Wienerwaldgymnasium Tullnerbach
Terrassenbau im Grünen
Grün ist schön, gesundheitsfördernd und inspirierend. Dass eine intakte Naturumgebung nicht zuletzt die Lernfähigkeit positiv beeinflusst, macht sich das Wienerwaldgymnasium in Tullnerbach zunutze. Eingebettet in den Baumbestand des namensgebenden Biosphärenparks vereint das Schulgebäude die Typologien eines Terrassen- und eines Kammgebäudes. Durch offene, flexible Räume sowie ein durchdachtes Sonnenschutz- und Tageslichtkonzept fügt sich die Architektur von Fasch & Fuchs harmonisch in die Natur ein.
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Freiräume als Lernorte
An einem steilen Südhang gelegen, folgt der Neubau der natürlichen Topografie des Geländes. Der als Pausenhof nutzbare Sportplatz kragt auf einer aufgeständerten Stahlbetonplatte in Richtung Tal aus, darunter befinden sich Parkplätze. Hier, auf der Südseite, ist der Baukörper terrassiert. Auf der Nordseite, das Gebäude teilweise in den Hang eingebettet ist, sind mehrere Höfe eingeschnitten. Diese Struktur ermöglicht großzügige Freiräume auf allen Ebenen.
Die lichtdurchfluteten Innenräume besitzen fast alle einen direkten Außenbezug. Durch umlaufende Balkone, Dachgärten, Grünflächen, Sitzstufen und überdachte Freiflächen (sogenannte Freiklassen) kann der Unterricht in den Außenraum verlagert werden. Die Gestaltung soll das Lernen im Freien fördern und den Schüler*innen – quasi als erste Schulstunde – den Gedanken näherbringen, Architektur als Teil der umgebenden Landschaft zu begreifen und nicht als ihren Gegenspieler. Die Lage am Waldrand, mit dem umgebenden Baumbestand, und die begrünten Dachflächen sorgen für ein angenehmes, gesundes Mikroklima. Der nahe Biosphärenpark wird in das pädagogische Konzept eingebunden.
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Vielseitiges Tragwerk
Der komplexe Baukörper erforderte ein flexibles Tragwerk. Stahlbetondecken und -wände übernehmen als Flächentragwerke vertikale und horizontale Lasten. Für die auskragenden Terrassen kommen Rahmenkonstruktionen oder punktuelle Verstärkungen aus Beton oder Stahl zum Einsatz. Stahlbetonstützen in den Innen- und Außenbereichen leiten die Lasten aus den weitspannenden Deckenkonstruktionen ab, während Zugbänder aus Stahl die Stabilität der offenen Bauweise erhöhen.
Flexible und offene Raumkonzepte
Bei der Organisation der Innenräume war den Architekt*innen wichtig, die Orientierung zu erleichtern. Herzstück ist das als Aula genutzte, viergeschossige Atrium, das an die zwei Treppenhäuser angeschlossen ist und die unterschiedlichen Funktionen der Schule räumlich miteinander verknüpft. Transparente Raumteiler und großzügige Verglasungen begünstigen Sichtbeziehungen zwischen den Geschossen und lenken Tageslicht bis in die Tiefe des Baukörpers.
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Die Unterrichtsräume in den oberen Geschossen sind flexibel nutzbar. Mobile Trennwände erlauben eine Anpassung an unterschiedliche Lern- und Prüfungssituationen genauso wie an künftige pädagogische Anforderungen. Besondere Lernzonen und Aufenthaltsbereiche entlang der Erschließungsflächen geben den Schüler*innen Raum für individuelle und kollaborative Formate. Im Erdgeschoss befinden sich Trakte für künstlerisches und naturwissenschaftliches Arbeiten, Sport- und Bewegungsräume, sowie das Lehrerzimmer und die Kantine.
Licht und Schatten in Balance
Das Wienerwaldgymnasium vereint Tageslichtnutzung und effektiven Sonnenschutz. Ein wesentlicher Bestandteil sind die Senkrechtmarkisen auf der Süd- und Westseite, die zwischen den Stützen eines gedeckten Gerüsts geführt sind. Diese Konstruktion rückt die weißen Stoffbahnen um etwa 1,85 Meter von den Fassaden ab und erzeugt so einen Pufferraum auf der Dachterrasse, der mehrere Funktionen erfüllt: Er reduziert die direkte Sonneneinstrahlung, unterstützt die thermische Regulierung und ermöglicht eine variable Verschattung, ohne den Blick in die Natur zu versperren. Zugleich schützen die luftigen Vorbauten das Glas und die Holzverschalung der dahinterliegenden Fassaden vor Witterungseinflüssen und Verschmutzung und erleichtern die Reinigung und Wartung. Ergänzend wirken auskragende Balkone und Dächer als konstruktive Verschattungen bei hochstehender Sonne.
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Neben dem Wunsch nach effektivem Sonnenschutz war eine größtmögliche Tageslichtnutzung ein zentraler Aspekt im Entwurf. Großflächige Verglasungen und Einschnitte in den kompakten Baukörper lassen das natürliche Licht tief in die Innenräume vordringen. Oberlichter erhellen selbst tiefer gelegene Bereiche wie den Turnsaal. Ihre Holzeinfassungen dienen zugleich als Sitzgelegenheiten auf den darüberliegenden Dachterrassen.
Zusätzlich wurden die Glasfassaden mit farbigen Folien versehen, die das einfallende Licht filtern und so die Atmosphäre im Innenraum subtil beeinflussen. Diese Gestaltung ist Teil des künstlerischen Konzepts Transformationen von Gustav Deutsch und Hanna Schimek, das die Farben des Waldes aufgreift und in die Architektur integriert. Neben den farbigen Glaselementen tragen abgestufte Töne bei Wänden, Böden und speziellen Bauelementen sowie naturbelassenes Holz dazu bei, die Umgebung im Gebäude widerzuspiegeln. Das Konzept trägt zu einer inspirierenden Lernumgebung bei, die das Bewusstsein für die Veränderlichkeit der Jahreszeiten und die enge Verbindung zur Natur schärft. -sr
Bautafel
Architektur: fasch&fuchs.architekten, Wien
Projektbeteiligte: Werkraum Wien Ingenieure, Wien (Tragwerksplanung); Exikon Arc&Dev, Wien (Bauphysik); BMO, Wien (Ausschreibung); Thermo Projekt, Wien (Heizung, Lüftung, Sanitär); TGAPLAN Gebäudetechnik, Wien (Elektrotechnik); IHW – HIG-Gruppe, Wien (Brandschutz); Gustav Deutsch und Hanna Schimek, Wien (künstlerisches Konzept)
Bauherrschaft: BIG Bundesimmobiliengesellschaft im Auftrag der Bildungsdirektion für Niederösterreich
Fertigstellung: 2023
Standort: Norbertinumstraße 7, 3013 Tullnerbach, Österreich
Bildnachweis: Hertha Hurnaus (Fotos); Patrick Klammer (Modellfoto); fasch&fuchs.architekten (Pläne)
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