Rathaus mit Kino in Haarlem
Strukturiertes Ziegelmauerwerk mit hellen und dunklen Fugen
Ein Rathaus und ein Multiplexkino sind zwei Gebäudetypen, die auf den ersten Blick so gar nicht zusammenpassen und doch sind sie im niederländischen Haarlem in einem Haus untergebracht. Die ungewöhnliche Kombination rührt aus der Zeit der Entwurfsplanung: Zu Beginn sollte in den unteren Geschossen ein Kasino und im Obergeschoss ein Kino entstehen. Danach wechselte die Nutzung während der Planung mehrfach, bevor letztlich bisher über die Stadt verteilte Abteilungen des Rathauses und ein Kino mit mehreren Sälen in dem neuen Baukörper aufgenommen wurden. Die Münsteraner Architekten Bolles + Wilson sind für den Neubau mit Uhrenturm verantwortlich; der Masterplan zur Neuentwicklung des gesamten Areals, das sich am Westrand der Haarlemer Altstadt befindet, stammt von dem Städtebaubüro Kraaijvanger Urbis aus Rotterdam.
Gallerie
Auf dem Neubaugrundstück an der äußersten Ecke im Nordwesten des Areals stand früher ein Schulgebäude von circa 1900. Dieses sollte zunächst umgenutzt werden, war jedoch mit dem Raumprogramm nicht vereinbar und wurde deshalb abgerissen. Verschiedene signifikante Bauelemente, wie z.B. die Ankereisen, konnten erhalten bleiben und wurden nach der Restauration in den Neubau integriert.
Der Eingang ins Rathaus liegt an der Nordwestecke des Gebäudekomplexes, das Kino wird über die Passage erschlossen. Alle Kinosäle sind in den unteren Geschossen untergebracht. Eine Pflanzenwand sowie eine schlanke stählerne Wendeltreppe dominieren die stützenfreie Rathauslobby. Die Treppe führt in das von der Decke abgehängte Zwischengeschoss. In den Obergeschossen sind flexible Arbeitsplätze mit klassischen Büros und kleinen Besprechungsbereichen kombiniert. Über den sich trichterförmig nach oben öffnenden Lichthof über der Passage gelangt viel Tageslicht in die Büros. Akzente setzen altmeisterliche Gemälde der Haarlemer Schule als Punktrasterdruck auf Glaswänden im Zusammenspiel mit dem weißen Bodenbelag und den in Knallgrün gehaltenen Teeküchen.
Das Rathaus und Multiplex-Kino Raakspoort in Haarlem wurde im Jahr 2012 bei den britischen Brick Awards 2012 mit der Auszeichnung in der Kategorie World Brick Award prämiert.
Mauerwerk
Bei der Fassadengestaltung sollten sich die Architekten laut
Stadtbauamt an der Architektursprache von Willem Marinus Dudok*
orientieren. Daher entwickelten sie ein Verblendmauerwerk aus Ziegeln, wie es der
Backsteinmodernist verwendet haben könnte: Strukturierte Flächen
wechseln sich mit glatten/ebenen Flächen ab. Für die strukturierten
Flächen sind die Klinker versetzt zueinander angeordnet, d.h. aus
der Wandebene hervor- und zurückspringend vermauert, sodass eine
reliefartige Oberfläche entsteht (siehe Abb. 17+18). Die Fugen in
diesen Bereichen sind dunkel gehalten, während im glatten Mauerwerk
ein heller Fugenmörtel verwendet wurde. Zur Unterstützung der
Fassadenwirkung entschieden sich die Architekten für Fenster, die
entweder von der Fassadenlinie zurückgesetzt sind, also bündig mit
dem Mauerwerk oder aus der Fassade hervortreten.
Beim Fassadenklinker handelt es sich um einen Handstrichziegel im Format 214 x 101 x 50 mm, der im wilden Verband vermauert wurde. Die Wärmeleitfähigkeit des Klinkers liegt bei λ = 0,45 W/(mK), bei einer Stärke von 10 cm ergibt das für das Verblendmauerwerk einen U-Wert von 4,5 W/(m²K).
Die Außenwände sind zweischalig aufgebaut: Auf die 25 cm breite
tragende Stahlbetonkonstruktion sind 10 cm Wärmedämmung
aufgebracht. Nach einer Luftschicht folgt das
Verblendmauerwerk.
*Willem Marinus Dudok (geb. 6. Juli 1884 in Amsterdam; † 6. April
1974 in Hilversum/NL) war ein niederländischer Architekt. Für das
Rathaus in Hilversum entwickelte er das Backsteinformat von 50 x
290 mm. Dieses wurde als Hilversum-Format bekannt.
Bautafel
Architekten: Bolles + Wilson, Münster
Projektbeteiligte: Bureau Bouwkunde, Rotterdam/NL (Kontaktarchitekten); Donald Lambert, Kraaijvanger Urbis, Rotterdam (Masterplan); Döll Architecten, Rotterdam (Innenraum Rathaus); Corsmit Raadgevend Ingenieursbureau, Rijswijk/NL (Tragwerksplanung); DGMR Raadgevende Ingenieurs, Arnheim/NL (Bauphysik); Urbis bureau voor stadsontwerp, Rotterdam (Freiraumplanung); BBN Adviseurs, Amsterdam/NL (Projektsteuerung); Dura Vermeer Bouw Haarlemmermeer, Cruquius/NL (Generalunternehmer); Vandersanden Steenfabrieken, Spouwen-Bilzen/BE (Klinkerhersteller)
Bauherr: MAB Development Nederland
Fertigstellung: 2011
Standort: Raaks Kwartier, Zijlvest 39, 2011 VB Haarlem/NL
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