Forschungszentrum Hans Rosling Center in Seattle
Die Kraft des Teams
Im Spätsommer des Jahres 2020, also inmitten der Corona-Pandemie, ist mit dem Hans Rosling Center for Population Health das nachhaltigste Forschungsgebäude der University of Washington (UW) fertiggestellt worden. Das ist deshalb bemerkenswert, weil viele der in dem Campusgebäude untergebrachten Organisationen im Gesundheitssektor tätig und aktiv an der Forschung zum neuen Erreger COVID-19 sowie Pandemien im Allgemeinen beteiligt sind. Doch nicht nur das Tagesgeschäft der Mietparteien ist up to date. Mit einer umfassenden Strategie zur Energieeinsparung und Ressourcenschonung – darunter eine transparente Fassade mit effektivem Sonnenschutzssystem – und einem interdisziplinären Planungsansatz nach der Build-Design-Methode entspricht das durch das Architekturbüro Miller Hull geplante Bauwerk aktuellen Anforderungen an Nachhaltiges Bauen. Dabei wird eine LEED-Zertifizierung in Gold angestrebt.
Gallerie
Globales Zentrum für die Gesundheitsforschung
Das selbst gesteckte Ziel des neuartigen Hubs, in dem Forschende neben Lehrenden und Studierenden arbeiten werden, ist es, zum globalen Zentrum für die Forschung an Volksgesundheit zu werden. Bei der sogenannten Population Health handelt es sich um einen Gesundheitsansatz, der darauf abzielt, nicht einzelne Individuen zu heilen, sondern die Gesundheit einer gesamten menschlichen Bevölkerung zu verbessern. Die drei Kernziele des Ansatzes sind die menschliche Gesundheit, die Resilienz der Ökosysteme sowie Chancengleichheit bzw. Steuergerechtigkeit. Finanziert wurde das Projekt über einer Spende von 210 Millionen Dollar zum größten Teil durch die Bill & Melinda Gates Foundation.
Verbindung von zwei Campusbereichen
Gelegen auf abschüssigem Terrain zwischen dem historischen Campus mit Bauten des 19. Jahrhunderts und dem sogenannten Innovation District mit seiner zeitgenössischen Architektur, vermittelt das Gebäude zwischen zwei unterschiedlich geprägten Arealen, die aufgrund des Niveauunterschieds räumlich stark voneinander getrennt waren. Der längliche Baukörper ist in nord-südlicher Richtung ausgerichtet und fügt sich aus unterschiedlichen ineinandergeschobenen Quadern verschiedener Größer zusammen, sodass die Fassade durch großmaßstäbliche Vor- und Rücksprünge sowie diverse Öffnungen geprägt ist. Das beschert den Obergeschossen vielzählige Terrassen und sorgt für überdachte Außenbereiche im Erdgeschoss. Dadurch entstehen diverse Platzsituationen, welche die drei Hauptzugänge auf jeweils eigenen Ebenen des abschüssigen Terrains flankieren. Die weitläufige Eingangshalle erstreckt sich entsprechend über drei Galeriegeschosse, welche über großzügige Treppen miteinander verbunden sind.
Aufsteigend von der Lobby verfügt das Bauwerk über zwei Atrien,
die der Erschließung dienen und das Gebäudeinnere über transparente
Oberlichter mit Tageslicht versorgen. Zudem sollen die Atrien
Blickbeziehungen zwischen den Büroebenen sicherstellen und so das
interdisziplinäre Arbeiten fördern. Die oberen Geschosse sind als
flexibel nutzbare Räume gestaltet, die das kollaborative Arbeiten
zwischen Teams genauso befördern sollen wie die individuelle
Einzelarbeit.
Sonnenschutz und Design-Build: Glaslamellen mit
Blendschutz
Das Bauwerk ist nach Westen ausgerichtet. Hier ist es eine Vorhangfassade aus Glas, die, mit
Sonnenschutzlamellen des gleichen Materials versehen, eine
besondere Transparenz beschert. Die 90 Zentimeter tiefen
Glaslamellen sind feststehend, jedoch in ihrer Neigung so
berechnet, dass sie für eine dynamische Licht- und
Schattenverteilung an der Fassade sorgen. Somit werden die
Nutzerinnen und Nutzer effektiv vor Westsonne und vor Blendung
geschützt. Über einen subtileren Ausdruck verfügt die
gegenüberliegende Ostfassade, welche dem historischen Campus
zugewendet ist. Aus Rücksicht auf dessen historische Architektur
wurde sie mit vorgefertigten Betonpaneelen ausgestattet, deren
Zuschlag farblich auf die benachbarten Bauwerke abgestimmt ist. In
der Gestaltung zurückhaltendere, jedoch nicht minder effektive
Sonnenschutzlamellen tragen hier dem Bedürfnis nach Verschattung am
Morgen Rechnung.
