In Scheiben geschnitten
Öffentliche Toilette in Tokio
Was verrät der Umgang mit menschlichen Bedürfnissen über eine Gesellschaft? Ein Blick nach Japan zeigt, dass es zumindest im heiklen Bereich WC-Anlagen große Unterschiede gibt. Über öffentliche Toiletten hierzulande hüllt man besser den Mantel des Schweigens – und zückt im Zweifelsfall das Portemonnaie, um sich ein wenig Zivilisiertheit zu erkaufen.
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Dieses Dilemma ist in Japan deutlich geringer; öffentliche Toiletten sind fast überall kostenfrei und meist auch gepflegt. Das neueste, von The Nippon Foundation initiierte Projekt „The Tokyo Toilet” geht noch einen Schritt weiter: In einem großangelegten Programm sollen im Tokioter Stadtteil Shibuya 17 öffentliche Toiletten nach den Entwürfen von Architekturbüros entstehen (siehe dazu Surftipp). Ein bereits fertiggestelltes Stilles Örtchen dieser Reihe lässt sich im Ebisu Park – einem Spielplatz mit Bolzfläche, der neben einem Kindergarten und einer Grundschule liegt – bewundern.
Wonderwall, ein ortsansässiges Büro für Innenarchitektur, hat dort aus 15 Betonscheiben ein verwinkeltes Gebilde geschaffen, das Toilettenbereiche für Männer, Frauen und „daredemo“ (wörtlich übersetzt: „wen-auch-immer“) integriert. Die Eingänge sind durch die Scheiben klar voneinander getrennt. Wenig gendergerecht, aber den tatsächlichen Verhältnissen Rechnung tragend, orientiert sich der Zugang des Frauen-WCs Richtung Spielplatz, während männliche Besucher den Pavillon eher von der Straße kommend betreten. Dazwischen ist der zusätzliche Toilettenraum angeordnet, in dem unter anderem ein Wickeltisch untergebracht ist.
Die verspielte Erscheinung lässt den Bau eher wie ein Objekt am Rande des Spielplatzes erscheinen – erst auf den zweiten Blick offenbart sich die eigentliche Bestimmung. Das Planungsteam bezeichnet seinen Entwurf mit dem Begriff „kawaya“ (wörtlich: Flusshütte). Damit wird Bezug auf die Ursprünge der japanischen Toilettenkultur in der frühen Jomon-Ära genommen. Die damals archaischen Erscheinungsformen und primitiven Materialien sollen durch die wie zufällig erscheinende Anordnung der Scheiben und die deutlich in den Beton eingeprägte Holzmaserung zum Ausdruck kommen.
Wenig archaisch, sondern für zeitgenössische japanische
Sichtbetonbauten geradezu typisch wirken hingegen die zahlreichen,
in einem präzisen Raster gesetzten Ankerlöcher. Technisch lassen
sich diese durch die in Japan bevorzugte Verwendung von
selbstverdichtendem Beton und den damit einhergehenden höheren
Frischbetondruck erklären.
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