_Sonnenschutz
Schule bei Ras
Kühl in Rot
Wie kunstvoll und dabei effektiv sich Sonnenschutz in Architektur integrieren lässt, zeigte das indische Planungsbüro Sanjay Puri Architects aus Mumbai 2017 mit dem Studentenwohnheim The Street im indischen Mathura, bei dem mithilfe der Keilform ein robuster Sonnenschutz umgesetzt wurde (siehe Objekte zum Thema). Etwas organischer zeigen sich Grundriss und Baukörper der kürzlich eröffneten Rahjastan School, einer öffentlichen Schule im nordindischen Bundestaat Rahjastan an der Grenze zu Pakistan. Wieder orientiert sich das Architektenteam stark an lokalen Bautraditionen, um sie in abstrahierte Formen zu übersetzen. Deren leuchtende Farben und scharfkantige Schattenwürfe sind nicht nur eine Augenweide, sondern vermögen das Gebäude in der heißen indischen Sonne effektiv zu kühlen.
Gallerie
Bezugspunkt historischer Stadtkern
Der Rostrot getünchte Bau mit zwei bis drei Geschossen fügt sich
aus zwei Volumina mit einer Geschossfläche von insgesamt 8.640
Quadratmetern zusammen, die einen großen Innenhof flankieren. Als
Inspiration für den Grundriss der inklusive Freiflächen 17.650
Quadratmeter großen Anlage geben die Architekten historische
Stadtkerne der Region an. Räume, Säle und Gebäudetrakte fügen sich
organisch aneinander, als seien sie, wie eine Burganlage über lange
Zeit gewachsen.
Von außen betrachtet resultieren die organischen Grundrisse in einem zerklüfteten Fassadenbild. Da zudem die Wandflächen geneigt und teils mit abgeschrägten Kanten in die umgebenden Parkflächen ragen, entstehen Assoziationen an die Wehrmauern einer Burg. In der Region finden sich zahlreiche historische Palastanlagen und Festungen, von denen ein großer Teil den Welterbestatus der UNESCO besitzt. Häufig befinden sie sich an der Spitze eines Bergmassivs oder aber im Zentrum der alten Städte.
Dachterrassen und fragmentierter Pausenhof
Das gesamte Dach des Nordflügels und viele Dachflächen des
Südflügels sind als Terrasse von den zwei Obergeschossen aus
begehbar. Da die zwei Schulgebäude nicht räumlich miteinander
verbunden sind, entsteht ein zu zwei Seiten offener Hof. Überfangen
wird dieser von einem Netz aus Betonträgern, die der Verschattung
dienen.
Über Wege, die den Hof linear durchkreuzen, sind die beiden Schulgebäude miteinander verbunden. Die Wege überschneiden sich und bilden fragmentierte Flächen, in denen Pausen- und Spielflächen angelegt sind. Sie können einzelnen angegliederten Gebäudeteilen zugeordnet werden – etwa der Kantine als Außenbereich – oder sollen in ihrer Funktion als Pausenhof den Gemeinschaftssinn innerhalb der Schülerschaft fördern. Ein weiterer Spielplatz sowie ein Sportplatz mit Rennbahn sind auf der Nordseite des Campus angelegt.
Außen rot, innen bunt
Innen wird das erdige Rot der Fassade in den Korridoren und
Klassenräumen um einige weitere kräftige Farbtöne ergänzt. Der
Südflügel beherbergt den Haupteingang der Schule mit großer
Empfangshalle, die Büros für die Schulleitung und die Verwaltung,
das große Auditorium mit eigenem Vorraum sowie in den oberen
Geschossen die Lehrerzimmer, den Computerarbeitsraum und das
Kunstatelier. Die meisten Klassenräume sowie Projekträume, das
Labor und die Schulkantine mit separaten Speisesälen für die Beleg-
und die Schülerschaft befinden sich im nur zweigeschossigen
Nordflügel. Die Bibliothek nimmt eine größere Fläche im
Obergeschoss des Nordflügels ein.
Sonnenschutz: Sonnenbrecher und Nordausrichtung
Mit Temperaturen von meist über 35 Grad Celsius herrscht fast das
ganze Jahr ein wüstenartiges Klima vor. Alle Klassenräume sind nach
Norden ausgerichtet: im Südflügel in Richtung des Innenhofes, im
Nordflügel zur Sportanlage. So kann Sonnenlicht nur indirekt
eindringen. Darüber hinaus sind die Trennwände zwischen den
Klassenräumen als haushohe, vertikale Brise Soleils in den
Außenraum weitergeführt. Dadurch werden die nach Norden
ausgerichteten Fensterflächen auch vor der morgendlichen Ost- sowie
der abendlichen Westsonne verschattet.
Das Netz aus Betonträgern wird von massiven Pfeilern getragen und dient dem Pausenhof als Sonnendach. Das Grundgerüst besteht aus trapezförmigen Rahmen, die von weiteren, parallel verlaufenden Betonträgern durchsetzt sind, um den Sonneneintrag zu verringern. Durch die offene Bauweise dieser von den Architekten als „Sonnenbrecher“ bezeichneten Überkopfverschattung, wird dieser Teil der Anlage mit expressiven Schattenformen und grellen Lichtflecken bespielt, deren Form sich durch den Sonnenverlauf über den Tag hinweg kontinuierlich verändert.
Alle Sonnenschutzmaßnahmen sind bei der Rahjastan School als Teil der Gebäudekubatur in die Architektur integriert. Darüber hinaus wurden viele Wandflächen im Bereich der Korridore offen ausgeführt, was eine stetige Luftzirkulation und damit Kühlung der Gebäudeflügel bewirkt. Diese durchlässig gemauerten Wandflächen, sogenannte Jalis, sind tief in der asiatischen Bautradition verwurzelt und finden in der islamisch geprägten Baukunst ihr Pendant in den Maschrabiyya.
Auf eine Kühlung der Schulgebäude durch Klimaanlagen konnte dank
des umfassenden Nachhaltigkeitskonzepts weitestgehend verzichtet
werden. Der gesamte Strombedarf wird durch die Restenergie eines
nahe gelegenen Zementwerks erzeugt. Das Wasser wird aufgefangen und
wiederverwendet. -sr
Bautafel
Architektur: Sanjay Puri Architects, Mumbai
Projektbeteiligte: Asian Paints, Mumbai (Fassaden- und Innenfarben)
Bauherrschaft: Shree Cement, Kalkutta
Standort: Shree Cement Bhagatpura Township, Ras, Rajasthan, Indien
Fertigstellung: 2020
Bildnachweis: Dinesh Mehta, Mumbai
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