Infraleichter Supermarkt
Tragen und dämmen zugleich
Ein eingeschossiger Supermarkt mit Glasfront an einem großen Parkplatz – dieses Bild ist aus deutschen Städten und Dörfern nur schwer wegzudenken. Unzählige über das Land verteilte Grundstücke gehören den großen Lebensmittelketten Deutschlands, zum Beispiel auch Rewe. Zwischen RAW-Gelände und Ostkreuz, in Berlin-Friedrichshain, eröffnete das Handelsunternehmen im Frühling 2023 eine weitere Filiale, die unerwartet massiv und grau ist. Geplant hat den Experimentalbau das Architekturbüro Baumgardt Franke aus Leipzig.
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Bei dem Supermarkt handelt es sich um einen sogenannten Ersatzneubau. Ursprünglich befand sich eine u-förmige Anlage auf dem Gelände, die sich aus drei Gebäuderiegeln zusammensetzte. Der vorherige Supermarkt teilte sich mit Haupt- und Getränkemarkt auf zwei der Riegel auf. Diese wurden abgerissen und durch den Neubau ersetzt, der rechtwinklig an den dritten Gebäuderiegel anschließt, in dem eine ALDI-Filiale, ein Fitnesstudio für Frauen und ein Copyshop untergebracht sind.
Im vorderen, eingeschossigen Gebäudeteil ist auf knapp 2.000 Quadratmeter Platz für Auslagen, Regale, Kühltruhen und Kassen. Über dem südlichen und östlichen Marktbereich gibt es Zwischenebene mit Nebenräumen und einer Verbindung zum Bestand. Die Dachkonstruktion besteht aus Holzleimbindern mit einer Spannweite von bis zu 27 Metern, auf denen gedämmte Stahltrapezbleche liegen.
Die Lasten werden über die Außenwände und über die Stahlbetonstützen im Verkaufsraum abgetragen. In der Tiefgarage unter dem Markt mussten zusätzliche Stützen und Wände untergebracht werden, um die Last des Neubaus aufzunehmen. Ebenso waren Nachgründungen nötig. Aluminium dominiert bei der Pfosten-Riegel-Konstruktion der Glasfassade und den Profilen der Fenster und Türen. Kalksandstein- und Gipskartonständerwände gliedern den Innenraum.
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Infraleichtbeton: tragend und dämmend zugleich
Die Außenwände und die Brandwand des neuen Marktes bestehen aus Infraleichtbeton. Das Material wird seit 2006 am Institut für Bauingenieurwesen der Technischen Universität Berlin erforscht und ist im Jahr 2019 erstmals auf einer Fachmesse vorgestellt worden. Die Rohdichte ist mit 800 Kilogramm pro Kubikmeter deutlich geringer als bei anderen Betonarten.
Bei der Herstellung werden sehr leichte Gesteinskörnungen zugefügt, beispielsweise Blähton, wodurch Luft im Beton eingeschlossen wird. Dadurch kann der Beton tragende und dämmende Funktionen gleichzeitig übernehmen – Materialien zur Wärme- und Schalldämmung lassen sich also einsparen. Eine Verkleidung oder ein Putz sind ebenfalls überflüssig. Weniger Schichten im Wandaufbau bedeuten auch, dass weniger Baustoffe bei Abbruch getrennt oder entsorgt werden müssen.
Hinzu kommt, dass durch den geringeren Zementgehalt weniger
CO2 bei der Herstellung ausgestoßen wird als bei
herkömmlichen Betonen. Bei Wohnbauten und eingeschossigen
öffentlichen Gebäuden kam der Baustoff bereits zum Einsatz; der
Supermarkt in Friedrichshain ist nun deutschlandweit der erste
Gewerbebau aus Infraleichtbeton. Ihn in diesen Dimensionen
umzusetzen, war eine besondere Herausforderung für die Beteiligten.
Die Wände des neuen Gebäudes sind neun Meter hoch und 40 bis 50
Zentimeter dick. Vor allem die Brandwand zu bemessen und
baustofflich zu konzipieren, sodass sie sich gut vor Ort gießen
ließ, erforderte eine gründliche Vorplanung.
Außerdem steht für den Baustoff Infraleichtbeton eine endgültige bauaufsichtliche Zulassung noch aus. Es ist also eine Zustimmung im Einzelfall erforderlich, die umfangreiche Bauteilversuche – unter anderem zur Bestätigung des Brandverhaltens – erforderlich macht. Durchgeführt wurden sie an der Technischen Universität Berlin.
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