Jack C. Taylor Besucherzentrum in St. Louis
Blätterdach aus Licht
Der Missouri Botanical Garden ist die älteste kontinuierlich betriebene botanische Einrichtung der USA und eine globale Institution für Pflanzenforschung. Mit dem Jack C. Taylor Visitor Center erhält sie ein neues Besucherzentrum, um die inzwischen auf über eine Million gestiegene jährliche Besucherzahl besser bewältigen zu können. Der von Ayers Saint Gross und Michael Vergason Landscape Architects entworfene Komplex dient als Hauptzugang sowie als Informations- und Ausstellungszentrum. Passive Kühlung und eine besondere Lichtstimmung werden durch ein biophiles Sonnenschutzsystem erzeugt.
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Ein durchdachter Ankunftsprozess
Mit mehr als 46.000 Pflanzen und über 300 Arten, von denen viele vom Aussterben bedroht sind, ist der Missouri Botanical Garden eine lebende Bibliothek. Das neue Zentrum inszeniert die Ankunft der Besucher*innen als ein Erlebnis, bei dem sich Architektur und Natur durchdringen. Die Planenden ließen sich von der Geschichte und den Pflanzensammlungen des Gartens inspirieren. Besucher*innen betreten den Botanischen Garten durch die historische Einfriedungsmauer und gelangen in den neu gestalteten Nordgarten. Sanft ansteigende Wege und großzügige Terrassen laden zum Verweilen ein. Ein Rampensystem ermöglicht den barrierefreien Zugang. Robuste Materialien wie Granit, Bronze und heimischer Kalkstein aus Missouri dienen als Fassadenmaterial und fassen die Wege.
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Gebäude und Architektur
Der weitläufige Gebäudekomplex hat einen L-förmigen Grundriss und besteht aus mehreren eingeschossigen Trakten mit jeweils eigenständiger Kubatur und Gebäudehülle. Die Architektur ist von Kontrasten geprägt: Dem geschlossenen Eindruck der massiven Nordfassade steht die eher transparente Südfassade gegenüber. Einzelne Abschnitte erinnern an traditionelle Gewächshausarchitektur. Im Zentrum befindet sich eine große, überhöhte Ankunftshalle mit einem markanten, großformatigen Oberlicht, das den Innenraum mit Tageslicht flutet und als Fixpunkt der Außenwahrnehmung dient. Die Halle erstreckt sich in Nord-Süd-Richtung und ermöglicht durch große Glastüren beidseitige Blickachsen – vom Eingangsbereich bis tief in die Gartenlandschaft.
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Funktionen und Nachhaltigkeit
Das Zentrum bietet ein vielseitiges Raumprogramm: ein flexibles Auditorium, Klassenräume, das Sassafras Restaurant und Café, das Bayer Event Center und den neuen Garden Gate Shop. Barrierefreie Einrichtungen und familienfreundliche Ruheräume schaffen ein integratives Umfeld. Nachhaltigkeit ist ein zentraler Aspekt der Planung, die auf eine LEED-Gold-Zertifizierung abzielt. Dazu gehören Maßnahmen wie Beschattung, natürliche Belüftung, Sonnenkollektoren auf dem Dach und Regenwassermanagement. So wird der ökologische Fußabdruck minimiert und die Mission des Gartens, ein Bewusstsein für die Bedeutung der Natur zu schaffen, unterstützt.
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Sonnenschutz: Perforierter Innenschirm in biophilem Design
Das Jack C. Taylor Visitor Center bedient sich Strategien des biophilen Designs, um die Naturverbundenheit der Institution in die Architektur zu integrieren. Neben der Einbettung in die Gartenwelt durch Sichtachsen und bodentiefe Fenster gibt es zahlreiche Anspielungen im Inneren: Terrazzoböden mit handgefertigten Intarsien aus lokalen Flusssteinen, Messingakzente in Blattform und Thekenverkleidungen, die an Flusskiesel erinnern. Eine Sitzbank aus dem Stamm einer Shumard-Eiche, die einst Teil des Gartens war, sowie botanische Exponate an den Wänden des Restaurantbereichs unterstreichen ebenfalls den Bezug zur Natur.
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Ein besonderes Highlight ist die zentrale Laterne, die innen mit einem überdimensionalen, frei hängenden und perforierten Schirm aus Metallblech ausgestattet ist – einer sogenannten Scrim-Struktur. Dabei handelt es sich um eine durchlässige, oft perforierte oder gewebte Fläche, die Licht, Luft oder Sicht teilweise durchlässt und so bestimmte Effekte erzeugt. Ursprünglich aus dem Theater- und Bühnenbereich stammend, wird der Begriff „Scrim“ im Englischen für dünne, halbtransparente Gewebe oder Materialien verwendet, die je nach Beleuchtung transparent oder opak wirken können.
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In der Architektur sind Perforationen vielseitig einsetzbar. Sie
können das einfallende Licht streuen oder filtern, wodurch
blendfreie und angenehme Lichtverhältnisse entstehen. Gleichzeitig
erzeugen perforierte oder gemusterte Oberflächen ästhetische
Schattenspiele, die dynamische Lichtwirkungen im Raum hervorrufen.
Als Sichtschutz bieten sie die Möglichkeit, teilweise
hindurchzusehen, ohne vollständig transparent zu sein, wodurch sie
Schutz und Offenheit gleichermaßen vereinen. Im Fall des Missouri
Botanical Garden ist die Scrim-Struktur von den Ginkgo-Bäumen des
Gartens inspiriert. Sie imitiert eine natürliche Lichtwirkung, die
an den durch Baumkronen gefilterten Lichteinfall auf einer
Waldlichtung erinnern soll, und schafft so eine besondere
Verbindung zum Garten. Zusätzlich dient der Schirm nachts und in
den Dämmerstunden als Trägermaterial, das die künstliche
Beleuchtung reflektiert. -sr
Bautafel
Architektur: Ayers Saint Gross, Maryland (USA)
Projektbeteiligte: Michael Vergason Landscape Architects, Alexandria, Virginia, USA (Landschaftsarchitektur); Tao + Lee, St. Louis, Missouri, USA (Bauausführung)
Bauherr*in: Missouri Botanical Garden
Fertigstellung: 2023
Standort: 4344 Shaw Blvd, St. Louis, MO 63110, USA
Bildnachweis: Casey Dunn, Wesley Law (Fotos); Ayers Saint Gross (Pläne)
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