Interdisziplinäres Planen
Ein Hauptziel des Projekts war es, in und um das Gebäude ein gesundes Klima zu erschaffen, sowohl während Planung und Bau als auch im Betrieb. Ein wichtiges Werkzeug dazu fand das Planungsteam in der Umsetzung des gesamten Projektes mit Hilfe der Design-Build-Methode. Diese hat einen stark interaktiv ausgelegten Ansatz: Anstatt die einzelnen Gewerke autark voneinander planen zu lassen, agieren sämtliche Parteien von Anfang bis zum Ende miteinander und unter einer zentralen Leitung. Dazu werden Teams gebildet – ein großes Hauptteam und viele kleinere Teams – die sich spezieller Probleme bzw. Planungsziele annehmen und aus Vertreterinnen und Vertretern der beteiligten Gewerke zusammensetzen.
Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit sollen nicht nur
Kommunikationsprobleme behoben und der Budgetplan besser
eingehalten werden können, sondern auch Auszubildende und
Studierende beteiligt und so frühzeitig mit wertvoller
Praxiserfahrung versorgt werden können. Anhand einer beispielhaften
Skizzierung des Planungsprozesses für die Sonnenschutzfassade lässt
sich die Funktionsweise dieses innovativen Systems erläutern. Die
Glaslamellen sind ein wichtiges Element des Entwurfs, wirken sich
aber auch auf die Konstruierbarkeit, Wartbarkeit und den
Benutzerkomfort des Bauwerks aus. Als das größere Team begann, das
Sonnenschutzkonzept zu überprüfen, wurden Herausforderungen
offensichtlich, die von den jeweiligen Projektbeteiligten
herausgestellt wurden:
- Der Wartungsfirma der UW war eine gute Erreichbarkeit der Fenster und der Lamellen zur Reinigung und Wartung wichtig.
- Die Gewerke der Tragwerksplanung befassten sich mit der Entwicklung eines Systems, das innerhalb des Entwurfes funktioniert und effizient sowie sicher zu installieren ist.
- Durch die Verwendung des Baustoffs Glas liefen die Lamellen Gefahr, aufgrund ihres hohen Reflektionspotenzials, den zahlreichen diversen Winkelstellungen sowie des saisonal schwankenden Sonnenverlaufs zu einer schwer kalkulierbaren Gefahr durch Blendung insbesondere von externen Nutzern und Verkehrsbeteiligten der angrenzenden Hauptstraße zu werden.
- Das Systemdesign ermöglicht es, die Glaslamellen für Wartungsarbeiten zu schwenken, um die Zugänglichkeit zu erleichtern und gleichzeitig den Zeitaufwand zu minimieren, der für die Installation und Verwendung von Absturzsicherungsgeräten erforderlich ist.
- Der gleiche Schwenkmechanismus ermöglichte die Vorfertigung der Lamellen als Teil der einzelnen Vorhangfassadenelemente, was eine effiziente und sichere Installation begünstigte.
- In Absprache mit dem Hersteller wurde ein Verbundglas mit Filmzwischenschicht gefunden, welche das Licht diffus reflektiert und somit die Blendung des Verkehrs verhindert. Als zusätzlicher Vorteil reduziert die Zusammensetzung der Lamellen den Solarwärmegewinn der Gebäudefassade, was zu Vorteilen für das mechanische System führte.
Bautafel
Architektur: The Miller Hull Partnership, Seattle
Projektbeteiligte: Lease Crutcher Lewis, Seattle (Projektleitung Design-Build); Site Workshop, Seattle (Landschaftsarchitektur); KPFF Consulting Engineers, Seattle (Tragwerksplanung); PAE, Portland / Hermanson Company (Gebäudetechnik); Affiliated Engineers / Veca Electric & Technologies (Elektro); Blanca Lighting Design (Licht); A3 Acoustics, Seattle (Akustik)
Bauherr/in: University of Washington, Seattle
Fertigstellung: 2020
Standort: Guthrie Annex 3 (GA3), Seattle, WA 98105, Vereinigte Staaten
Bildnachweis: Kevin Scott
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