Zwillingsfenster
Entlastungsbogen als Tragwerksprinzip
Zwillingsfenster sind die Bezeichnung für zwei eng nebeneinander
spiegelsymmetrisch angeordnete Fenster. Etymologisch entstand das
Wort zwiniling oder auch zwinelinc etwa im 9.
Jahrhundert und bedeutet zweifach oder doppelt.
Gallerie
Diese Doppelfenster entstanden aus tragwerkstechnischen, also baustatischen Gründen zur gleichen Zeit wie das Wort, nämlich in der frühen Romanik. In der Gotik und Renaissance wurden sie tragwerkstechnisch verfeinert und in Historismus und Postmoderne als Dekoration erneut zitiert. Im Prinzip sind sie die Vorgänger von heutigen horizontalen Fensterbändern und Pfosten-Riegel-Glasfassaden, in denen sich die massive Wand in ein Tragwerk-Skelett aus Kraftflüssen auflöst.
Zwillingsfenster, auch erweitert als Drillingsfenster, sind zwei
bzw. drei stehende Fensteröffnungen
- unter einem gemeinsamen Rundbogen als Entlastungsbogen
- unter einem gemeinsamen Giebel, ursprünglich statisch wirksam, später dekorativ vorgeblendet
- mit (insbesondere in der Renaissance) Trennung durch Steinsäulen
- mit gemeinsamer Laibungsverkleidung
- mit gemeinsam betonter Fasche, farblich und/oder
reliefartig
Die Dimensionierung eines Fenstersturzes war lange Zeit begrenzt. Wenn zwei oder gar drei Fenster also dicht nebeneinander angeordnet sein sollten, um eine größere Öffnungsfläche zu schaffen, wurde eine bewährte und sichere Konstruktion gewählt, nämlich ein Bogen. Bei einem Bogen treten nur Druckkräfte gemäß der Stützlinie auf. Die Stützlinienform lässt sich in Abhängigkeit von Spannweite, Stichhöhe und Belastung mathematisch exakt ermitteln, falls nicht Erfahrungswerte vorlagen. Das Bauen von Bögen und Gewölben ist eine nahezu archaische architektonische Fähigkeit, auch wenn die Bauten oftmals erstaunlich komplex anmuten und an viele heutige Blobs erinnern, die rein digital berechnet sind.
Als Entlastungsbogen bezeichnet man einen gemauerten Bogen, der
in das Mauerwerk eingefügt ist, das darunterliegende Mauerwerk von
der aufruhenden Mauer entlastet und deren Druck seitlich ableitet.
Innerhalb des Bogenfelds können deshalb mehrere Fensteröffnungen
gut angeordnet werden. Der Entlastungsbogen selbst funktioniert
optimal, wenn er symmetrisch ist, schon deshalb sind die Öffnungen
sinnvollerweise ebenfalls symmetrisch angeordnet. Mögliche
unkontrollierte Durchbiegungen und dadurch verursacht Instabilität
wurden also reduziert. Je größer Stich und Spannweite des Bogens,
je größer konnten auch die Zwillings-, Drillingsfenster oder sogar
Mehrlingsfenster sein. Wenn zwischen den Fenstern zusätzlich - oft
kunstvoll verzierte - Steinsäulen als Stützen angeordnet wird, ist
das System noch stabiler.
Eine Variation dieses Prinzips ist das Palladio-Fenster,
auch Serliana oder Venezianisches Fenster genannt.
Hier überspannt der Bogen nur das mittlere und damit größere
Fenster mit seitlichen Säulen. Die Fensterfelder rechts und links
vom Bogen sind wesentlich schmaler und niedriger und werden
seitlich ebenfalls von Säulen flankiert. Da es sich meist um
relativ schmale Öffnungen handelt, ist der Horizontalschub an den
Auflagerpunkten begrenzt.
Erst dem italienischen Mathematiker und Ingenieur Alberto
Castigliano gelang es, statisch unbestimmte Systeme wie zum
Beispiel Durchlaufträger zu berechnen. Er veröffentlichte 1873 ein
Verfahren zur Bestimmung der Verschiebung und des Neigungswinkels
von Punkten eines elastischen Körpers. Damit brachte er wesentlich
größeren Gestaltungsspielraum plus mathematisch kontrollierbare
Sicherheit in Fassaden- und Fensterkonstruktionen ein.
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