Gemeindezentrum in Sukagawa
Viel offener Raum, ausreichend Ruhe
Was wünschen sich die Nutzerinnen und Nutzer für ihr neues Gemeindezentrum? Diese Frage stand am Anfang der Planung für das Sukagawa Community Center tette in der japanischen Präfektur Fukushima. Partizipativ mit den Stadtbewohnern Sukagawas ist unter Federführung von Unemori Architects und Ishimoto Architectural & Engineering ein imposanter Neubau gestaltet worden, der viel Platz für das gemeinschaftliche Leben bietet – unter anderem mit einer öffentlichen Bibliothek, Veranstaltungsräumen, einem Museum sowie Einrichtungen für die Kinderbetreuung.
Gallerie
Entstanden ist das Bauwerk im Zuge eines städtischen Wiederaufbauprojektes zur Wiederbelebung des Stadtzentrums, das von einem Erdbeben zerstört worden war. Es ist nicht nur erdbebensicher, sondern zugleich offen, hell und einladend. Als Stahlrahmenkonstruktion mit einer größtenteils verglasten Fassade ist das innere lebendige Geschehen auch von außen ablesbar.
Gestaffelte Baukörper mit Aussicht
Die Gesamtfläche des neuen Gemeinschaftsbaus umfasst 13.698
m², die auf fünf Geschosse verteilt sind. Trotz der
beachtlichen Größe wurde viel Wert darauf gelegt, Rücksicht auf die
niedrige und zurückhaltende Nachbarbebauung zu nehmen. Prinzip des
Entwurfsprozesses war es, quasi alle Bodenplatten in kleine
Abschnitte zu unterteilen und versetzt zu stapeln. So konnte ein
Bauwerk geschaffen werden, das auf die historische Hauptstraße und
die weitere Umgebung eingeht. Durch die geschickte Staffelung
werden zudem Außenterrassen auf jeder Etage geschaffen und alle
verschiedenen Einrichtungen des Komplexes miteinander verbunden.
Die großzügigen Außenflächen dienen als Orte für verschiedene
Aktivitäten und bieten Ausblicke auf die hügelige Stadt.
Wie ein Stadtrundgang auf vielen Ebenen
Die Planung
fand unter Bürgerbeteiligung statt, denn Ziel war es, den sozialen,
generationenübergreifenden Austausch interdisziplinär zu
fördern. Mit speziellen Workshops wurden im Zuge dessen die
Bedürfnisse an das neue Gebäude definiert: eine offene Architektur
mit unterschiedlichen Bereichen für Information, Kultur und
insbesondere gemeinschaftliche Aktivitäten. So entstand das
Gemeindezentrum mit vielen verschiedenen Plateaus, die wie ein
Stadtrundgang durchlaufen werden können.
Nutzungsvielfalt unter einem Dach
Die unterste Etage mit dem Haupteingang fängt durch eine Neigung
den Höhenunterschied des Geländes von 2,50 m auf. Der Wartebereich,
ein Café und ein Veranstaltungsraum sind dementsprechend
unmittelbar mit dem Außenraum verbunden und somit barrierefrei
zugänglich. Die oberen Geschosse sind neben einer Erschließung
durch Aufzüge durch sanfte Rampen und Treppen miteinander
verbunden. Begeben sich die Besucherinnen und Besucher in die erste
Etage, finden sie sich in den Raise und Excite
benannten Bereichen wieder, die Flächen für die Kinderbetreuung,
Spielflächen und eine Kinderbibliothek umfassen. Die zweite Ebene
wird mit Learn und Create bezeichnet: Hier befindet
sich die großzügige Hauptbibliothek sowie mietbare Arbeitsräume.
Beim Gang durch die weiteren Ebenen gelangt man zu den Bereichen
Sound & Move, Meet und Search, die im Kern
Räume für Austausch und Kommunikation beherbegen. Unter anderem ein
heller Gemeinschaftsraum mit ruhiger Leseecke sowie ein Museum
laden zum Verweilen und zum Kulturgenuss ein. Auf der obersten
Ebene unter dem Dach ist eine weitere Fläche für die
gemeinsame Nutzung und als Treffpunkt zu finden:
eine Engawa – angelehnt an die Holzveranda einer
traditionellen japanischen Wohnung.
