwesen der Universität Zagreb. 2024 erschien die gemeinsam erstellte Studie Seismic Upgrading of the Heritage-Protected Reinforced Concrete Warehouse in Rijeka, Croatia.
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Die gestreckte, dreischiffige Halle verfügt über ein Skeletttragwerk aus Stahlbeton, an den Fassaden ausgefacht mit Ziegelmauerwerk. Es ist eines der ältesten Tragwerke dieser Art in Kroatien. Die vertikalen Lasten nehmen die längsseitigen Haupt- und querseitigen Sekundärträger auf. Auf ihnen lagert eine dünne, durchgehende Geschossdecke. Die horizontalen Lasten werden über die sich nach oben verjüngenden Stützen abgetragen. Die Enden der Sekundär- und Hauptträger sind verstärkt, damit sie Querkraftbelastungen an den Auflagerpunkten besser standhalten.
Die durchgehende Mauerwerksfassade ist im Kellergeschoss 78 cm stark und wird in den oberen Geschossen schrittweise dünner. Auch Aufzugsschächte und Treppenhauskerne sind gemauert. Da sich die gesamte Hafenanlage auf aufgeschüttetem Gelände befindet, wurde das Gebäude auf einer 1,5 m dicken, unbewehrten Betonplatte errichtet. Sie war darauf ausgelegt worden, Setzungen zu reduzieren, nicht jedoch auf das Abfedern horizontaler Lasten oder seismischer Kräfte.
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Im Zuge der Bestandsanalyse sichteten die Ingenieure Archivmaterial und historische Baupläne. In der Studie sind zahlreiche Details zur historischen Konstruktion und ihre Bedeutung für die Modellierungen erläutert (siehe Surftipps). Mithilfe eines BIM-Modells ließ sich die seismische Belastbarkeit simulieren und somit Schwachstellen identifizieren. Als verbesserungswürdig offenbarten sich insbesondere die horizontalen Verstrebungen und die Fundamente. Materialprüfungen zeigten zudem deutliche Alterungserscheinungen und Bewehrungskorrosion.
Da die Lagerflächen in Büroräume umgewandelt werden sollten, galt es für eine sichere Evakuierung der steigenden Zahl von Menschen im Gebäude zu sorgen. Besondere Bedeutung kam dabei den Treppenhauskernen zu. Sie allein reichten jedoch nicht aus, um die einzelnen Gebäudeabschnitte zu stabilisieren. Die Ingenieure schlugen vor, das Tragwerk entweder mit Stahlbetonwänden oder mit Stahlrahmen zu verstärken.
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Schließlich fiel die Wahl auf die Stahlbetonvariante. Neue Stahlbetonkerne für Treppenhäuser und Aufzüge stabilisieren das Tragwerk. An neuralgischen Punkten wurden zusätzlich Schubwände platziert. Innenseitig wurde eine dünne Schicht Spritzbeton mit Bewehrung auf die Außenwände aufgetragen, die ihre Tragfähigkeit erheblich verbessert, ohne das Gebäude äußerlich zu verändern.
Die ergänzenden Stahlbetonelemente machten neue Fundamente erforderlich. Um die Bewehrung zu verankern, wurden Löcher in den Bestandsbeton gebohrt und mit einem epoxidbasierten Klebstoff verfüllt. Dank dieser Verbindung weisen die Fundamente nun genug Masse auf, um die Zugkräfte in den neuen Stahlbetonelementen aufzunehmen.
Die Untersuchungen verdeutlichen die Notwendigkeit der seismischen Ertüchtigung und die Dringlichkeit neuer Normen. Zugleich soll der Fall anderen Architekt*innen, Ingenieur*innen und Denkmalpfleger*innen als Beispiel für künftige Ertüchtigungen dienen. Die Studie ist frei zugänglich und kann im PDF-Format heruntergeladen werden (siehe Surftipps).
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