Prismatische Oberlichtgitter
Vault Lights, Pavement Lights, Gehwegprismen
Vault Lights, wortwörtlich übersetzt Kellergewölbe-Fensteröffnung, oder auch Pavement Lights, sind mit den Bezeichnungen Bürgersteigfenster und Gehwegprismen eine frühe Form begehbarer Oberlichter. Sie entstanden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
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In den im Zuge der industriellen Revolution rasant wachsenden Großstädten wie London, Paris, New York, Chicago und San Francisco war innerstädtischer Raum für Warenlager und Werkstätten knapp. Folglich wurden die – manchmal sogar mehrgeschossigen – Kellerräume bis unter die Bürgersteige erweitert und ausgebaut. Doch die Belichtung dieser fensterlosen Räume war ein Problem. Zu dieser Zeit gab es noch kein elektrisches Licht, wie wir es heute kennen. Künstliche Beleuchtung beispielsweise mit Gaslaternen war aufwendig und mit Öllampen oder gar Kerzen gefährlich, wie die Great Fires, die flächenmäßig enormen Großfeuer mit unzähligen Opfern wie in New York im Jahr 1835, in San Francisco 1851 und in Chicago 1871 zeigen.
Gitter, Zellen, Glaspfropfen
Eine Form der sicheren Belichtung entwickelte der US-amerikanische Politiker und Erfinder Thaddeus Hyatt (1816-1901) und meldete seine Idee 1845 als Hyatt Patent Lights zum Patent an. Zur natürlichen Belichtung unterirdischer Räume wurden in den Bürgersteigen guss- oder schmiedeeiserne Gitter verlegt, in deren Zellen massive gläserne Pfropfen gesteckt wurden. Diese Pfropfen sind geometrisch eine Kombination aus einem oberen linsenförmig verstärkten Rand und einem unteren asymmetrisch facettierten Prisma, das der Lichtbündelung und -lenkung dient. Sie haben einen Durchmesser zwischen etwa 5 cm bis maximal 10 cm und Längen bis zu etwa 15 cm. Diese Lösung setzte sich sowohl in den USA als auch in Varianten in Europa durch.
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Die Gitter variieren von rechtwinkligen und wabenartigen Formen, die sich zu größeren Flächen addieren lassen, bis zu radial-konzentrischen Rosetten. In Abhängigkeit von der Kontur der Zellen sind die Pfropfen daher oben quadratisch, kreisrund oder hexagonal. Je nach den chemischen Bestandteilen des Glases schimmern sie weißlich, grünlich, gelblich oder violett. Im Falle einer Verkantung oder eines Bruchs konnten die Glaselemente einzeln ausgetauscht werden. Typologisch verwandt sind begehbare Glassteine.
Hochphase und Verfall
Die begehbaren Gitteroberlichter waren insbesondere zur Zeit der Belle Epoque, des Art Déco und des Jugendstils als gleichermaßen praktische wie dekorative Glasornamente beliebt und wurden zahlreich verwendet. Sie bildeten beispielsweise Mosaike in Fußböden respektive Decken von Bahnhöfen, in Zugängen zu Untergrundbahnen sowie in Einkaufspassagen.
Im Zuge der Elektrifizierung, der Modernisierung und nicht zuletzt durch innerstädtischen Strukturwandel mitsamt Aufgabe der Kellerlager verloren die Vault Lights ihre Funktion. Bei Bruch, beispielsweise durch Belastung durch parkende PKWs, wurden sie nicht mehr repariert. Leere und defekte Gitter füllten sich mit Abfällen. Schließlich wurden sie oft mit Beton, Zement oder Asphalt verfüllt und verdeckt.
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Wiederentdeckung als atmosphärische Artefakte
Als sich seit den 1980er-Jahren die New Yorker Viertel Soho und
Tribeca zu hippen Gegenden für Musik- und Filmstars mit Lofts,
Flagshipstores gehobener Modemarken, Galerien und Fine Dining
Restaurants wandelten, wurden die dort besonders häufig vorhandenen
Vault Lights der damaligen Gewerbebauten als authentische und
atmosphärisch charmante urbane Artefakte wiederentdeckt. Sie wurden
repariert, restauriert und bei Fehlstellen sogar rekonstruiert und
ergänzt. Eine vergleichbare neue Wertschätzung erfahren diese
historischen Oberlichter auch in europäischen Städten wie Lissabon
und Budapest, die ein architektonisches Erbe von
Fin-de-Siècle-Bauten kultivieren. Besonders in der Dämmerung belebt
das sanfte Schimmern dieser begehbaren Oberlichter den öffentlichen
Straßenraum und trägt damit nicht zuletzt zu einem besseren
Sicherheitsempfinden bei. -sj
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