Freie Flächen mit Fachwerkträgern
Um die offene
Struktur so stützenfrei wie möglich zu halten, bestehen die Decken
der dritten und vierten Etage aus Fachwerkträgern. Die freitragende
Platte des Untergeschosses, die an einer Stahlrahmenkonstruktion
aufgehängt ist, wird von Säulen in den Obergeschossen getragen,
deren Positionen je nach aufkommender Last entsprechend verschoben
ist. Darüber hinaus bieten die Fachwerkträger Platz für die
Installation von Klimaanlagen und Rauchabzugskanälen im Brandfall.
Diese Böden mit unterschiedlichen Funktionen, die aus strukturellen
Systemen bestehen, schweben scheinbar in der Luft.
Akustik: Weniger Schall durch Hohlräume
Da das gesamte
Gebäude einen nahezu großen offenen Raum darstellt, ist es
besonders wichtig, den Geräuschpegel in den einzelnen Bereichen zu
regulieren. Abgehängte Decken unter den einzelnen Ebenen erzeugen
einen astylaren Raum, der die Lärmübertragung zwischen den Ebenen
mindert. So lässt sich in den kommunikativen Bereichen wie den
Gemeischaftsflächen oder dem Kinderspielbereich ein Schalldruckpegel von teilweise 47,7 dbA
feststellen, wohingegen in den beruhigten Bereichen wie der
Bibliothek ein Wert von 38,2 dbA erreicht wird.
Schutz vor Lärm und Licht mit Stoffen
Für eine
angenehme Raumakustik und Zonierung sorgen nicht nur
konstruktive Maßnahmen, sondern auch Textilien. Ausschlaggebend für
die Wahl der Stoffe waren vor allem funktionale Eigenschaften zur
Schallabsorbierung sowie zum Blend- und Wärmeschutz. Transparente
Akustikvorhänge sorgen in den überwiegend hohen Räumen mit leichter
und lichtdurchlässigen Optik für eine gute Raumakustik. Die
Textilien haben eine grobe Oberflächenstruktur aus Polyester und
erreichen einen schallabsorbierenden Wert von bis zu αw 0,65.
Neben der Notwendigkeit der Lärmreduzierung wurden Vorhänge
zudem für die Regulation von Wärme und Helligkeit eingesetzt.
Dichte Verdunkelungsstoffe sowie transparente Vorhänge vor den
Fenstern schützen die Bücher der Bibilothek vor Farbverblassen und
reduzieren die Betriebskosten durch ihren Wärmeschutz. In den
Seminarräumlichkeiten optimieren die multifunktionalen Stoffe neben
der Lichtregulierung ebenfalls die Akustik mit einem
Schallabsoprtionswert von bis zu αw 0,20 und schaffen somit ein
angenehmes Arbeitsklima. -kl
Bautafel
Architektur: Ishimoto Architectural & Engineering Firm, Tokyo, und Unemori Architects, Tokyo
Projektbeteiligte: Karasawa Architectural & Acoustic Design, Tokyo (Akustikplanung); Oak Structural Design Office, Kyoto (Design Kooperation); Sumitomo Mitsui Construction, Sanpaku Kogyo Joint Venture group, Tokyo (Generalunternehmer); Nippon Design Center, Tokyo (Design Schilder); Irobe Design Institute, Tokyo (Design Schilder); Inada Takio Landscape Design Office (Lanschaftsarchitektur); Ataka Bosai Sekkei, Tokyo (Katastrophenschutz); Academic Resource Guide, Tokyo (Bibliotheksberatung & Austellungskuration); Tanseisha, Tokyo (Ausstellungsplanung); Création Baumann, Langenthal (Vorhangstoffe Betacoustic, Secret, Shadow IV -220, Steel Base)
Bauherrschaft: Sukagawa City
Standort: Nakamachi, Sukagawa, Fukushima 962-0845, Japan
Fertigstellung: 2018
Bildnachweis: Kai Nakamura Photography; Kawasumi Kobayashi Kenji Photograph Office; Ishimoto Architectural & Engineering Firm / UNEMORI ARCHITECTS