Lernzentrum und Universitätsbibliothek in Marseille
Umbau L'Hexagone
Als „mineralischen, gemeißelten Ort“ beschreiben Planende des Büros Marciano Architecture ihr Lernzentrum L'Hexagone der Universität Aix-Marseille (AMU). Die Bibliothek mit Lehr- und Veranstaltungsbereichen konnte durch den Umbau eines alten Mensagebäudes aus den 1960er-Jahren entstehen, seinerzeit geplant vom Architekten René Egger. Die Neugestaltung ist Teil einer Modernisierungsmaßnahme der Universität. Der Campus Luminy liegt in den Hügeln des Massif de Calanques außerhalb der Stadt und ist von Pinienwäldern umgeben. Er ist einer von drei Standorten, die sich 2012 zur AMU zusammenschlossen. Gefördert werden sollen mit dem neuen Lernzentrum der Wissensaustausch und der Gemeischaftssinn der Studierenden.
Gallerie
Ausbruch aus dem strengen Raster
Gut 15 Jahre lang stand der Stahlbetonskelettbau leer. Die alte Betonstruktur, die von Geschossdecken mit dreieckigen Kassetten geprägt wird, war intakt genug, um großteils erhalten zu bleiben. Sie wurde freigelegt und ist heute vielerorts sichtbar. Die übrige Bausubstanz der 1960er-Jahre, wie Einbauten und Fassadenelemente, war verrottet und wurde entfernt.
Im Zentrum des Bauwerks, das mit seinem untersten Geschoss zur Hälfte im Hang steckt, befindet sich nun ein Innenhof. Auf der mittleren und oberen Ebene wurden die nutzbaren Flächen in Form von Auskragungen und Terrassen erweitert. Die Grundrisse gingen dadurch von zuvor regelmäßigen in unregelmäßige Sechsecke über. Ziel des Planungsteams war es, eine aneignungsoffene Architektur zu schaffen.
Die drei Ebenen erhielten eine neue Umhüllung aus Glas und
weißen Aluminiumlamellen, die als passiver sommerlicher Wärmeschutz
für ein behagliches Raumklima sorgen. An den Übergängen zwischen
offenen und geschlossenen Bereichen finden sich zudem Bekleidungen
aus schmalen, dunklen Holzlatten, die mit der ansonsten hellen
Hülle kontrastieren.
Treppe und Tribüne
Das Raumprogramm erstreckt sich auf 7.783 Quadratmeter Fläche. Ganz oben sitzt die Universitätsbibliothek mit verschiedenen Arbeitsbereichen, auf den Ebenen darunter finden unter anderem ein Hörsaal mit 100 Plätzen, Projekträume, ein Sprachzentrum, Verwaltungsräume sowie ein Servicebereich für Studierende Platz. Demgegenüber stehen informelle Orte wie etwa die Kaffeebar.
Die Übergänge, Terrassen und zentralen Erschließungsbereiche sind so gestaltet, dass dort Empfänge und andere Veranstaltungen stattfinden können. So ist die zweigeschossige Eingangshalle durch große Sitzstufen und Treppenläufe mit der oberen Ebene verbunden. Die so erzeugte Tribüne greift die Topografie des Ortes auf und lässt an Theaterarchitektur denken. Die Stufen verlaufen auch quer durch den teils begrünten Innenhof – das geografische sowie soziale Zentrum der Anlage.
Sonnenschutz: Vertikallamellen aus perforiertem Aluminiumblech
Die milchweiße Haut des Gebäudes ist geprägt von Porosität – die Kalksteinfelsen der Region sollen Vorbild gewesen sein – und Transparenz. Die großzügig verglaste thermische Hülle lässt reichlich Tageslicht in die Räume, nachts leuchtet das Kunstlicht hell heraus.
Als Sonnenschutz dienen Vertikallamellen aus Aluminium, die in tiefen Stahlprofil-Rahmen angeordnet sind. Letzere dienen zugleich als Überkopfverschattung. Durch die Variation der Abstände der Stahlprofile beziehungsweise die unterschiedliche Länge der Lamellen entstehen verschieden breite Bänder, die die Fassade in horizontale Schichten gliedern. An den Gebäudeecken ist die Rahmenkonstruktion abgerundet.
Bei den Lamellen handelt es sich um C-Profile aus 3 mm starkem Blech. In ihren Dimensionen gleichen sie den langen Holzlatten, die in den Laibungsbereichen die Übergänge zwischen außen und innen markieren. Anders als diese sind die Elemente aber innen hohl und auf der Längsseite perforiert. Die Lamellen sind in einem Abstand von jeweils 25 cm montiert und haben Winkelstellungen von plus 30 Grad, minus 30 Grad oder 0 Grad (offen), je nach Fassadenausrichtung.
Die feststehenden Elemente schützen den Innenraum vor direkt
einfallendem Sonnenlicht, insbesondere jenem aus seitlicher
Richtung. Sie sollen ein gutes Raumklima erzeugen und eine hohe
Energieeffizienz unterstützen: Also im Sommer vor allem abschirmen,
im Winter hingegen viel Tageslicht in die Räume lassen. In
bestimmten Bereichen ist die Rahmenkonstruktion ohne
Sonnenschutzelemente ausgeführt, um freie Durchblicke zu
ermöglichen. -sr
Bautafel
Architektur: Marciano Architecture, Marseille; Team: Rémy Marciano, Pietro Belluci, Hélène Caputo
Projektbeteiligte: ICES, Marseille (Tragwerksplanung); LASA, Marseille (Akustik); WSP / Bouygues Energie, Paris (Beleuchtung); Siarem, Marseille (Energieberatung); Inddigo, Marseille (Sanitäranlagen)
Bauherrschaft: Öffentlich-private Partnerschaft aus LUSCIE (Eigentümer), Bouygues Bâtiment Sud-Est (Vermieter) und Universität Aix Marseille (Mieterin)
Fertigstellung: 2018
Standort: 163 Avenue de Luminy, 13009 Marseille, Frankreich
Bildnachweis: Takuji Shimmura, Paris
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